Singen will klimaneutral werden – spätestens bis 2035. Von Klimanotstand will in der Stadt niemand sprechen, doch es sei viel zu tun, um dieses Ziel zu erreichen, so Oberbürgermeister Bernd Häusler. Er spricht von einer Herkulesaufgabe vor über 60 interessierten Bürgern, die sich über Details zum neuen Klimaschutzkonzept der Stadt Singen informieren wollten. In der nächsten Gemeinderatssitzung am Dienstag, 23. Mai, soll es verabschiedet werden.

Bereits 2013 hatte die Stadt ein Klimaschutzkonzept erarbeiten lassen. Seither wurden die Aachbad-Heizung auf Solar mit Wärmepumpe umgestellt, die Straßenbeleuchtung zu 95 Prozent mit LED ausgestattet, Solardächer auf vielen städtischen Gebäuden installiert und eine Beteiligung am Hegau-Wind-Konsortium gezeichnet. Singen wurde als fahrradfreundliche Kommune ausgezeichnet und erhielt die europäische Energieauszeichnung (European Energy Award) in Gold.

Viele Etappen bis 2035 zu bewältigen

Nun hat die Firma Endura Kommunal aus Freiburg den Auftrag bekommen, ein neues Konzept zu erstellen. Klimaschutzmanagerin Johanna Volz zeigte auf, in welchem Tempo und mit welchen Maßnahmen die Stadt die Treibhausemissionen bis zum Jahr 2035 reduzieren möchte, um klimaneutral zu werden. Um der Bedeutung der Aufgabe gerecht zu werden, sei ihre Stelle, gab Häusler bekannt, neu als Stabsstelle beim OB angesiedelt.

Eine von vielen Aktionen: Klimaschutzmanagerin Johanna Volz und Oberbürgermeister Bernd Häusler präsentieren im Juni 2021 ein Lastenrad ...
Eine von vielen Aktionen: Klimaschutzmanagerin Johanna Volz und Oberbürgermeister Bernd Häusler präsentieren im Juni 2021 ein Lastenrad der Stadtverwaltung. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Volz‘ Blick auf die Zahlen zeichnet ein nüchternes Bild: 2019 hatte die Stadt Singen noch über 550.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid im Jahr emittiert, 58 Prozent davon kamen vom verarbeitende Gewerbe, elf Prozent vom sonstigen Gewerbe, 17 Prozent verursachten die Haushalte und 13 Prozent der Verkehr.

Sieben Maßnahmen stehen auf der Prioritätenliste

Mit sieben Maßnahmen soll diese Zahl bis 2035 auf knapp 34.000 Tonnen pro Jahr sinken. Die Maßnahmen umfassen vor allem den massiven Ausbau von Photovoltaik-Freilandanlagen, Photovoltaik- und Solarthermie-Dachanlagen, den Ausbau von Wärmenetzen, eine Sanierungsoffensive bei den Heizungen, den Rückbau fossiler Mobilität sowie damit verbunden den Ausbau der Elektromobilität. Detaillierte Informationen gab es zum Thema Wärmenetze. Hier werden derzeit geeignete Gebiete von der Thüga Energie untersucht.

Im Gewann unter Gerhardsreute könnte eine Freiflächen-Solaranlage zwischen Mühlhausen und dem Singener Stadtteil Schlatt entstehen.
Im Gewann unter Gerhardsreute könnte eine Freiflächen-Solaranlage zwischen Mühlhausen und dem Singener Stadtteil Schlatt entstehen. | Bild: Matthias Güntert

Zur Verringerung der CO2-Emissionen ist die Wärmewende der zentrale Punkt, auch vor dem Hintergrund des neuen Gebäudeenergiegesetzes, das 2024 in Kraft treten soll. „Fassadendämmung, Heizungstausch und Fensterdämmung sind ebenso sinnvoll wie eine Energieberatung vorab“, riet Johanna Volz. Wie groß die Bereitschaft der Bürger ist, zeigt das Förderprogramm Solar-Impuls. Die Fördergelder im Jahr 2023 seien bereits ausgeschöpft.

Im Zuge der kommunalen Wärmeplanung, die eng an das Klimaschutzkonzept gekoppelt ist, würden inzwischen Gebiete untersucht, die für Wärmenetze geeignet sind. „Wichtig ist dabei, dass es in dem Gebiet Ankergebäude wie Altenheime oder Schulen gibt, die eine gewisse Menge an Wärme abnehmen“, sagte Volz. Bei den Voruntersuchungen ist man inzwischen im Gebiet rund um die Masurenstraße in der Südstadt so weit, dass Anwohner noch vor den Sommerferien informiert werden sollen.

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Es braucht Jahre für ein großes Wärmenetz

Michael Köhn, Projektleiter für Wärme bei der Thüga Energie, erläuterte die notwendigen Schritte, um Wärmenetze realisieren zu können. Bei Wärmenetzen werde die Fernwärme zum Beispiel in einem Blockheizkraftwerk zentral erzeugt, gespeichert und an die angeschlossenen Haushalte über eine Übergabestation verteilt. „Die Vorteile liegen im geringeren Platzbedarf im Heizraum, geringeren Wartungskosten, hoher Versorgungssicherheit und der Schornsteinfeger braucht auch nicht mehr zu kommen“, sagte Köhn. Um einen Anschluss an ein Wärmenetz zu bekommen, müsse eine Kernbohrung in der Gebäudehülle gemacht werden und Platz für die Übergabestation im Keller sein.

„Die Planungsphase wird zwischen eineinhalb und zwei Jahren dauern“, schätzt Peter Ehret von Thüga Energie. Um bis zu 80 Prozent des Stadtgebietes mit Wärmenetzen zu versorgen, müsse man schon mit 15 bis 20 Jahren rechnen.

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Der Mobilitätsmanager Axel Huber beleuchtete das Thema aus der Sicht des Verkehrs. In Singen wurden 2019 etwa 57 Prozent der Wege mit dem Auto zurückgelegt. Dabei seien mehr als 90 Prozent Strecken, die bis maximal fünf Kilometer lang sind. Bis 2035 müsse der Autoverkehr auf 25 Prozent sinken und im Gegenzug der Anteil des Radverkehrs von 21 auf 30 Prozent sowie die Nutzung des ÖPNV von sechs auf 20 Prozent ansteigen. Die Stadt werde an der östlichen Seite des Bahnhofs noch einige Fahrradboxen aufstellen und auch eine Anzahl an E-Lastenrädern ausschreiben. 2023 sollen noch zehn bis zwölf Fahrzeuge für Car-Sharing angeschafft werden.