Die Kommunalwahl hat im Singener Gemeinderat für einige Verschiebungen gesorgt. Die CDU verbessert sich auf zehn Sitze. Freie Wähler und Neue Linie erreichen wieder die gleiche Anzahl an Sitzen. Die Grünen verlieren zwei Sitze, SPD, FDP und SÖS jeweils einen Sitz. Und die AfD schafft es auf Anhieb, mit drei Gemeinderäten ins Gremium zu kommen. Was bedeutet das für die Arbeit im künftigen Gemeinderat? Reaktionen am Tag danach zeigen, dass besonders das Verhältnis zur AfD spannend werden dürfte.

„Es zeigt doch ganz klar, dass die Bevölkerung auch in Singen in der Kommune eine andere Politik möchte. Dies werden wir in den nächsten ...
„Es zeigt doch ganz klar, dass die Bevölkerung auch in Singen in der Kommune eine andere Politik möchte. Dies werden wir in den nächsten Jahren umsetzen.“ Franz Hirschle, CDU-Fraktionsvorsitzender | Bild: Foto Wöhrstein

Franz Hirschle, CDU-Fraktionschef und mit mehr als 12.000 Stimmen der unangefochtene Stimmenkönig bei dieser Kommunalwahl, schreibt in einer Stellungnahme von einem sensationellen Ergebnis der CDU. Das zeige ganz klar, „dass die Bevölkerung auch in Singen in der Kommune eine andere Politik möchte. Dies werden wir in den nächsten Jahren umsetzen.“

Hirschle weist darauf hin, dass seine Fraktion mit Anna Baur nun die mit 19 Jahren jüngste Stadträtin habe und dass 40 Prozent der Mandate an Frauen gegangen sind. Das gute Abschneiden der AfD sei aber ein Wermutstropfen: „Eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD wird es bei uns hier in der Kommunalpolitik in Singen nicht gegeben.“

Das könnte Sie auch interessieren

Die Grünen sind im neuen Gemeinderat statt mit sechs nur noch mit vier Sitzen vertreten. Das bedeute, dass grüne Themen wie Klimaschutz, Radwege oder Tempo 30 es in Zukunft schwerer haben dürften, wie Fraktionssprecher Eberhard Röhm erklärt. „Wenn man die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat in Linke und Rechte aufteilt, hat sich die Mehrheit Richtung Rechte verschoben“, sagt Röhm.

„Wenn man die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat in Linke und Rechte aufteilt, hat sich die Mehrheit Richtung Rechte verschoben.“ ...
„Wenn man die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat in Linke und Rechte aufteilt, hat sich die Mehrheit Richtung Rechte verschoben.“ Eberhard Röhm, Grünen-Fraktionsvorsitzender | Bild: Grüne

Seine Fraktion habe auf fünf Sitze gehofft, aber mit Blick auf die Europawahl seien die Grünen im Gemeinderat mit einem blauen Auge davongekommen. Nun wolle man erst recht für grüne Themen kämpfen. Die Arbeit und die Diskussionen im Rat würden durch die neu hinzukommende AfD nicht leichter: „Wir sind jetzt schon sieben Gruppierungen und dann werden wir acht sein.“

SPD: Knapper Verlust von einem Mandat tut weh

Regina Brütsch, Co-Fraktionsvorsitzende der SPD im Gemeinderat, äußert sich unumwunden enttäuscht. Ihre Fraktion habe nur sehr knapp ein Mandat verloren. „Das tut schon weh“, so Brütsch. Ihr Eindruck ist aber auch: „Der Bundestrend hat viel mehr Einfluss auf regionale Wahlen, als man denkt.“ Wie sich die neue Fraktion einbringt, werde man sehen: „Für eine Zusammenarbeit mit der AfD sehe ich keine Basis.“

„Der Bundestrend hat viel mehr Einfluss auf regionale Wahlen, als man denkt.“ Regina Brütsch, Co-Vorsitzende der SPD-Fraktion im ...
„Der Bundestrend hat viel mehr Einfluss auf regionale Wahlen, als man denkt.“ Regina Brütsch, Co-Vorsitzende der SPD-Fraktion im Singener Gemeinderat | Bild: SPD

Und sie gibt unumwunden zu: „Es bringt einen ins Grübeln, wenn Leute, die so wenig präsent sind, so viele Stimmen holen.“ Gemeint sind damit die vier AfD-Kandidaten, die kommunalpolitisch in Singen noch nicht in Erscheinung getreten sind und kaum aktiven Wahlkampf gemacht haben. Dennoch holten die beiden Bestplatzierten der AfD, Georg Borchert und Thomas Frischmuth, jeweils mehr Stimmen als SPD-Rat Hans-Peter Storz, der als Landtagsabgeordneter sogar ein eigenes Wahlkreisbüro betreibt.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch Hubertus Both, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler (FW), klingt sehr nachdenklich. Die FW haben die Zahl der Sitze zwar gehalten. Das Ergebnis für die AfD deutet für ihn aber auf eine große unzufriedene Gruppe in der Stadt hin: „Offenbar haben wir nicht klar genug gemacht, was die Stadt ihren Bürgern eigentlich bietet.“

„Offenbar haben wir nicht klar genug gemacht, was die Stadt ihren Bürgern eigentlich bietet.“ Hubertus Both, Fraktionsvorsitzender Freie ...
„Offenbar haben wir nicht klar genug gemacht, was die Stadt ihren Bürgern eigentlich bietet.“ Hubertus Both, Fraktionsvorsitzender Freie Wähler | Bild: Foto Wöhrstein

Er habe zudem das Gefühl, dass die Stadt genau dort am meisten Mittel verwende, wo die Menschen am unzufriedensten seien. „Da müssen wir überlegen, wie wir unsere Arbeit besser vermitteln“, so Both. Eine Zusammenarbeit mit der AfD könne er sich nicht vorstellen, sagt auch Both: „Dazu müsste es von der AfD zuerst ein klares Bekenntnis zum Grundgesetz geben..“

Zusammenarbeit von FDP und Neue Linie?

