Bei dieser Verhandlung am Stockacher Amtsgericht blieb am Ende vieles offen. Letztlich wurde ein Mann aus einem Stockacher Ortsteil zu einer Haftstrafe von einem Jahr, sechs Monaten und zwei Wochen verurteilt.
Laut Anklage soll er im Juni 2021 in einer Gemeinschaftsküche mit einem anderen Hausbewohner in Streit geraten sein, diesen als Idiot bezeichnet und ihn mindestens einmal ins Gesicht geschlagen haben. Außerdem, so der Vertreter der Staatsanwaltschaft, soll er ihm einen Gesichtsstoß verpasst haben.
Nachdem der Geschädigte vor der Situation geflohen sei, habe der Angeklagte diesem dreimal ins Gesicht getreten. Eine Nasenbeinfraktur und viel Blut seien die Folgen des Angriffs gewesen.
Angeklagter sagt, er musste sich verteidigen
Der Angeklagte schilderte den Tattag über einen Dolmetscher etwas anders. Er sei in der Küche auf den Geschädigten getroffen und habe ihn höflich gefragt, ob jemand nach ihm gefragt habe. Der Geschädigte habe daraufhin geantwortet, dass er nicht sein Aufpasser sei. Zudem soll er den Angeklagten zuerst als Idioten bezeichnet und ihm dann mit einem Mörser auf den Kopf geschlagen haben.
„Ich konnte mich nur wehren“, sagte er. Anschließend sei es zu einer Rangelei gekommen. Verletzt habe der Angeklagte den Beschädigten nicht, höchstens eine Nasenverletzung durch einen Faustschlag zugefügt. Nach der Rangelei in der Küche habe der Geschädigte nach dem Vermieter rufen wollen und sei dafür ins Treppenhaus gegangen. Dabei habe er die Treppen übersehen und sei gestürzt.
So sieht der Geschädigte die Tat
Der Geschädigte bestätigte während seiner Aussage, dass er gekocht habe und der Angeklagte hinzugekommen sei. „Ich hatte Stress an dem Tag auf der Arbeit und wollte meine Ruhe“, sagte er. Der Angeklagte habe kochen wollen und hätte ihn dann beleidigt.
Anschließend habe der Streit angefangen und dem Geschädigten sei ins Gesicht geschlagen worden. Er warf dem Angeklagten vor, zudem etwas Spitzes, auf der einen Seite wie ein Messer, auf der anderen Seite sowas wie ein Löffel, in der Hand gehabt zu haben.
Damit habe er zugeschlagen. Dann sei der Geschädigte ins Treppenhaus gegangen, um Hilfe zu rufen und dabei sei er gestürzt. Dies habe der Angeklagte genutzt, um ihm dreimal ins Gesicht zu treten. Der Vermieter habe das zwar nicht gesehen, aber anschließend den Angeklagten zurückgehalten.
Vermieter bringt die Polizei ins Spiel
Dass er die Kampfhandlungen nicht gesehen hat, bestätigte der Vermieter und dementierte zugleich, den Angeklagten zurückgehalten zu haben. „Jemand hat mit einer grässlichen Stimme nach Hilfe gerufen“, sagte er.
Er habe dann alle vor das Haus gebeten. Seine Tochter habe währenddessen die Polizei gerufen. In der besagten Küche habe er später Blutspritzer gesehen. Im Treppenhaus habe der Angeklagte mit einem dort liegenden T-Shirt Blutspuren aufgewischt. Mit dem schon erwähnten Mörser sei der Angeklagte irgendwann rausgekommen. Der Vermieter bestätigte, dass auch auf diesem Blut zu sehen war.
Beamte bringen wenig Aufschluss
Ein Polizist, der vor Ort im Einsatz war, erinnerte sich bei seiner Vernehmung nicht mehr gut an den Einsatz. Der Geschädigte habe wenig geredet und sei schnell mit einem Rettungswagen weggebracht worden. Der Beamte meinte, dass der Angeklagte davon berichtet habe, ebenfalls geschlagen worden zu sein.
Am Kopf des Angeklagten habe die Polizei aber keine Platz- oder Schürfwunde feststellen können. Der Polizeibeamte, der die Ermittlungen geleitet hatte, war am Tattag selbst nicht vor Ort. Er sagte vor Gericht, dass viele Beweise gesammelt wurden. Bilder seien aber von zu weit weg gemacht worden, außerdem habe man weder Schuhe noch das T-Shirt aus dem Flur gesichert.
Der Geschädigte habe im Nachgang zuerst nichts sagen wollen. Auch der Frage nach dem spitzen Gegenstand seien die Beamten nicht nachgegangen. „Die Aufklärung des Falles war insgesamt schwierig“, resümiert der Polizist.
Staatsanwaltschaft plädiert auf zwei Jahre auf Bewährung
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft begann sei Plädoyer damit, dass es die rund siebenstündige Verhandlung mit dem Wort „schwer“ ganz gut treffe. Fakt sei, dass es den Streit in der Küche gegeben habe und der Geschädigte anschließend rausgegangen sei. Den Sturz hätten auch beide bestätigt. Blutspritzer auf der Hose des Angeklagten seien ebenfalls ein schlüssiges Indiz für den Tritt.
Zulasten des Angeklagten wertete er ebenfalls Vorstrafen und eine laufende Bewährung wegen Körperverletzung. Unter Einbeziehung eines Strafbefehls des Amtsgericht Radolfzell wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln, beantragte er eine zweijährige Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. „Lassen Sie sich das ein letztes Mal eine Lehre sein“, sagte er zum Angeklagten.
Verteidiger fordert Freispruch
Der Verteidiger Bernd Rudolph bemängelte in seinem Schlussvortrag die ungenügenden Ermittlungen. „Die Ermittlungsfehler können wir nicht mit den Zeugenaussagen ausgleichen“, so Rudolph.
Der Anfangspunkt sei die Störung in der Küche gewesen. Ein Attest über die Verletzungen des Geschädigten sei bei der Polizei erst nach der Vernehmung eingereicht worden. Zudem blieben Zweifel in seiner Darstellung. Er beantragte deshalb einen Freispruch nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.
Das Urteil
Richterin Julia Elsner verurteilte den 23-Jährigen zu der Haftstrafe: Ein Jahr und sechs Monate wegen der Tat, zwei Wochen zusätzlich wegen dem Strafbefehl des Amtsgericht Radolfzell. Zusätzlich muss er 2000 Euro Schmerzensgeld an den Geschädigten zahlen.
Elsner hielt den Streit in der Küche für bewiesen, ebenfalls die Schläge und den Sturz des Geschädigten. „Er hat glaubhaft vom Erlebten berichtet. Es wäre fernliegend, wenn er jemanden durch seine Aussage, in der er ohne zu fragen nachteilig über sich berichtete, was in die Schuhe schieben möchte“, so die Richterin. Bewährung sei wegen den Vorstrafen und einer Straftat nach diesem Vergehen nicht möglich gewesen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Verteidigung Berufung eingelegt hat, wie eine Nachfrage beim Gericht ergeben hat.