Es sind echte närrische Kostbarkeiten, die Franziska Dold liebevoll ausgestellt hat. Abzeichen des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts für außergewöhnliche, goldene Laufnarrenehren, seltene Plaketten aus Plastik von Gerichtsverhandlungen längst vergangener Zeiten. Etwa jene aus dem Jahr 1979, als der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß in Stocken vor dem Narrengericht polterte. Unvergessene Momente. Devotionalien, teils mehr als 50 Jahre alt und gehütet wie ein kostbarer Schatz, im Wohnzimmer der gebürtigen Stockacherin. Drum herum: Mini-Figuren der Stockacher Fasnetgruppierungen.
In Franziska Dold wallt in diesen närrischen Tagen das Narrenblut. Ihr einziges Manko: Es wallt rund zwei Autostunden von ihrer Heimat entfernt, in Lahr am Fuße des Schwarzwalds im Rheintal. