Viele Jugendliche dürfen am Sonntag, 9. Juni, erstmals ihre Stimme abgeben, denn seit 2012 sind Menschen ab 16 Jahren wahlberechtigt. Die Kommunalwahl kann jedoch sehr kompliziert wirken, da man mehrere Stimmen für mehrere Politiker abgeben darf – je nachdem, wie viele Mitglieder im Gemeinderat sitzen. Der SÜDKURIER hat Schüler, Lehrer und die Schulleiterin des Hegau-Gymnasiums in Singen befragt, wie gut die Erstwähler vorbereitet sind. Dabei zeigen sich auch einige Einschränkungen.

Die befragten Schüler vom Hegau-Gymnasium äußern alle die Meinung, dass sie durch den Gemeinschaftskunde-Unterricht zu wenig informiert wurden. Spezifisch zur Kommunalwahl seien nur die Liste und das Wahlsystem dahinter gezeigt worden, aber nicht was der Gemeinderat macht und wie er arbeitet, erklärt Moritz Rudolph, Schüler am Hegau-Gymnasium und Erstwähler. Mitschüler Moritz Bölle ergänzt, dass die einzelnen Parteien mit ihren Programmen kaum beziehungsweise gar nicht angesprochen wurden.

Moritz Rudolph ist 16 Jahre alt, Schüler am Hegau-Gymnasium und Erstwähler.
Moritz Rudolph ist 16 Jahre alt, Schüler am Hegau-Gymnasium und Erstwähler. | Bild: Ben Böttcher

Was den Schülern positiv in Erinnerung geblieben ist, ist eine Podiumsdiskussion von Jugendvertretern der Parteien. Sie hätten sich gewünscht, eine ähnliche Aktion zu wiederholen, aber mit Gemeinderatskandidaten. Was den Schülern laut eigenen Aussagen auch geholfen habe, war das Nachspielen von politischen Debatten.

Erstwählerin Maria Berger sagt zusammenfassend: „Das Thema wurde zu kurz aufgegriffen und zu wenig Zeit investiert. Das wird die Entscheidung in den Wahlkabinen nicht leichter machen.“

Maria Berger, 16 Jahre alt, Schülerin am Hegau-Gymnasium und Erstwählerin.
Maria Berger, 16 Jahre alt, Schülerin am Hegau-Gymnasium und Erstwählerin. | Bild: Ben Böttcher

Der Lehrplan kreuzt dazwischen

Der Gemeinschaftskundelehrer am allgemeinbildenden Hegau-Gymnasium, Till Seiler, sitzt selbst im Konstanzer Gemeinderat. Er müsse sehr genau trennen zwischen seiner Meinung als Lehrer und der als Politiker. Aber er ist sich sicher: Die politische Bildung ist sehr wichtig. Als Lehrer könne er nur den Anreiz schaffen, dass Schüler sich für Politik interessieren, und sie dabei weiter unterstützen. „Das Interesse der Schüler an der Politik geht aber sehr weit auseinander“, findet er.

Till Seiler ist Lehrer am Hegau Gymnasium und Mitglied des Konstanzer Gemeinderats. Er kennt sich mit Politik aus.
Till Seiler ist Lehrer am Hegau Gymnasium und Mitglied des Konstanzer Gemeinderats. Er kennt sich mit Politik aus. | Bild: Ben Böttcher

Die Schule hätte definitiv mehr tun können, sagt Seiler, als das von den Schülern genannte Projekt. Er sagt aber auch: „Der Lehrplan lässt das nicht so zu, da das Thema Kommunalwahl bereits in der achten Klasse behandelt wird.“ In dem Alter sei man jedoch noch zu weit von dem Mindestalter für die Wahl entfernt und die Schüler vergessen das Wissen bis zur nächsten Wahl wieder, sagt Seiler. Und da noch viele weitere Fächer unterrichtet werden, könne man sich nicht nur auf politische Bildung konzentrieren.

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Ähnliches sagt Kerstin Schuldt, Schulleiterin des Hegau-Gymnasiums. Man müsse die Schüler gut vorbereiten, da man junge Menschen zu selbstverantwortlichem und demokratischem Handeln in der Gesellschaft befähigen müsse, so die Schulleiterin. Sie betont auch, dass die Schüler lernen müssen, verantwortungsbewusst mit ihrer Stimme umzugehen, damit sie immun gegen demokratiefeindliche Ideologien, Populismus und Extremismus werden. Das bedeutet, dass man die Schüler darauf vorbereiten müsse, gegen demokratiefeindliches Gedankengut einzutreten und die Werte der Gesellschaft mit ihrer Stimme verteidigen.

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Das sagt die Schulleiterin dazu

Man müsse sich jedoch an einen Rahmen halten, in dem einzelne Wahlprogramme nicht thematisiert werden dürfen. Die Schule könne nur über den Ablauf informieren, da die Lehrkräfte und die Schulen zu Neutralität verpflichtet sind. Denn eine Einflussnahme auf das Wahlverhalten würde dem demokratischen Verständnis widersprechen, so die Schulleiterin. Sie freue sich aber auf eine hohe Wahlbeteiligung, insbesondere von den jungen Menschen, die das Wahlrecht zum ersten Mal ausüben dürfen.

Autor Ben Böttcher ist selbst Schüler am Hegau-Gymnasium und hat diesen Artikel im Rahmen seines Bogy-Praktikums in der SÜDKURIER-Redaktion in Singen verfasst. Bogy bezeichnet die Berufsorientierung am Gymnasium.