Menschen fühlen sich zunehmend unsicher, obwohl das Leben in Deutschland zunehmend sicher ist. So paradox fasst Marcel Da Rin die Sicherheitslage für ganz Deutschland zusammen. Dabei bezieht er sich auf Zahlen, die das Bundeskriminalamt in einer repräsentativen Umfrage zum Sicherheitsgefühl gesammelt hat. Marcel Da Rin befasst sich für die Singener Kriminalprävention der Stadtverwaltung täglich mit Sicherheit in all ihren Facetten und beobachtet ähnliche Tendenzen in Singen. Im Vorfeld der Oberbürgermeister-Wahl am Sonntag, 11. Juli, hat der SÜDKURIER Marcel Da Rin gefragt: Wie sicher ist Singen eigentlich?

„Die Zeiten waren noch nie so sicher wie heute“

Dass das Sicherheitsempfinden nicht mit der Kriminalitätsstatistik zusammenpasst, dazu tragen laut Da Rin besonders Videos bei. Die verbreiten sich bei Vorfällen schnell im Internet: „Dadurch wirkt es manchmal, als würde ganz viel passieren. Doch die Zeiten waren noch nie so sicher wie heute.“ Dabei gebe es in Singen keine Brennpunkte. Das legt auch die Polizeistatistik für 2020 nahe, die Singens Revierleiter Thomas Krebs dem Gemeinderat präsentierte. Allerdings gebe es noch den ein oder anderen Ort, an dem Menschen sich weniger sicher fühlen.

Der Maggitunnel war für viele ein Ort, der mit Unbehagen verbunden war. Daran sollten Umgestaltung und Kameraüberwachung etwas ändern.
Der Maggitunnel war für viele ein Ort, der mit Unbehagen verbunden war. Daran sollten Umgestaltung und Kameraüberwachung etwas ändern. | Bild: Tesche, Sabine

Nachts alleine auf dem dunklen Heimweg. Dieses Schreckens-Szenario wird vielen Menschen schon seit ihrer Kindheit geschildert – mit Folgen, wie Marcel Da Rin beobachtet. Beleuchtung sei ein wichtiger Faktor, damit Menschen sich wohler fühlen. Außerdem möchten Menschen lieber in Gesellschaft sein als allein. „Es gibt überall Orte, wo Menschen sich nicht sicher fühlen. Das ist aber ein subjektives Empfinden“, sagt der Kriminalpräventions-Beauftragte. Als Beispiele nennt er den Ziegeleiweiher und Bahnhöfe.

Am Bahnhof habe sich die Situation deutlich verbessert

Der Bahnhof sei aber auch ein gutes Beispiel dafür, dass Maßnahmen wirken können. Dort sei es vor einigen Jahren immer wieder zu Vorfällen gekommen. „Meist waren das Beziehungsstreitereien, wenn die Menschen abends etwas getrunken hatten. Das waren meistens die gleichen Leute“, ordnet Da Rin ein.

Marcel Da Rin in seinem Büro im Singener Rathaus. Der Verantwortliche der Singener Kriminalprävention ist sich sicher, dass man sich in ...
Marcel Da Rin in seinem Büro im Singener Rathaus. Der Verantwortliche der Singener Kriminalprävention ist sich sicher, dass man sich in Singen sicher sein kann. | Bild: Arndt, Isabelle

„Je später die Nacht und desto höher der Alkoholgehalt, desto mehr Straftaten gibt es“, schilderte Singens Polizeirevierleiter Thomas Krebs jüngst seine Erfahrung. Für Marcel Da Rin bedeutet das auch, dass normale Passanten keine Angst haben müssen. Nachdem die Sperrzeit am Bahnhof auf 2 Uhr festgesetzt wurde, habe sich die Situation verbessert. Auch der neue Bahnhofsvorplatz und das Cano würden dazu beitragen, dass das Gebiet um den Bahnhof wieder attraktiver werde – und sich Menschen sicher fühlen.

