Jetzt steht es also und bietet Tomaten und Gurken ein Zuhause: Das Gewächshaus der Pestalozzi Gärtnerei gGmbH wurde trotz heftiger Kritik einer Bürgerinitiative und der Einwände aus Ortschafts- und Gemeinderat in der Nähe zur Stockacher Aach gebaut. Bei der Eröffnung war von Misstönen nichts zu hören. Im Gegenteil: Die Redner lobten das große Engagement für den lokalen Gemüseanbau verbunden mit der sozialen Idee, integrative Arbeitsplätze für Personen mit großem Förderbedarf zu schaffen. Unter den Rednern waren die Partner der Gärtnerei, aber auch Peter Hauk, seines Zeichens Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg.
Gewächshaus überdacht 1,5 Hektar
Man müsse heute Dinge schaffen, um damit die Weichen für die Zukunft zu stellen, sagte Bernd Löhle, Vorsitzender der Stiftung Pestalozzi macht Bio. Sein Herz sei dreigeteilt. Es schlage für die Mitarbeiter. „Unsere Gemüsebauern haben keine sichere existentielle Grundlage, wenn sie nicht unter Glas Gurken und Tomaten anbauen. Alles andere ist Wunschdenken.“ Wichtig sei ihm auch die örtliche Versorgung mit regionalen Lebensmitteln, diese habe schon Gemeinwohlcharakter. Schließlich gehe es ihm auch um Jugendliche und Erwachsene mit Förderbedarf. Löhle betonte, mit den langjährigen Partnern seien notwendige Voraussetzungen und Rahmenbedingungen geschaffen worden.
Minister Peter Hauk fand das neue Gewächshaus mit seiner Größe von 1,5 Hektar überschaubar. Er sagte: „Landwirte brauchen verlässliche Partner für die Abnahme und Mindestpreise. Wenn der Lebensmitteleinzelhandel sich nicht dazu bekennt, wird es irgendwann keine Landwirtschaft mehr geben. Ohne Garantien über einen bestimmten Zeitraum wird keiner mehr investieren können.“ Wichtig sei, Fläche nicht zu vergeuden, sondern am besten mehrfach zu nutzen. Das gelte für Gewerbe- und Wohnbebauung mit mehrstöckiger Überbauung ebenso wie für die Landwirtschaft.
Minister lobt die soziale Komponente
Als Beispiel für hybride Nutzung nannte er Agri-Photovoltaik, bei der Energieerzeugung mit dem Schutz vor Hagel-, Frost- und Dürreschäden gepaart werde. Man müsse Landwirtschaft und Naturschutz auf einer Fläche erfüllen, die Artenvielfalt in der Bewirtschaftung erhalten und ausbauen. Er lobte die soziale Komponente der gGmbH. Viele Arbeiten seien nicht durch Maschinen auszuführen, den Preis müsse man für das Produkt bezahlen. „Wir können nicht Mindestlöhne fordern, aber an der Kasse nicht dafür bezahlen wollen“, schloss er.
Johannes Kamps-Bender, Vorsitzender von Demeter Deutschland, sprach über regionale Wertschöpfungsketten und forderte, die Akteure besser zu vernetzen als bisher. „Man braucht Projekte, die wirtschaftliche Kraft haben, und die Sicherheit für den Landwirt, der seine Mitarbeiter zahlt.“ Um das Ziel zu erreichen, dass bis 2030 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch bewirtschaftet werden, müssten Bund, Länder und Verbände jetzt gemeinsam ihre Kraft in den Umbau in Richtung Nachhaltigkeit setzen. Wie der Minister erklärte er: „Man muss den Konsumenten erziehen, damit er den wahren Preis mitträgt. Das ist eine Zukunftsaufgabe.“ Hier sehe man ein Beispiel, wie es gelingen könne.
Davon war Klaus Fickert, Geschäftsführer Edeka Südwest, überzeugt. Er kooperiere seit vielen Jahren mit Christian und Birger Richter. Fickert versprach: „Die Gärtnerei gGmbH kann sich voll auf uns verlassen. Tomaten und Gurken im Sommer, Radieschen und Feldsalat im Winter werden zu 100 Prozent abgenommen.“
Kein Wasser aus der Aach
Nach den Reden besichtigten die Gäste das Gewächshaus, das mit modernster Technik ausgestattet ist und ohne fossile Brennstoffe beheizt wird. Wer möchte, darf künftig durch die Schaufenster an der Seite einen Blick ins Innere werfen.
Birger Richter, Geschäftsführer der Pestalozzi Gärtnerei gGmbH, und Gärtnermeister Christian Richter, der in 42 Jahren im Kinderdorf rund 250 Lehrlinge ausgebildet hat, stellten sich anschließend den Fragen der SÜDKURIER-Mitarbeiterin. Dabei ging es zunächst um das Wasserbecken, das auf der Schautafel am Gelände fehlt – warum, konnte keiner sagen. Selbst wenn kein Regen fallen würde, könnte laut den beiden noch Wasser aus dem Becken am anderen Gewächshaus geholt werden. Außerdem dürften 4000 Kubikmeter jährlich aus ihrem Brunnen entnommen werden. Aus der Aach käme selbstverständlich kein Wasser, es werde auch nichts dorthin abgeleitet. Eine Ausnahme wäre ein Überlauf des Beckens.
Gründünger wird noch angepflanzt
Einige Personen hatte vorab irritiert, dass während der Bauphase der Landwirtschaftsweg unterhalb des Gewächshauses aufgegraben worden war. Birger Richter sagte, in der Fläche seien wie auch an anderen Lagen in Wahlwies Drainagen verbaut. Durch die Bautätigkeiten habe eine schon sehr alte Leitung, die unterhalb des Gewächshauses verläuft, erneuert werden müssen. Zum Gelände oberhalb des Beckens erläuterte Christian Richter: „Inzwischen haben wir es planiert, aufgerissen, gegrubbert und bald wird dort Gründünger wachsen. Wenn sich der Boden erholt hat, soll dort wieder Gemüse angebaut werden.

Integrative Arbeitsplätze als Ziel
Am Gewächshaus entsteht Wohnraum für Saisonkräfte. Zwischen Mai und September werden Birger Richter, die Gesellin und die Integrationskraft von etwa 20 polnischen Saisonarbeitern unterstützt. Außerdem arbeiten in der Gärtnerei gGmbH auch Mitarbeiter der Kinderdorf-Gärtnerei mit, wie Meisterin Ellen Schauenburg oder Christian Richter. Ihre Arbeit werde mit dem Kinderdorf abgerechnet, erklärte Birger Richter.
Sein Ziel sei, zwei oder drei Menschen im Jahr einen integrativen Arbeitsplatz zu geben. „Es gibt zu wenig Integrationsarbeitsplätze in der Region. Im landwirtschaftlichen Bereich sind wir im Landkreis Konstanz die einzigen. Wir arbeiten mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg zusammen. Die waren schon dreimal hier, um sich die Gegebenheiten anzusehen.“ Sie seien ja erst am Anfang, sagten beide, gaben sich aber zuversichtlich, dass sie ihr soziales Angebot künftig ausweiten können.