Das öffentliche Leben liegt in der Corona-Krise faktisch lahm, doch irgendwer muss auch Entscheidungen treffen. Wie hält man unter diesen Vorzeichen die Kommunalpolitik am Laufen? Im Stockacher Gemeinderat lief dies kürzlich per elektronischer Abstimmung. Das Gremium hat drei Beschlüsse gefällt. Bei allen ging es darum, Aufträge zu vergeben. Ein Treffen der Gemeinderäte gab es jedoch nicht – und zwar weder im Ratssaal noch per Videokonferenz. Alle weiteren Themen, die auf der Tagesordnung standen, seien verschoben worden, schreibt Hauptamtsleiter Hubert Walk auf Anfrage. Vor Ostern würden auch keine weiteren Entscheidungen mehr getroffen.

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Bürgermeister Rainer Stolz habe „nach Rücksprache mit allen Gemeinderäten“ die Vergaben auf den Weg gebracht, so Walk. Die Kommunikation sei über das Ratsinformationssystem (RIS) erfolgt, wobei die Mitglieder des Gremiums neben der Sitzungsvorlage zusätzliche Informationen bekommen hätten. Nur wenige Räte nutzten das RIS nicht, bei diesen sei die Kommunikation per Post und Telefon gelaufen.

„In dieser Ausnahmezeit kann ich sehr gut damit leben“ Wolfgang Reuther, CDU
„In dieser Ausnahmezeit kann ich sehr gut damit leben“ Wolfgang Reuther, CDU | Bild: Lukas Maier

Und wie steht es mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit, der in Paragraf 35 der Gemeindeordnung festgesetzt ist? Demnach darf nur nichtöffentlich verhandelt werden, „wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern“, heißt es dort. „Dieser Grundsatz ist ein hohes Gut und darf nur in Ausnahmefällen eingeschränkt werden“, schreibt Hauptamtsleiter Hubert Walk. Die Beschlüsse habe man im Umlaufverfahren getroffen, schreibt er weiter. Die Gemeindeordnung ermöglicht dies für „Gegenstände einfacher Art“. Vergaben in einer Höhe von etwa 1,5 Millionen Euro gehörten normalerweise zwar nicht dazu, so Walk, die Stadtverwaltung habe den Rechtsrahmen weit ausgelegt. Doch die Themen seien im Rat bereits behandelt gewesen. Und die Baumaßnahmen sollten nicht verzögert werden, weshalb man glaube, im Sinne der Bürger gehandelt zu haben.

„Die Verwaltung ging korrekt damit um, aber es ist ein Hilfskonstrukt.“ Karl-Hermann Rist, Grüne
„Die Verwaltung ging korrekt damit um, aber es ist ein Hilfskonstrukt.“ Karl-Hermann Rist, Grüne | Bild: SK

Konkretes zum Thema Ausgangsbeschränkungen ist in der Gemeindeordnung nicht geregelt. Die Einschränkungen gelten laut Corona-Verordnung des Landes aber ausdrücklich „vorbehaltlich des Selbstorganisationsrechts des Landtages und der Gebietskörperschaften“. Im Klartext: Sitzungen des Landtags oder kommunalpolitischer Gremien dürften stattfinden – Sicherheitsabstand inklusive. Und genau an dem hakt es laut Walk: „Gleichwohl können wir in den beengten Räumen des Sitzungssaales aktuell keine Gemeinderatssitzung stattfinden lassen“, schreibt er. Der Konflikt: Entweder man erfüllt das Gebot der Öffentlichkeit oder die Regeln im Umgang mit Corona.

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Aus dem Gremium hört man Zustimmung zur Vorgehensweise der Online-Abstimmung. „In dieser Ausnahmezeit kann ich sehr gut damit leben“, sagt CDU-Fraktionschef Wolfgang Reuther. So sieht es auch Wolf-Dieter Karle, Fraktionschef der Freien Wähler: „Ich finde das Vorgehen in Ordnung.“ Joachim Kramer, SPD-Fraktionschef, gibt zu bedenken: „Auch in einer normalen Sitzung hätte es bei der Abstimmung über die drei Aufträge keine große Diskussion gegeben.“ Julia Zülke (FDP) sagt, sie finde die Vorgehensweise im Prinzip sehr gut. Und Karl-Hermann Rist (Grüne) meint: „Die Verwaltung ging korrekt damit um, aber es ist ein Hilfskonstrukt“ – und für umfangreichere Willensbildung nicht geeignet.

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Doch was ist die Alternative? Für eine Videokonferenz, die man auch für die Öffentlichkeit bereitstellen könnte, seien nicht alle Ratsmitglieder ausgerüstet, führen die Fraktionssprecher ins Feld. Es ginge also nur eine Sitzung mit Sicherheitsabstand, was viele der befragten Räte als akzeptables Risiko bezeichnen. CDU-Mann Reuther warnt allerdings vor der Außenwirkung, denn Vereinstreffen seien untersagt. Und Kramer gibt zu bedenken, dass man möglicherweise in einen größeren Raum ausweichen müsste, um Platz für die Öffentlichkeit zu haben. Die Fraktionschefs machten aber auch deutlich: Sollten die Einschränkungen länger fortbestehen, müsse man sich etwas anderes einfallen lassen. Wolf-Dieter Karle: „Auf Dauer ist das so nicht haltbar.“

Telefon- und Videokonferenzen sollen dafür möglich sein, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung des Landesinnenministeriums – für die Geltungsdauer der Corona-Verordnung und unter der Maßgabe, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz gewahrt bleibt. Zuhörer und Medienvertreter könnten die Sitzung dann beispielsweise im Ratssaal verfolgen, heißt es in der Mitteilung.