Die medizinische Versorgung im Landkreis Konstanz wird sich aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren deutlich verändern. Das machte der Paukenschlag deutlich, den die Vorstellung eines Strukturgutachtens über den Gesundheitsverbund des Landkreises Konstanz (GLKN) Ende der vergangenen Woche darstellte. Besonders betroffen ist davon die Stadt Radolfzell, denn das Gutachten empfiehlt, das dortige, relativ kleine Krankenhaus zu schließen.
„Die Entscheidung der Stadt Stockach war wohl richtig“
Auch Stockach hat ein kleines Krankenhaus und in den vergangenen Jahren hatte auch dieses regelmäßig mit finanziellen Defiziten zu kämpfen. Trotzdem müssen die Stockacher im Moment nicht um ihr Krankenhaus bangen, denn es ist nicht Teil des GLKN, sondern selbstständig. Manch ein Verfechter dieses Stockacher Sonderwegs dürfte das Strukturgutachten als Bestätigung sehen, dass es die richtige Entscheidung war, das Krankenhaus in städtischer Hand zu belassen und nicht dem GLKN anzugliedern. Für Krankenhaus-Geschäftsführer Michael Hanke ist das zumindest der Fall
„Die Entscheidung der Stadt Stockach war wohl richtig. Als kleines Krankenhaus in einen Verbund zu gehen, ist immer ein Risiko. Ein kleines Krankenhaus wird meistens als erstes weggespart, auch wenn dessen medizinisch-pflegerische Qualität gut ist“, sagt Hanke auf Nachfrage des SÜDKURIER. Die Frage der Wirtschaftlichkeit stelle sich angesichts des prekären Finanzierungssystems ohnehin nicht nur bei kleinen Krankenhäusern.
Wohnortnahe Akutversorgung hat einen hohen Eigenwert
Auch große Krankenhäuser und Universitätskliniken schreiben laut Hanke zum Teil hohe Verluste. Aber: „Eine wohnortnahe Akutversorgung hat einen hohen Eigenwert. Gerade ältere Menschen brauchen und wollen doch meistens keine high-end Medizin irgendwo weit entfernt, sondern eine konstant gute, wohnortnahe medizinische Versorgung“, so Hankes Standpunkt.
Ganz an Stockach vorbei gehen die Vorgänge im GLKN allerdings trotzdem nicht. Zwar treffe man Entscheidungen und Aktivitäten bezüglich des Stockacher Krankenhauses „nicht im Zusammenhang mit allfälligen Entscheidungen für den GLKN“, betont Bürgermeister Rainer Stolz, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des Krankenhauses ist. Jedoch dürfe man nicht vergessen, dass sich die Stadt Stockach durch die Kreisumlage „immerhin auch ganz beträchtlich am Abmangel und den Investitionen des Landkreises in die Kliniken“ beteiligt, so Stolz.
„Deshalb haben wir natürlich auch ein Interesse daran, dass Strukturen im Gesundheitsverbund passen und fachgerecht ausgelegt sind“, lautet der Kommentar des Stockacher Rathauschefs zum vorgestellten Strukturgutachten. Auswirkungen auf das Stockacher Krankenhaus oder auf den bestehenden Kooperationsvertrag mit dem GLKN habe das Strukturgutachten seines Erachtens nicht, macht Stolz deutlich.
Ergebnis des Strukturgutachtens war keine Überraschung
Eine Überraschung sei das Ergebnis des Gutachtens für ihn indes nicht gewesen. „Das hat sich schon mit der Gründung des Gesundheitsverbundes so abgezeichnet“, macht Stolz deutlich. Trotzdem fühle er mit den Radolfzellern mit. „Wir bedauern außerordentlich, dass es nicht möglich sein soll, das Krankenhaus Radolfzell zu erhalten. Wir wissen was es bedeutet, wenn man Jahr für Jahr, tagein, tagaus für sein Krankenhaus kämpft.“
Gekämpft wurde in Stockach schon viel, und die Stadt hat viel Geld investiert, um das Haus vor dem Schicksal zu bewahren, das nun mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Häuser in Radolfzell und Stühlingen zukommt. So musste der Gemeinderat dem Krankenhaus in den vergangenen Jahren immer wieder Geld für einen Defizitausgleich zur Verfügung stellen. 2019 belief sich diese Summe auf rund 909.000 Euro. Dass es aber auch anders geht zeigte das Jahr 2020. Dieses konnte mit einem Gewinn in Höhe von rund 119.000 Euro abgeschlossen werden.
Rahmenbedingungen sind schwierig
Ob sich dieser Erfolg in Zukunft fortsetzen lasse, sei allerdings nicht sicher. Das komme auf die langfristigen Rahmenbedingungen an, macht Hanke deutlich. „Die Investitionsfinanzierung durch die Länder ist seit Jahrzehnten völlig unzureichend. Die Betriebskostenfinanzierung durch die Krankenkassen ist ebenfalls nur dann kostendeckend, wenn jedes Jahr Mehrleistungen realisiert werden, um die jährlichen Personalkostensteigerungen zu erwirtschaften“, sagt er.
Um hier in Zukunft in eine bessere Situation zu kommen, würde Hanke sich wünschen, dass die Vorhaltekosten für Personal und Infrastruktur zukünftig fallzahlunabhängig refinanziert werden. „Nur so kommen wir aus dem Hamsterrad raus, jedes Jahr immer mehr Patienten versorgen zu müssen, um die Lohnkostensteigerungen zu erwirtschaften.“
Das bleibt aber momentan nur ein Wunsch. Konkretere Schritte für die Weiterentwicklung des Krankenhauses wurden mit der Entscheidung zur Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) getroffen. Für Stolz, Hanke und den Stockacher Gemeinderats ist dies ein wichtiger Baustein, um die Zukunft des Hauses zu sichern. „Durch die Erweiterung des medizinischen Angebots um das MVZ am Krankenhaus in Stockach kommen wir den entsprechenden gesetzgeberischen Vorgaben nach. Wir gehen davon aus, dass diese Maßnahme, zusammen mit den ergänzenden fachärztlichen Angeboten, dazu beiträgt, dass unser Krankenhaus ein stabiles Angebot erhalten und weiterentwickeln kann“, sagt Stolz.
Wie viel die Gründung des MVZ an finanziellen Einsparungen bringt, könne man nur schwer schätzen, sagt Hanke und fügt hinzu: „Auf jeden Fall ist eine der letzten verbliebenden, noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten, die Effizienz in der Gesundheitsversorgung zu verbessern.“ Bis dies in die Tat umgesetzt werden könne, gebe es allerdings noch einiges an Klärungsbedarf, insbesondere im Hinblick auf zwei kassenärztliche Sitze, die Teil des MVZ werden sollen.