Die gute Nachricht vorneweg: Es gab auch 2020 wieder keinen Verkehrstoten. Allgemein musste die Polizei deutlich weniger Einsätze fahren als noch in den Vorjahren. Das erklärte Polizeirevierleiter Thomas Krebs dem Singener Gemeinderat beim Vorstellen der Kriminalitätsstatistik für das vergangene Jahr. Die Corona-Pandemie ging auch an der Polizeiarbeit nicht spurlos vorbei: Weil es weniger Verkehr gab, habe es auch weniger Unfälle gegeben, so Krebs. „Wir hatten in allen Bereichen Rückgänge.“ Einbrüche würden zum Beispiel wenig Sinn ergeben, wenn die meisten Menschen zuhause sind.
Die Zahl der Straftaten lag 2020 bei 3460 – das sind 499 weniger als 2019 und 1341 weniger als 2016. „Je später die Nacht und desto höher der Alkoholgehalt, desto mehr Straftaten gibt es“, schilderte Thomas Krebs seine Erfahrung. Und da die überwiegende Mehrheit sich an die Corona-Maßnahmen halten, gebe es weniger Anlässe für einen Polizeieinsatz. Die Aufklärungsquote stieg von 63,8 Prozent im Vorjahr auf 67,7 Prozent. Dennoch bleibt Singen ein Spitzenreiter im Landkreis: Selbst im größeren Konstanz verzeichnet die Polizei weniger Vorfälle. Ein Überblick.
Was in der Statistik fehlt: Messerstecher und Tuning-Szene
Weniger Unfälle geschahen auf Singens Straßen
Mit 584 waren es 214 weniger als im Vorjahr und auch deutlich weniger als in den drei Jahren davor. Dabei wurden 33 Menschen schwer verletzt, aber niemand getötet. Dennoch kracht es in Singen häufiger als anderswo, wie eine Hochrechnung der Unfallbelastung zeigt: Auf 100.000 Einwohner gerechnet gab es in Singen eine Unfallbelastung von 1033, im Landkreis waren es insgesamt nur 780 und in ganz Baden-Württemberg 778. Dieser Unterschied war in den Vorjahren ähnlich.
Mehr Radfahrer waren bei den Verkehrsunfällen beteiligt
„Immer da, wo verschiedene Verkehrsarten aufeinander treffen, passieren Unfälle“, sagte Krebs und nannte die Ekkehard- / Freiheitstraße als Beispiel. Das führte zu einer Diskussion unter den Gemeinderäten: Braucht Singen mehr Radwege oder gar Radstraßen? „Es ist sinnvoll, getrennte Fahrwege einzurichten, wo immer das möglich ist“, sagte Krebs, doch an vielen Stellen sei das schwer möglich. Es sei auch nicht immer der Autofahrer schuld, betonte der Revierleiter: Oftmals komme es auch zu Unfällen, wenn Radfahrer einen Fußgängerweg nutzen, wie er auf Nachfrage von Karin Leyhe-Schröpfer (Grüne) sagte.
Mehr Diebstähle und mehr versuchte Tötungen
Diebstähle sind Spitzenreiter in der Kriminalstatistik: 755 einfache Fälle registrierte die Singener Polizei, das sind 173 weniger als im Vorjahr. Trotz Schließung vieler Geschäfte habe es rund 250 Ladendiebstähle gegeben, sagte der Revierleiter. Dazu kommen 327 Fälle schweren Diebstahls, das sind 145 weniger als im Vorjahr.
Die Zahl der Straftaten gegen das Leben stieg von drei auf vier Fälle. Für zwei davon sei eine Frau verantwortlich, die nun in einer Psychiatrie behandelt werde, erklärte Thomas Krebs. Sie habe zweimal versucht, ihren Partner zu töten.
Raubüberfälle waren wenig erfolgreich
Weniger Körperverletzungen tragen dazu bei, dass die Zahl der sogenannten Rohheitsdelikte gesunken ist: Mit 425 Fällen waren es 105 weniger als im Vorjahr. Dazu zählen auch Raubüberfälle. Von den acht Raubüberfällen sei aber einer vorgetäuscht gewesen und drei stellten sich nicht als Raub heraus. In den übrigen vier Fällen sei die Beute gering gewesen: „Das höchste, was erlangt wurde, sind 50 Euro“, sagte der Polizeirevierleiter.
