Den täglichen Stau auf Stockacher Straßen kennen viele Auto- und Lastwagenfahrer aus eigener leidvoller Erfahrung – ganz zu schweigen von den Anwohnern, die die Blechlawine täglich an ihren Wohnungen vorbeirollen sehen und vor allem hören. Dass etwas getan werden muss, ist vielen Stockachern daher schon von selbst klar. Nun liegt eine Verkehrsanalyse vor, die das täglich zu beobachtende Phänomen Stau mit Zahlen unterfüttert. Der Gemeinderat hatte diese Analyse im Januar 2017 in Auftrag gegeben, und Verkehrsplaner Reiner Neumann vom Büro Modus Consult hat nun in der jüngsten Sitzung die ersten Ergebnisse vorgestellt. Sie beschreiben zunächst hauptsächlich den augenblicklichen Zustand auf Stockachs Straßen und Kreuzungen. Worum es geht:

  • Grundlagen: Im April 2017 gab es mehrere Erhebungen an den Knotenpunkten im Straßennetz der Kernstadt Stockach und im Ortsteil Hindelwangen. Darunter war auch eine Befragung von Verkehrsteilnehmern an den Ein- und Ausfahrten der Stadt, bei der Schüler des Nellenburg-Gymnasiums aktiv waren. Doch die meisten Erhebungen fanden an den Kreuzungen und Einmündungen im städtischen Straßennetz automatisch statt. In 24 Stunden fahren im Schnitt etwa 67 700 Fahrzeuge in die Stadt ein oder aus ihr heraus, sagte Reiner Neumann, davon etwa 5800 Lastwagen. Diese haben laut dem Verkehrsplaner einen erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Straßennetzes. Hinzu kommen die Fahrten, die innerhalb der Stadt verlaufen. Fast 70 Prozent der befragten Fahrer gaben an, beruflich, für die Ausbildung oder ansonsten dienstlich unterwegs zu sein, was zu einer hohen Belastung in Stoßzeiten führt. Und durchschnittlich saßen nur 1,11 Personen in jedem Auto – was einem bundesweiten Trend zu weniger Besetzung im Auto entspricht, wie Neumann erklärte.
  • Knotenpunkte: Vor allem die Schiesser-Kreuzung und den Linde-Kreisel bezeichnete Neumann als "schon in der Ist-Situation" schlecht, beide Stellen seien sehr stark belastet und die Verantwortlichen sollten schauen, dass die Strecken leistungsfähiger werden. Laut den Zählungen kommen am Schiesser-Knoten in 24 Stunden 27 009 Fahrzeuge vorbei, am Linde-Kreisel 23 822 (siehe Grafik). Auch der Abzweig von der Radolfzeller Straße in die Industriestraße und der Rißtorf-Kreisel würden bei der vorliegenden Belastung "von selbst zumachen". Neumann redete dem Gremium in dieser Hinsicht regelrecht ins Gewissen: "Machen Sie was." Ein Problem bei Hauptstrecken mit Staugefahr sei nämlich, dass Ortskundige diese Strecken umfahren. Ergebnis: "Man hat Verkehr, wo man ihn nicht will." Zum Beispiel in der Innenstadt oder in Wohngebieten, so auch in diesen Tagen in der Hindelwanger Oberdorfstraße. Bei der Hindelwanger Adler-Kreuzung gehe er aber davon aus, dass der Knotenpunkt nach dem Umbau zum Kreisverkehr besser funktioniere, sagt Neumann. Dennoch: Schon das jetzige Verkehrsmodell, das nur den derzeitigen Zustand beschreibt, ohne eine künftige Entwicklung zu berücksichtigen, mache klar, dass etwas getan werden müsse, so der Verkehrsplaner. Denn Verkehrsentwicklung gebe es weiterhin, auch wenn der Fahrzeugbestand nicht mehr weiter wachse.
  • Maßnahmen: Vor allem in Richtung Süden empfahl Neumann Netzergänzungen, denn vor allem in diese Richtung dränge der Verkehr. Außerdem solle man Ausweichstrecken durch die Innenstadt abstellen. Und er wies im Gremium darauf hin, dass bei einer strategischen Verkehrsplanung eine Grundsubstanz an öffentlichem Personenverkehr einfach dazugehöre.
  • Fragen der Stadträte: Thomas Warndorf (SPD) fragte, wie groß die Entlastung durch die Ortsumgehung von Stockach werden würde. Für Reiner Neumann gehörte eine Antwort darauf zum nächsten Arbeitsschritt, in dem Prognosen mit verschiedenen Szenarien erstellt werden. Klar sei aber: Eine Umfahrung würde die Innenstadt entlasten, so der Verkehrsplaner. Und Bürgermeister Rainer Stolz ergänzte, dass der Bund das Geld für eine Ortsumgehung nicht geben würde, wenn man keine Entlastung darstellen könnte. Laut Bundesverkehrswegeplan, in dem die Ortsumfahrung im vordringlichen Bedarf aufgeführt ist, würde die Umgehungsstraße die nord-südliche Ortsdurchfahrt im Jahr 2030 um etwa 7000 Fahrzeuge täglich entlasten. Auch Wolfgang Reuther (CDU) plädierte für die Umfahrung, "dann dürfte sich auch in der Stadt die Lage entspannen". Roland Strehl (Freie Wähler) hinterfragte Herkunft und Ziel von Schwerverkehr. Laut seinen Untersuchungen gehöre ein großer Teil des Schwerverkehrs tatsächlich in die Stadt, sagte Verkehrsplaner Neumann dazu, es gebe nicht übermäßig viel Ausweichverkehr. Und auf Strehls Frage, ob man in Stockach von übergeordneten Stellen tatsächlich – so wie es sein Eindruck sei – nur sehr nachrangig behandelt werde, antwortete Neumann aus seiner Erfahrung, er habe nicht das Gefühl, dass Stockach schlecht behandelt werde. In großen Städten sei der Leidensdruck noch höher, sodass Straßenbauvorhaben dort tendenziell schneller gingen. Dennoch: "Die Verfahren dauern insgesamt zu lang", so Neumann.
    Bild 1: Verkehrszählung in Stockach: 67 700 Fahrzeuge fahren täglich im Schnitt in die Stadt und aus ihr heraus
    Bild: Cornelia Müller

Schwerverkehr

Für den Verkehrsplaner beginne der Schwerverkehr bei einem Gewicht von 3,5 Tonnen, sagt Reiner Neumann vom Ulmer Planungsbüro Modus Consult. Daher würden beispielsweise auch Paketfahrzeuge die Zahlen beim Schwerverkehr in die Höhe treiben – der Online-Handel sei in dieser Hinsicht ein Faktor. Die Knotenpunkte, die allgemein stark belastet sind, verzeichnen auch die meisten Fahrzeuge des Schwerverkehrs: der Schiesser-Knoten (2546 schwere Fahrzeuge), der Abzweig zur Industriestraße (2320 schwere Fahrzeuge) und der Rißtorf-Kreisel (2242 schwere Fahrzeuge). (eph)