Ob die beiden Gründerväter, der Schweizer Musikwissenschaftler Erich Fischer und der schlesische Arzt und Landwirt Adalbert Graf von Keyserlingk damals vor 75 Jahren schon wussten, welche Erfolgsgeschichte ihr Plan sein würde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Dass ihre Idee, eine Siedlung für Kriegswaisen und Flüchtlinge aufzubauen, tatsächlich ein Erfolg wurde, beweist das heutige Kinderdorf, das sich mit Betrieben und eigener Landwirtschaft auf biologisch-dynamischer Grundlage selbst versorgt.

Kraft schöpfen aus dem Prinzip Hoffnung

Die Gründerväter setzten damals alle Hebel in Bewegung, wobei sie Kraft aus dem Prinzip Hoffnung schöpften. Und diese Hoffnung sollte sich dann auch erfüllen: Am 5. März 1947 wurden die ersten Kinder und Jugendlichen in der neu gegründeten Pestalozzi Siedlung aufgenommen. Und dieses Projekt, sprich das Kinderdorf, feiert nun sein 75-jähriges Bestehen mit mehreren Veranstaltungen im Laufe des Jahres 2022.

Pestalozzi Geschäftsführer Bernd Löhle (li) freut sich über die Ehrengäste (v.li.) Bürgermeister Rainer Stolz, Marie-Luise Marjan, ...
Pestalozzi Geschäftsführer Bernd Löhle (li) freut sich über die Ehrengäste (v.li.) Bürgermeister Rainer Stolz, Marie-Luise Marjan, Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger und Sozialminister Manne Lucha. | Bild: Reinhold Buhl

„Eigentlich sollte die heutige Feier schon im Februar stattfinden, aber Corona hat uns zu einer Verschiebung auf heute gezwungen“, erklärt Bernd Löhle, Geschäftsführer des Kinderdorfs, der die Anfänge des Kinderdorfs Revue passieren ließ. Er schloss seine Rede in der gut besuchten Rossberghalle mit dem Dank an alle, die Kindern helfen, erwachsen zu werden.

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Thomas Warndorf, ehemaliger Kulturamtsleiter der Stadt Stockach, moderierte die Veranstaltung in gekonnter Weise, und freute sich insbesondere, neben Bürgermeister Rainer Stolz auch Landessozialminister Manne Lucha (Grüne) sowie Marie-Luise Marjan, alias Mutter Beimer aus der Lindenstraße, unter den Gästen begrüßen zu können.

Sozialminister Lucha würdigt die Erziehungsarbeit

Minister Lucha bedankte sich in seinem Grußwort bei den Verantwortlichen des Kinderdorfs für die wertvolle geleistete Arbeit und schloss mit einem Zitat seines „ganz privaten Philosophen Bob Marley: Never give up“, was er auf die Erziehungsarbeit bezog. Lucha outete sich auch als großer Fan der Lindenstraße und schaffte so den Übergang zu Marie-Luise Marjan, die beim folgenden Konzert eine große Rolle spielen sollte.

Die Gäste in der Rossberghalle lauschen der Vivaldi Musik, meisterlich gespielt vom Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim.
Die Gäste in der Rossberghalle lauschen der Vivaldi Musik, meisterlich gespielt vom Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim. | Bild: Reinhold Buhl

Marjan nutzte zuvor die Gelegenheit, einen Minister auf die Problematik der Adoption anzusprechen. Sie wusste, wovon sie sprach, denn sie wurde als Kind von ihren Pflegeltern adoptiert – ein Prozedere, das ganze sieben Jahre gedauert habe. Viel zu lange in den Augen der rüstigen Schauspielerin. „Ich möchte mich für Erleichterungen beim Adoptionsverfahren einsetzen“, schloss sie ihre kurz erzählte Lebensgeschichte und setzte bei diesem Anliegen auch auf den baden-württembergischen Minister.

Bürgermeister Rainer Stolz, ein Kenner des Pestalozzi Kinderdorfs, war 20 Jahre lang Vorsitzender der Pestalozzi-Stiftung Wahlwies. Aus seinen Anfangsjahren als Bürgermeister in Stockach erzählte er, dass er sich damals die Frage gestellt habe: „Wo ist diese Stadt sozialpolitisch verortet?“ Seine gefundene Antwort: Im Pestalozzi Kinderdorf und im Krankenhaus – beide seien bis heute prägend für die Stadt. Bezogen auf das Kinderdorf schloss er mit dem Satz: „Die familienorientierte Erziehung der Kinder, die hier geleistet wird, ist unglaublich wertvoll.“

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Konzert des kurpfälzischen Kammerorchesters Mannheim

Der Höhepunkt dieser spätnachmittäglichen Feierlichkeiten war zweifellos der Auftritt des kurpfälzischen Kammerorchesters Mannheim unter der Leitung des bekannten Dirigenten Georg Mais. Das Konzert erwies sich dann auch als ein musikalischer Leckerbissen. Die 15 Musikerinnen und Musiker spielten die Vier Jahreszeiten op. 8 für Violine und Orchester von Antonio Vivaldi, wobei als Solist Angelo de Leo von den Berliner Philharmonikern bei seinem Auftritt glänzte.

Nicht enden wollender Applaus für (v.li.) Dirigent Georg Mais, Solist Angelo de Leo, Sprecherin Marie-Luise Marjan und das Orchester.
Nicht enden wollender Applaus für (v.li.) Dirigent Georg Mais, Solist Angelo de Leo, Sprecherin Marie-Luise Marjan und das Orchester. | Bild: Reinhold Buhl

Das Mannheimer Orchester gehört zu den besten deutschen Kammerorchestern und war schon mit vielen Konzerten weltweit unterwegs. Und dass sie meisterlich musizieren können, bewiesen sie nun auch in Wahlwies, wo der Applaus der begeisterten Zuhörer nicht enden wollte.

Neben den Musikerinnen und Musikern wurde ebenfalls die Schauspielerin Marie-Luise Marjan, als Mutter Beimer aus der Lindestraße zur Fernsehberühmtheit geworden, für ihren Auftritt gefeiert. Marjan las zwischen den Sätzen des Konzerts die dazugehörigen Sonette.

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