Die Schlachthausstraße in Singen bekommt nach Abschluss der Bauarbeiten an der Unterführung einen neuen Verkehrsstatus. Auf Beschluss des Gemeinderats wird sie künftig für Kraftfahrzeuge nur noch als Einbahnstraße in nord-südlicher Richtung statt wie bisher in beiden Richtungen befahrbar sein. Für diese Regelung stimmten die Fraktionsmitglieder von SPD, Grünen, Freien Wählern und SÖS, dagegen entschieden sich die CDU, die Neue Linie und die FDP. Als Varianten standen die komplette Sperrung sowie die Beibehaltung des bisherigen Status‘ zur Debatte.

Zur Vorgeschichte

Eine Mehrheit von 18 Stadträten folgte damit bei 13 Gegenstimmen dem Vorschlag von Oberbürgermeister Bernd Häusler. Er erläuterte die Vorgeschichte, zu der ein gut besuchter Bürgerabend im Februar sowie reichlich Lobbyarbeit von Anwohnern gehörte, die mit einer Unterschriftensammlung ihre Präferenz für eine Sperrung der Schlachthausstraße für den Kraftfahrzeugverkehr zum Ausdruck brachten. Als Grundlage der Diskussion diente ferner eine Verkehrszählung im Dezember 2018, bei der in der Schlachthausstraße rund 1800 Verkehrsbewegungen gezählt wurden – darunter befanden sich etwa 400 Zweiräder. Bei der Zählung wurde außerdem festgestellt, dass sich die Verkehrsteilnehmer weitgehend an die Tempo-Beschränkung halten.

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„Was soll die Angst vor den Folgen? Wenn das so sein sollte, dann prüfen wir das und wandeln eben auch die anderen Straßen um.“Walafried Schrott, SPD | Bild: SK

Allein die Vorgeschichte kann dabei als Indiz für die wegweisende Bedeutung genommen werden, die dem Sachverhalt von den Stadträten beigemessen wurde. So äußerte OB Häusler bereits in seinen einleitenden Worten die Befürchtung, dass es bei einer Sperrung der Schlachthausstraße zu entsprechenden Begehrlichkeiten bei Anwohnern in anderen Straßen kommen könnte. In der Summe könnte das wiederum zu generellen Problemen bei der Verkehrsabwicklung in der Stadt führen.

„Es darf uns nicht egal sein, wie die Anwohner in der Rielasinger Straße durch eine Sperrung in der Schlachthausstraße zusätzlich ...
„Es darf uns nicht egal sein, wie die Anwohner in der Rielasinger Straße durch eine Sperrung in der Schlachthausstraße zusätzlich belastet werden.“Dirk Oehle, Neue Linie | Bild: SK

Eben das war die Begründung für einen Antrag der CDU-Fraktion, die nach dem voraussichtlich für Anfang Juni zu erwartenden Abschluss der Straßenbauarbeiten wieder die Öffnung der Straße in beiden Richtungen für den kompletten Verkehr forderte. Dahinter steckt laut Fraktionssprecher Franz Hirschle keine Missachtung der Anwohner, die sich eine Verkehrsentlastung vor der Haustür wünschen, Ziel sei des Antrags sei eine möglichst gerechte Verteilung des innerstädtischen Verkehrsaufkommens.

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Um die Folgen einer Privilegierung ging es auch Dirk Oehle. Aus der vergleichsweise hohen Anzahl an Fahrzeugen geht für den Fraktionssprecher der Neuen Linie weniger die Notwendigkeit einer Verkehrsentlastung hervor, viel eher werde dadurch die Bedeutung der Schlachthausstraße für den innerstädtischen Verkehrsfluss ersichtlich. „Es darf uns nicht egal sein, wie beispielsweise die Anwohner in der Rielasinger Straße durch eine Sperrung in der Schlachthausstraße zusätzlich belastet werden“, so die Argumentation von Dirk Oehle. Für ihn ergibt sich die Zumutbarkeit des Kraftfahrzeugverkehrs außerdem aus der Ausweisung des Gebiets, bei dem es sich um kein reines Wohnquartier, sondern um ein Mischgebiet handelt.

„Wenn man das mal realistisch umrechnet, dann gibt es 100 Kfz-Bewegungen in der Stunde. Muss denn wirklich erst ein Kind unter dem ...
„Wenn man das mal realistisch umrechnet, dann gibt es 100 Kfz-Bewegungen in der Stunde. Muss denn wirklich erst ein Kind unter dem Auto liegen?“Silke Stockebrand, SÖS | Bild: SK

Bei Walafried Schrott (SPD) und dem Grünen-Fraktionssprecher Eberhard Röhm dagegen sorgte die Befürchtung vor der Forderung nach Verkehrsentlastungen in anderen Straßen infolge einer Kfz-Sperrung in der Schlachthausstraße für Unverständnis. „Was soll die Angst vor den Folgen?“, fragte Walafried Schrott, denn „wenn das so sein sollte, dann prüfen wir das und wandeln eben auch die anderen Straße um.“

Für ihn würde die Sperrung zum strategischen Ziel der Stadt mit einem veränderten Mobilitätsverhalten mittels eines besseren öffentlichen Nahverkehrs und des Ausbau des Radwegenetzes passen. Mit der Umwidmung der Schlachthausstraße würde der Gemeinderat ein „kleines Zeichen für Fußgänger und Radfahrer setzen“. Eberhard Röhm hält den Vorwurf der Privilegierung für ungerechtfertigt, weil beispielsweise in der Rielasinger Straße mit der Einführung des nächtlichen Tempo-Limits ebenfalls auf die Interessen von Anwohnern Rücksicht genommen worden sei.

„Wir lassen die Anwohner in anderen Straßen nicht im Regen stehen. Das zeigt die Einführung des nächtlichen Tempo-30-Limits in der ...
„Wir lassen die Anwohner in anderen Straßen nicht im Regen stehen. Das zeigt die Einführung des nächtlichen Tempo-30-Limits in der Rielasinger Straße.“Eberhard Röhm, Grüne | Bild: SK

Die Position der Mitte versuchten in der Diskussion die Freien Wähler einzunehmen. Fraktionssprecher Hubertus Both hält die Interessen der Anwohner für berechtigt, geht im Fall einer Sperrung aber von einer Verlagerung des Verkehrs mit entsprechenden Mehrbelastungen in der Umgebungsstraßen aus und plädierte deswegen für eine Einbahnstraßenregelung als Kompromiss.

FDP befürchtet Wilden Westen auf der Straße

Die SÖS war für diesen Mittelweg zunächst nicht zu gewinnen. Birgit Kloos führte als Argument für die Sperrung die hohe Nutzung der Schlachthausstraße von Kindern und Jugendlichen an und ihre Fraktionskollegin Silke Stockebrand sah sich zu der Frage veranlasst, ob denn „für eine Verkehrsberuhigung erst ein Kind unter dem Auto liegen muss“. Unfälle befürchtet im Zweifel auch Kirsten Brößke von der FDP – allerdings aus einem anderen Grund. Die Fraktionssprecherin der Liberalen geht bei der Überstrapazierung von Verkehrsberuhigungen von einer Zunahme der Wildwestmanier bei Autofahrern aus.