Für die Stadt Singen ist klar: Bis 2035 will man klimaneutral werden. Nun ist die vom Land bis Ende 2023 geforderte kommunale Wärmeplanung fertig. Was sperrig klingt, betrifft die Heizung in jedem Singener Haushalt, denn die soll künftig anders gespeist werden. Doch damit die Pläne Realität werden, braucht es mehr Mitarbeiter: Die Stabstelle Klimaschutz und Klimaanpassung ist geschaffen, nun sollen die Vorgaben der Wärmeplanung umgesetzt werden.

Klimaschutzmanagerin Johanna Volz leitet die Stabsstelle, Heidi Urbatsch ist zuständig für klimaneutrale Verwaltung und Janina Schmidt für die Klimaanpassung in Gewerbegebieten. Zwei weitere Stellen sollen für Klimaschutz und Wärmewende geschaffen werden. Gleich nach der Sommerpause soll die neue Einheit, deren Büro im Gebäude an der Freiheitstraße angesiedelt sein soll, dem Gemeinderat vorgestellt werden.
Auf den dortigen Schreibtischen werde auch das viel diskutierte und umstrittene Heizungsgesetz des Wirtschaftsministeriums – auch Gebäudeenergiegesetz (GEG) genannt – landen. Das ist zwar noch nicht verabschiedet, weil einige Nachbesserungen erforderlich sind. Aber auch dieses Gesetzesvorhaben sieht vor, dass die Städte verpflichtet werden, einen kommunalen Wärmeplan zu machen.
OB Häusler will Herkulesaufgabe anpacken
In Singen ist man – wie in ganz Baden-Württemberg – schon einen Schritt weiter. Hier liegt der kommunale Wärmeplan bereits vor und im Gemeinderat gab es eine einstimmige Entscheidung, diesen umzusetzen. „Das Fachgutachten zur kommunalen Wärmeplanung wurde von der Stadt gemeinsam mit der Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes schon vor zwei Jahren ausgeschrieben“, berichtet Johanna Volz.
Die Unterstützung von Ratsvertretern und Stadtverwaltung ist ihr sicher. „Weil das Erreichen unseres Klimaziels – CO2-Neutralität bis 2035 – eine Herkulesaufgabe ist, haben wir den Bereich Klimaanpassung und Klimaschutz neu organisiert und er wird weiter personell aufgestockt“, erklärt Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler. Die Stadt sei schon seit vielen Jahren dabei, etwas für Klimaschutz zu tun.
35 Prozent der Heizungen sind älter als 20 Jahre
Laut Gutachten sei Singen im Referenzjahr 2019 zu mehr als 85 Prozent mit fossiler Wärme versorgt worden. Der gesamte Energiebedarf zur Wärmebereitstellung lag bei etwa 900 Gigawattstunden pro Jahr. Dabei war der Sektor Industrie mit 66 Prozent der größte Verbraucher, der Rest entfällt auf den Wohnsektor. Es wurde außerdem festgestellt, dass der Sanierungsbedarf bei den Heizanlagen enorm ist, denn über 35 Prozent sind älter als 20 Jahre. Um bis 2035 klimaneutral zu werden, sollte der Gesamtwärmeverbrauch um mindestens 37 Prozent gesenkt werden.

Wärmenetze werden als Lösung erachtet. Dabei wird thermische Energie einer zentralen Wärmeerzeugungsanlage an verschiedene Verbraucher im Umkreis per Leitung geliefert. Derzeit werden gerade einmal 0,5 Prozent der Haushalte in Singen so mit Wärme versorgt. Im Bereich Remishof-/Max-Porzig-Straße in der Nordstadt sind 104 Haushalte an ein Netz der Thüga angeschlossen. Bis 2030 sollten aber 19 Prozent und bis 2035 dann 36 Prozent über Wärmenetze versorgt werden – Volz sieht da viel Potenzial nach oben.
Einen Vorstoß in Richtung Wärmenetze geht Singen derzeit im Gebiet rund um die Masurenstraße an. Rund 100 Eigentümer wurden dort zuletzt informiert, was gemeinsam mit der Thüga geplant ist. Das Wohngebiet in der Südstadt gehört zu den Wärmenetz-geeigneten Gebieten. „Dort müssen auch bald die Abwasserkanäle erneuert werden. Dann ist das Verlegen der Leitungen für das Wärmenetz günstiger zu machen“, sagt Johanna Volz.
Ausbau mit Straßensanierung verknüpfen
Nach aktuellem Stand habe der Gemeinderat die Möglichkeit, ein Gebiet als Wärmenetz auszuweisen. Ein Hauseigentümer kann jedoch nicht gezwungen werden, sich anschließen zu lassen. „In der Masurenstraße waren die Leute bei der Infoveranstaltung relativ aufgeschlossen“, so der Eindruck von Johanna Volz. Grundsätzlich sei auch ein späterer Anschluss möglich, wenn ein Hausbesitzer zum Beispiel noch eine relativ neue Heizung hat.

Der Anschluss an ein Wärmenetz habe mehrere Vorteile, so Volz. Der Netzbetreiber müsse sich darum kümmern, dass er die gesetzlichen Vorgaben erfülle. Zum Beispiel, dass das Netz bis 2035 zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist wird. Für die Hausbesitzer sei es bequem, denn sie hätten keine Wartungs- oder Reparaturkosten. Und die Übergabestelle im Keller nehme deutlich weniger Platz ein als eine herkömmliche Heizung.
Stadt braucht Partner für Wärmenetze
Ein grundsätzliches Problem beim Ausbau von Wärmenetzen sieht Johanna Volz in der Tatsache, dass Singen über die Stadtwerke kein eigener Energieversorger ist. „Wir haben also eher die Rolle eines Bittstellers und können nicht garantieren, dass das Wärmenetz schnell umgesetzt wird“.
In Singen gebe es aufgrund der großen Industriebetriebe ein hohes Potenzial an Abwärme. „Wir brauchen da aber langfristige Verträge über mindestens zehn Jahre“, so Volz. Auch da sei die Stadt aber nur in vermittelnder Position zwischen Energieversorger und Betrieben.
In den Wärmenetz-Eignungsgebieten in der Singener Kernstadt sowie in den Ortsteilen Beuren an der Aach und Bohlingen werden laut dem Wärmeplan-Szenario im Jahr 2035 rund 80 Prozent des Wärmebedarfs über Wärmenetze gedeckt. Dabei würden die Wärmenetze der Kernstadt überwiegend aus Abwärme gespeist. Das wären rund 35 Prozent.
Außerdem kämen 15 Prozent aus großen Solarthermieanlagen mit Saisonalspeichern in den Ortsteilen. Denn die Stadt Singen verfügt, neben der industriellen Abwärme, auch über erhebliche Potenziale bei der Solarenergie. Die restlichen 50 Prozent kämen aus Wärmepumpen (20 Prozent), Biogas- und Wasserstoff-Blockheizkraftwerken (25 Prozent) und Biomasse-Spitzenlastkessel (fünf Prozent).
Der kommunale Wärmeplan kann auf der Internetseite der Stadt Singen heruntergeladen werden unter www.singen.de