Zugegeben: Ein bundesweit ausstrahlendes Amt hat Cem Özdemir nicht – zumindest nicht im Moment. Doch von diesem Kriterium sollte man sich nicht allzu sehr beeindrucken lassen, wenn es um den Promi-Status des diesjährigen Beklagten geht. Denn Özdemir dürfte auch ohne Regierungsamt vielen Menschen eher ein Begriff sein als manch ein amtierender Minister. Ein Promi ohne Amt gewissermaßen.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass Özdemir in vielen Dingen der Erste war – vor allem im Hinblick auf seine Politiklaufbahn. Die Eltern waren Gastarbeiter, der Sohn wurde erster Bundestagsabgeordneter türkischer Herkunft und erster Bundesvorsitzender mit Migrationshintergrund für eine deutsche Partei. Und er war einer der ersten, die an Grün-Schwarz bastelten – was in Baden-Württemberg auf Landesebene inzwischen Realität geworden ist. Anders als bei den meisten verläuft auch Özdemirs Bildungs- und Berufsweg: Von der Hauptschule zum Hochschulabschluss, als Mann wird er Erzieher in einer Zeit, in der das noch weniger selbstverständlich war als heute. Özdemir verkörpert viele Widersprüche, und das hat auch damit zu tun, dass er ein Zweite-Generation-Einwanderer ist. Allein durch diese Lebensgeschichte wird die Person Özdemir schon relevant.

Und fasnachtserprobt ist der Mann auch noch: Auf seiner Internetseite finden sich Bilder vom kleinen Cem im Kostüm. Vor fünf Jahren war er schon einmal in Stockach, als Zeuge der Verteidigung. Und die goldene Narrenschelle der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), in der das Stockacher Narrengericht organisiert ist, hat er auch schon.

Özdemir ist eine spannende Wahl. Wer bei der Verhandlung des Narrengerichts nur Interesse zeigt, wenn ein amtierender Bundesminister in die Mangel genommen wird, der wird in diesem Jahr nicht auf seine Kosten kommen. Wer sich auf einen Fasnachtsabend mit einem interessanten Gast freut, hingegen umso mehr. Und wer weiß: Mit Özdemir sollte man immer rechnen – das hat die Vergangenheit gezeigt.