Im Haus direkt hinter der abgebrannten Friedenskirche an der Rielasinger Straße in Singen empfängt Jorin Jansen die Gäste. Seine Gemeinde, die Baptistengemeinde, kaufte die Hälfte des Altbaus und renovierte ihn. Jetzt können hier Gemeindesitzungen und Jugendtreffen stattfinden, im zweiten Stockwerk hat er sein Büro. Auch der Architekt des Neubaus der Friedenskirche, die wieder aufgebaut wird, bezieht für die Bauarbeiten ein Büro im Haus.
Mit Bart, Brille und einem großen Kreuz um den Hals sieht Jorin Jansen auf den ersten Blick nicht aus wie einer, der in seiner Freizeit boxt. Doch das Boxen ist schon seit seiner Jugend sein Hobby, wie er berichtet, und das sieht man an seiner kräftigen Statur: Der 31-Jährige, der im Landkreis Tuttlingen aufgewachsen ist, hat für den SV Spaichingen gekämpft. Pastor sein und Kampfsport – das steht für ihn nicht im Widerspruch.
Es gehe ihm bei seinem Sport darum, dass das Boxen Körperbewusstsein und Selbstvertrauen stärkt. Kampfsport könne helfen, diszipliniert zu sein, sich seiner selbst bewusst zu werden, Standvermögen zu haben und für seine Träume zu kämpfen, sagt der Pastor. Das will er auch gemeinsam mit Arash Alman, dem Singener Box-Weltmeister Ü40 mit eigener Box- und Kampfsportschule in Singen, jungen Menschen vermitteln.
Im März 2022 ist die Kirche abgebrannt
Jorin Jansen kam in einer für die Baptistengemeinde schweren Zeit. Denn im März 2022 ist die Friedenskirche komplett abgebrannt und die Gemeinde hat ihre Heimat verloren. „Es war ein Schock nach Corona, denn die Kirche lebt von Präsenz und Begegnung“, berichtet Jansen. Jetzt schaue er gemeinsam mit der Gemeinde nach vorn und hier helfe seine Erfahrung aus dem Sport, sich von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen.

Die Gläubigen habe sich Gedanken gemacht, wie es für sie weitergehen könne und sich gefragt, ob und wie die Kirche wieder aufgebaut werden solle, berichtet Jansen. Bei den Baptisten, die zu den evangelischen Freikirchen gehören, entscheidet nicht der Pfarrer, sondern die Mitgliederversammlung, die in Singen aus 186 Mitgliedern besteht. „Es gab auch den Gedanken einer fluiden Gemeinde, also dass man keine Kirche hat und sich nur noch privat in Hauskreisen trifft“, erklärt der Pastor.
Vision, einer Kirche, die für alle offen ist
Nach dem Brand trafen sich die Mitglieder in unterschiedlichen Räumlichkeiten und der Wunsch, wieder ein eigenes Gotteshaus zu haben, überwog. Die Gemeinde entwickelte eine Vision ihrer Kirche, die sich mit vielen Institutionen in der Stadt vernetzen will. „Wir wollen uns für die Stadt öffnen, nicht nur helfend, sondern auch von unserem Glauben erzählen“, erklärt Jansen.
Dementsprechend solle die neue Kirche ihren Eingang zur Rielasinger Straße hin haben und nicht wie vorher nach hinten heraus. Das Motto der Gemeinde lautet deshalb „Unterwegs mit Jesus. Unterwegs mit Dir. Unterwegs für unsere Stadt“. Die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen in Singen sei schon jetzt sehr gut: „Die Kirchen machen allgemein gerade einen großen Schritt aufeinander zu.“ Das sei auch nötig, weil immer mehr Christen sich von der Kirche abwenden.
Jorin Jansens beruflicher Weg führte nicht direkt in die Kirche: Der 31-Jährige hat zuerst eine Lehre als Kaufmann gemacht. Danach arbeitete er als Buchhalter und Personalchef im Unternehmen eines Freundes, bevor er sich für ein Theologiestudium an der Hochschule Elstal entschied. Er wollte dem Vorbild seines Opas folgen und Pastor werden – denn schon seine Eltern und Großeltern sind Baptisten und der Opa war Pastor in einer Baptistenkirche.