Das Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf darf sein neues Gewächshaus bauen. Wie der Geschäftsführer des Kinderdorfs, Bernd Löhle, auf Anfrage mitteilte, sei die Genehmigung für den Bau inzwischen eingetroffen. Damit nimmt ein Projekt die nächste Hürde, das in städtischen Gremien und im Ort selbst zuletzt auf wenig Gegenliebe gestoßen ist.
Ein umstrittenes Thema
Doch es geht nicht nur um ein umstrittenes Thema in einem Stockacher Ortsteil, in dem viele Menschen das Gefühl haben, eine große Einrichtung setze ihre Interessen durch. Der Bauplan wirft auch ein Schlaglicht darauf, wie sich eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe neu aufstellt. Denn die Gärtnerei, die nach Demeter-Kriterien wirtschaftet, gehört zu den Betrieben des Kinderdorfs, die nach eigenen Informationen Ausbildungsplätze für Jugendliche bieten, deren Hintergrund den Zugang zu Bildung und Beruf erschwert.

Der Plan des Kinderdorfs, ein neues Gewächshaus für seine Gärtnerei zu bauen, rief indes schon früh Kritik hervor. Umgesetzt werden soll das Projekt mit der Firma Edeka, die biologisch erzeugtes Gemüse möchte und von der laut dem Kinderdorf die Initiative ausging, und dem Gemüsering. Grob gesagt, sind die beiden Hauptkritikpunkte der Standort des Neubaus und eine neue juristische Konstruktion, die die Gärtnerei in eine gemeinnützige GmbH überführt.
Der Wahlwieser Ortschaftsrat und der Planungsausschuss des Stockacher Gemeinderats hatten sich im Januar übereinstimmend gegen den vorgesehenen Standort ausgesprochen. Dieser liegt an der Stockacher Aach unterhalb der bestehenden Gewächshäuser, in der Verlängerung der Straße Am Maisenbühl. Das Projekt zähle allerdings als landwirtschaftlich privilegiert, sagt Löhle. Die Zustimmung eines städtischen Gremiums sei daher nicht erforderlich. Dies haben nun offenbar auch die Behörden so gesehen, die zu entscheiden hatten. Um an dieser Stelle auf eigenem Grund bauen zu können, habe das Kinderdorf zudem Grundstücke getauscht, bestätigt Löhle. Für Ortsvorsteher Udo Pelkner (Freie Wähler) ist das ein „Spielchen“, für den Geschäftsführer ein in der Landwirtschaft völlig üblicher Vorgang.
Alternative mit zu viel Verkehr
Möglich wäre ein Neubau auch neben dem bestehenden Gewächshaus, entlang der Zufahrt zum Erlenhof. Dort sei die Erweiterungsmöglichkeit allerdings nicht so groß, sagt Löhle. Und er führt an, dass auch Kinder für heilpädagogische Angebote über die Straße zum Erlenhof unterwegs seien. Wachsender Staplerverkehr durch ein weiteres Glashaus sei da ein Problem.

Daher habe sich die Mitgliederversammlung des Kinderdorf-Vereins für die Stelle am Fluss entschieden. Als Geschäftsführer könne er sich darüber nicht hinwegsetzen, sagte Löhle schon bei früherer Gelegenheit. Es seien indes auch nicht alle Mitglieder des Vereins glücklich, mit Edeka zusammenzuarbeiten, das verschweigt er nicht. Auch Sorgen über Lastwagenverkehr möchte er zerstreuen. Dieser würde beim Gesamtverkehr auf der Straße Am Maisenbühl kaum ins Gewicht fallen. Wenn die Planung stehe, wolle er öffentlich informieren.
Auch die Gründung einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) für die Gärtnerei, die seit dem 1. Februar besteht und einer Stiftung gehört, rief Unbehagen hervor. Auch hier verteidigt Löhle. Hintergrund sei eine Regelung, nach der Betriebe mit mehr als 250 Mitarbeitern keine Fördergelder für die Landwirtschaft mehr bekommen. Der Trägerverein des Kinderdorfs habe mehr Mitarbeiter. Doch die Fördergelder brauche man für Investitionen und einen rentablen Betrieb. Mittel des Kinderdorf-Vereins könne man zum Ausgleich nicht nutzen, denn das könnte die Gemeinnützigkeit des Kinderdorfs gefährden, sagt Löhle – das Geld sei schließlich für die Pädagogik bestimmt.
Die Gärtnerei wird ausgelagert
Deswegen werde die Gärtnerei ausgelagert, die Stiftung, der sie gehört, sei unabhängig vom Kinderdorf-Verein. Er selbst und Karl-Hermann Rist würden für das Kinderdorf zwei der fünf Vorstandssitze einnehmen, sagt Löhle. Dass nach den Vorstellungen des Kinderdorfs gewirtschaftet wird, sei in der Satzung festgeschrieben. Und: Wenn keine Menschen mit Förderbedarf dort arbeiten, würde das den Status der Gärtnerei als gGmbH gefährden. Für Fördergelder müsse wiederum Gewinnorientierung vorhanden sein, denn EU-Mittel dürfen nicht für die Subvention unrentabler Geschäftsmodelle verwendet werden. Die Stiftung solle also das Risiko senken und den Betrieb mit Arbeitsplätzen für Menschen mit Förderbedarf erhalten, sagt Löhle. Es handle sich nicht um eine Konzernstruktur, heißt es in einer Präsentation des Kinderdorfs dazu.

Auch wenn das Thema aus Löhles Sicht jetzt befriedet ist, gibt es weiter Unzufriedenheit. So ist Ortsvorsteher Pelkner nach wie vor nicht glücklich damit, wie die Vorgeschichte gelaufen ist: „Ich bin gefrustet, dass sich keiner darum schert“, sagt er mit Bezug auf die Einwände von Ortschaftsrat und Planungsausschuss. Pelkner gehört zu beiden Gremien. Er kritisiert vor allem den Standort am Fluss: „Das zerreißt die Landschaft dort total.“
Nach seinen Ausführungen würde das Gebäude inklusive Sockel sieben Meter hoch werden. Auch dass das Kinderdorf das Grundstück am Fluss durch einen Tausch in seinen Besitz brachte, stößt im sauer auf. Pelkners Einschätzung lautet: „Das wird immer aufs Kinderdorf zurückfallen.“ Ähnlich sieht es Anne Storm, die für die CDU im Wahlwieser Ortschaftsrat sitzt: Sie hätte gehofft, dass das Kinderdorf sich die Pläne noch einmal überlege, sagt sie. Ihre Einschätzung lautet, dass es dem Frieden im Dorf nicht zuträglich ist, wenn das Kinderdorf den Neubau so hartnäckig verfolgt.
Neue Zufahrt nicht über den Maisenbühl
Und Bürgermeister Rainer Stolz? Er sagt auf Anfrage, er hoffe, dass das Kinderdorf mit dem Standort und dem verstärkten Marktauftritt den gewünschten Erfolg habe. Und er lässt durchblicken, dass man mittelfristig darüber nachdenke, eine neue Zufahrt zu den Gewächshäusern zu bauen, die nicht über den Maisenbühl führt. Laut Bernd Löhle habe das Kinderdorf schon signalisiert, dafür auch Grundstücke hergeben zu wollen.