In der Innenstadt ist die Polizei am meisten gefragt
Sogenannte Hotspots kann Thomas Krebs kaum ausmachen. Fast traditionell sei das Polizeirevier ein Ort, an dem besonders viele Straftaten begangen werden, wenn Menschen beispielsweise Polizisten attackieren. Am Hegau-Bodensee-Klinikum habe man einen starken Rückgang: Es gebe nicht nur weniger Einbrüche in geparkte Autos, sondern auch weniger Angriffe auf Ärzte und Klinikpersonal.
Allgemein sei die Gewalt gegen Blaulicht-Organisationen zurückgegangen, erklärte Krebs auf Rückfrage von Eberhard Röhm (Grüne): Zu Angriffen komme es besonders dann, wenn Menschen alkoholisiert seien, und dazu habe es 2020 weniger Gelegenheiten gegeben.
Als Hotspot könne man in der Innenstadt die August-Ruf-Straße und den Heinrich-Weber-Platz begreifen. Außerdem habe es während der ersten Monate der Pandemie die Tendenz gegeben, dass Jugendliche sich auf dem Landesgartenschau-Gelände trafen und dort beispielsweise mit Drogen aufgegriffen wurden. Am meisten geschieht übrigens in Singens Innenstadt mit 980 Fällen, gefolgt von der Südstadt mit 814 Fällen. Eine Zunahme im Stadtgebiet gab es in der Nordstadt: 2019 gab es dort 291 Fälle, 2020 waren es 344.
Gleichberechtigung? Nicht bei den Tatverdächtigen
Die Tatverdächtigen sind in den meisten Fällen deutsche Männer: 75 Prozent der Tatverdächtigen sind männlich, Straftaten sind laut Krebs schon immer männlich dominiert gewesen. Von 1800 Verdächtigen hätten 1100 einen deutschen Pass gehabt. Nachdem in der Vergangenheit auch Schweizer immer wieder negativ auffielen, seien es 2020 nur 18 gewesen.
14 Brandstiftungen gab es. Eine davon war die Scheffelhalle
Die Scheffelhalle fällt in den Bereich der sonstigen Straftatbestände, wo es 2020 715 Fälle gab – nur sieben weniger als im Vorjahr. Die meisten davon seien Sachbeschädigungen, wie Krebs erläuterte. Es zählen aber auch 14 Brandstiftungen dazu, eine davon sei die Scheffelhalle gewesen. Der akribischen Arbeit eines Kollegen sei es zu verdanken, dass dieser Fall aufgeklärt sei. Die Scheffelhalle war im November 2020 nach einer Brandstiftung abgebrannt. Wenige Monate später wurde im April ein 36 Jahre alter Mann festgenommen, der einen nahegelegenen Mülleimer angezündet hatte – wie wohl schon mehrere Male zuvor.
Die Ortsteile verzeichnen weniger Straftaten. Nur in Schlatt unter Krähen habe es eine Steigerung von Fällen gegeben: 2019 waren es neun Fälle, 2020 waren es 23. Das ist aber auf zwei Familien zurückzuführen, wie auf Nachfrage von Walafried Schrott (SPD) klar wurde: Die würden sich gegenseitig mit Anzeigen überziehen und die Statistik so deutlich anheben.
Was die Räte umtreibt: Gibt es genügend Nachwuchs auf der Wache?
Die Personalsituation der Polizei sei nahezu unverändert: Statt den vorgesehenen 123 Polizistinnen und Polizisten arbeiten in Singen nur knapp über 100, wie der Revierleiter Thomas Krebs auf Rückfrage von Franz Hirschle (CDU) erklärte. Noch warte man auf die Polizisten, die CDU-Innenminister Thomas Strobl versprochen habe, sagte. Doch es gehe langsam bergauf: Die Polizisten, die im Herbst als neue Kollegen auf die Dienststelle kamen, hätten die hohe Zahl der Pensionierungen fast auffangen können.