Zahlen belegen: Singen wird sicherer

Die Kriminalprävention erfasst regelmäßig mit Umfragen das Sicherheitsgefühl. Der Wert lag zum Jahreswechsel 2019 auf 2020 bei einer Skala von 1 (sehr sicher) bis 10 (unsicher) bei 4,4. Die meisten Menschen fühlen sich also sicher. Wenige Jahre zuvor habe der Wert 2015/16 noch bei 4,8 gelegen, erinnert sich Da Rin. Auch die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner belege eine positive Tendenz: 2019 wurden mit 8100 Straftaten pro 100.000 Einwohner rund 900 weniger festgestellt als 2019 (9000 Fälle pro 100.000 Einwohner). Oder wie der Polizeirevierleiter es ausdrückt: 2020 wurden 3460 Straftaten begangen – das sind 499 weniger als 2019 und 1341 weniger als 2016.

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Doch einzelne Vorfälle sorgen für Aufsehen: Wann das Sicherheitsgefühl leidet

Wie sehr das Sicherheitsgefühl nach einem Vorfall leiden kann, macht der Streit von zwei Großfamilien deutlich. Im Dezember fand der mit einer Messerattacke auf die Insassen eines Kleinbus‘ am Friedrich-Ebert-Platz seinen bisherigen Höhepunkt. Videos dokumentierten den Vorfall, bald sprach ganz Singen darüber. „Natürlich führen solche Vorfälle dazu, dass das Sicherheitsgefühl leidet“, sagt Da Rin. Doch dabei handle sich um interne Streitigkeiten: „Die Clans machen das unter sich aus. Das ist unschön, für die Allgemeinbevölkerung ist das aber erstmal keine Bedrohung.“

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Sorgen mache er sich natürlich um Parallelgesellschaften, denn die seien in Singen unerwünscht. Nun müsse man überlegen, wie man mit solchen Fällen umgehe. Die Polizeistatistik belegt aber auch, dass nicht immer Migranten die Täter oder Tatverdächtigen sind. Im Gegenteil: 2020 waren 75 Prozent der 1800 Tatverdächtigen deutsche Männer.

Für Marcel Da Rin ist mehr Sicherheit in Singen auch ein Ergebnis konsequenter Arbeit mit Präventionsstreifen, Busbegleitern und der Kriminalprävention. Die SKP sei in den vergangenen Jahren aufgestockt worden, inzwischen arbeiten vier Menschen auf rechnerisch 3,3 Stellen. Und seit wenigen Wochen sei auch der kommunale Ordnungsdienst im Einsatz.

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Kameras werden heiß diskutiert: Braucht Singen mehr smarte Überwachung?

  • Kein Allheilmittel, aber manchmal hilfreich findet Marcel Da Rin von der Singener Kriminalprävention eine Kameraüberwachung: An manchen Stellen sei das sinnvoll, etwa beim Maggitunnel. „Wir haben von vielen gehört, dass sie da früher nicht gerne durchgelaufen sind.“ Bis März 2020 wurde der Tunnel umgestaltet. Kameras würden seitdem das Sicherheitsgefühl erhöhen – und könnten bei einer Strafverfolgung helfen, wenn doch etwas passiert. Doch nicht überall helfen Kameras, bisher gebe es deshalb nur einzelne an Schulhöfen, in Tiefgaragen oder eben im Maggitunnel. „Es gibt auch rechtliche Hürden, Kameras im öffentlichen Raum einzusetzen. Und das ist gut so.“
  • Amtsinhaber Bernd Häusler will Singen mit smarten Sicherheitsmaßnahmen sicherer machen. Kameras sei es zu verdanken, dass der Brandstifter der Scheffelhalle gefasst wurde. Auch wilder Müll ist Häusler ein Dorn im Auge. In seinem Wahlprogramm kündigte der Amtsinhaber an, bisherige Maßnahmen weiterführen zu wollen. Dazu zähle auch die Sensibilisierung der Bevölkerung.
  • Herausforderer Helmut Happe sieht das ganz anders: Er wolle die von Häusler ins Spiel gebrachte Videoüberwachung im öffentlichen Raum auf jeden Fall verhindern. Das habe ihn nicht zuletzt auch zu seiner Kandidatur bewegt. „Wenn die Kriminalität in Singen steigen würde, wäre es etwas anderes. Aber sie steigt nicht“, sagt Happe. Es brauche keine Bürgerüberwachung. „Sonst ist dem Missbrauch der Daten Tür und Tor geöffnet.“ (mgu)