Kirsten Brößke und ihre Fraktion sind am Tag nach der Bekanntgabe nicht gerade bester Stimmung. Die FDP hat einen Sitz verloren, im neuen Gemeinderat werden nur noch zwei FDP-Vertreter sitzen. „Das ist bitter“, sagt sie am Telefon. Sie sei seit 15 Jahren im Gemeinderat, aber dass die FDP nur zwei Sitze belege, habe sie noch nie erlebt.

„Das ist bitter, natürlich sind wir traurig, dass wir einen Sitz verloren haben.“ Kirsten Brößke, Vorsitzende der FDP-Fraktion
„Das ist bitter, natürlich sind wir traurig, dass wir einen Sitz verloren haben.“ Kirsten Brößke, Vorsitzende der FDP-Fraktion | Bild: Fdp

Wie sich das Ergebnis auf die zukünftige Arbeit im Gremium auswirke, sei noch zu früh zu sagen. Aber schon jetzt stehe für die FDP fest, dass man die gute Zusammenarbeit mit der Neuen Linie (NL) auch in Zukunft fortsetzen wolle. Eine Zählergemeinschaft mit der NL stehe nicht zur Diskussion. „Wir können uns aber durchaus einen gemeinsamen Wahlvorschlag mit der Neuen Linie für die Besetzung der Ausschüsse vorstellen“, sage Brößke. „Für weitere Absprachen ist es aber jetzt noch zu früh“, so Brößke weiter.

Das könnte Sie auch interessieren

Dirk Oehle, Fraktionssprecher der Neuen Linie, kann sich eine Zusammenarbeit mit der FDP auch vorstellen. Gerade für kleine Fraktionen sei dies wichtig, „damit wir durch unsere Stimmenanzahl bei wichtigen Entscheidungen mitreden. Wir haben viele Schnittmengen“, so Oehle. Überraschend sei für ihn der Erfolg der AfD in Singen gewesen. Nicht unbedingt die Anzahl von drei Sitzen, sondern vielmehr die Wucht, mit der die neuen AfD-Stadträte in den Gemeinderat eingezogen sind.

„Wir werden jetzt sehen, wie sich die neuen AfD-Gemeinderäte in die sonst gute Diskussionskultur in Singen einbringen werden.“ Dirk ...
„Wir werden jetzt sehen, wie sich die neuen AfD-Gemeinderäte in die sonst gute Diskussionskultur in Singen einbringen werden.“ Dirk Oehle, Fraktionsvorsitzender Neue Linie | Bild: Neue Linie

Zur Erinnerung: Die AfD hat in Singen 35.559 Stimmen erhalten. Georg Borchert (9234 Stimmen) und Thomas Frischmuth (9217 Stimmen) haben sogar die zweit- beziehungsweise drittmeisten Stimmen erhalten. Für Oehle stehe fest, dass sich die Unzufriedenheit mit der großen Politik nun in Singen niedergeschlagen habe. Anders sei dieses Ergebnis nicht zu erklären. „Wir werden jetzt sehen, wie sich die neuen AfD-Gemeinderäte in die sonst gute Diskussionskultur in Singen einbringen werden“, so Oehle.

AfD will sich noch ein Vorgehen überlegen

Georg Borchert, der für die AfD die meisten Stimmen holte, äußert sich am Telefon erstaunt über diese hohe Zahl und sagt: „Man kennt mich halt.“ Seit 50 Jahren sei er als Handwerker in Singen unterwegs, sagt Borchert, der 69 Jahre als ist – nicht 79 Jahre, wie kürzlich irrtümlich berichtet. Wie die drei AfD-Männer politisch vorgehen wollen, das würden sie wohl erst am Mittwoch besprechen, sagt Borchert. Man habe ja gar nicht geglaubt, dass man gewählt würde, wo die Partei so sehr als rechtsextrem dargestellt werde.

Auf das kürzlich gefällte Urteil gegen Björn Höcke angesprochen, sagt Borchert: „Was hat der Mann schon gesagt? Cathy Hummels hat auch gesagt, dass ihr Mann für Deutschland spielt.“ Ganz so, als hätte Höcke nicht öffentlich die verbotene Losung der nationalsozialistischen SA benutzt.

SÖS-Gemeinderätin Birgit Kloos, die die Wählervereinigung künftig allein im Gremium vertreten wird, war am Dienstagnachmittag nicht für eine Stellungnahme erreichbar und meldet sich am Mittwochmorgen: „Leider hat es für einen zweiten Sitz nicht gereicht, was SÖS den Fraktionsstatus kostet“, so Kloos. Es sei unverkennbar, dass die Unzufriedenheit mit der Bundespolitik auch das Wählerverhalten in der Kommunalwahl beeinflusst habe, zu Lasten sozialökologischer Vereinigungen. „So zahlen wir die Zeche für die schlechte Performance der Ampelregierung. Wir werden trotzdem weiter für unsere Stadt und ihre Bürgerinnen unser Bestes geben.“