Waltraud Liebl-Kopitzki kokketiert fast schon in ihrem Dank für eine besondere Auszeichnung: „Als wir nach dem Urlaub einen Brief aus Steißlingen im Briefkasten fanden, dachten wir, toll wieder ein Strafzettel. Mit dieser Auszeichnung hatten wir nicht gerechnet.“ Jetzt zählt sie mit ihrem Mann Siegmund Kopitzki zu den Trägern des 21. Hegaupreises. Alle drei Jahre zeichnet die Gemeinde Steißlingen damit Menschen aus, die sich um die Landschaft verdient gemacht haben.

„Mit ihrer umfangreichen Anthologie „Hegau literarisch“ haben die beiden Preisträger Waltraut Liebl und Siegmund Kopitzki eine kenntnisreiche Sammlung vorgelegt, die tief in Geschichte und Eigenart dieser Region eintaucht. Der Band steht in der Tradition literatur- und kulturgeschichtlicher Werke zur westlichen Bodenseeregion und schärft deren Konturen im Sinne einer eigenständigen Geschichts- und Lebenslandschaft“, lautet ein Auszug aus der Verleihungsurkunde.

Obwohl es der heißester Tag des Jahres war, kamen viele Gäste zur Verleihung des 21. Hegaupreises. In der ersten Reihe sind von rechts ...
Obwohl es der heißester Tag des Jahres war, kamen viele Gäste zur Verleihung des 21. Hegaupreises. In der ersten Reihe sind von rechts zu sehen: Laudator Manfred Bosch, Siegmund Kopitzki, Waltraut Liebl-Kopitzki und Bürgermeister Benjamin Mors. | Bild: Susanne Schön

Doppelt hält besser, sagt man gerne. Doch bei den diesjährigen Preisträgern des Hegaupreises, Waltraut Liebl-Kopitzki und Siegmund Kopitzki, gilt es sowohl einen Blick auf die jeweiligen Einzelleistungen als auch auf die gemeinsame Arbeit zu richten. „Wir haben lange Jahre nebeneinander gearbeitet“, erklärte Waltraut Liebl-Kopitzki, als sie die gemeinsamen Dankesworte lebendig vortrug.

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Alles so verdammt nett hier

Obwohl es schwer sei, eine Laudatio für Freunde zu halten, so Manfred Bosch, habe er sich an eine solche über Waltraut Liebl-Kopitzki und Siegmund Kopitzki gewagt. Er begann mit einem Zitat aus der Sammlung „Gefährliche Nachbarschaft“, in der Niklaus Schmid schreibt: „Für jemanden wie mich, der aus dem Ruhrgebiet kommt, bedeutet Steißlingen ein gehöriger Kulturschock. Keine Graffiti an den Häuserwänden, keine Jugendlichen, die dich mit ihren Fahrrädern anrempeln. Dazu die Ruhe, die liebliche Landschaft, die freundlichen Kollegen, und schon am zweiten Tag wurde ich von fremden Menschen auf der Straße gegrüßt.

Nach der Arbeit lief ich durch saubere Wohnviertel, sah ordentliche Vorgärten und zufriedene Gesichter, anschließend blickte ich von meinem Hotelzimmer auf den kleinen Steißlinger See, so still, so friedlich – nach drei Wochen stand ich kurz vor dem Durchdrehen.“

Manfred Bosch hielt die Laudatio auf das Ehepaar Waltraut Liebl-Kopitzki und Siegmund Kopitzki.
Manfred Bosch hielt die Laudatio auf das Ehepaar Waltraut Liebl-Kopitzki und Siegmund Kopitzki. | Bild: Susanne Schön

Dann ging Bosch auf die Preisträger ein, genauer auf die Anthologie ‚Hegau literarisch‘, die beide gemeinsam herausgaben. Diese war auch einer der Hauptgründe für die Preisverleihung. Sie ist der letzte Teil einer Trilogie, die sich mit dem Hegau beschäftigt. Die erste Anthologie „Die Gans ist noch nicht gebraten“ beschäftigt sich mit 600 Jahren Konstanzer Konzil, die Zweite „Überlingen literarisch“ kam zur damaligen Landesgartenschau heraus und 2024 nun der „Hegau literarisch“. Bosch zählte auch die vielen literarischen Veranstaltungen und Arbeiten auf, die die beiden jeweils mit viel Herzblut initiierten, begleiteten und organisierten.

Vor und nach der Preisverleihung bot der historische Herrentorkel viel Raum für angeregte Gespräche.
Vor und nach der Preisverleihung bot der historische Herrentorkel viel Raum für angeregte Gespräche. | Bild: Susanne Schön

So viel Arbeit meistert ein Herausgeber

Da es um die gemeinsamen Anthologien ging, nahm sich Bosch auch die Arbeit eines Herausgebers vor: „Einem möglichst schlüssigen Konzept folgen die Mühen der Ebene – in unserem Fall: Besuche hiesiger Bibliotheken, das Durchforsten der Bestände an Literatur zum Bodensee, eingeschlossen ganze Jahrgänge einschlägiger Zeitschriften und Jahrbücher, das Recherchieren von Biografien, das Zurateziehen von Sekundärliteratur, die Korrespondenz mit Beiträgerinnen und Beiträgern, um auch Unveröffentlichtes zu berücksichtigen, das mühsame Ausfindigmachen von Rechteinhabern, sodann das Geschäft der Auswahl mit Abwägen, Verwerfen und Kürzen ausgewählter Texte.“

Dann seien noch keine Einleitungen verfasst, die in die ausgewählten Textpassagen einführen; es fehle noch ein ausgreifendes Nachwort, das, möglichst mit leichter Hand geschrieben, ein breites Publikum erreiche und auch vor dem Fachmann Bestand habe.

Die handgeschriebene Urkunde des 21. Hegaupreises.
Die handgeschriebene Urkunde des 21. Hegaupreises. | Bild: Susanne Schön

Dem Herausgeber-Ehepaar sah man die Mühen nicht an. Er verströmte die Freude am Leben, der Literatur und dem Hegau und genoss mit seinen Gästen den heißen Sommerabend bei kulinarischen Genüssen und regen Gesprächen.

Steißlingens Bürgermeister Benjamin Mors konnte viele Wegbegleiter des Ehepaars und kulturelle Größen der Region begrüßen. Preisgekrönte Jungmusiker der Gemeindemusikschule bewiesen ihr faszinierendes Können. So fesselte zum Beispiel die rockige Blockflöte, bei der musikalischen Umrahmung des Festakts, welche einen weiteren Teil des kulturellen Lebens in Steißlingen präsentierte. Viel Lob gab es auch für die große Detailliebe und Professionalität, mit der die Preisverleihung ausgerichtet wurde. Für die „hitzige Veranstaltung“ am bisher heißesten Tag des Jahres lud Bürgermeister Mors zu kühlen Getränken und dem Verweilen unter der Nebeldusche ein.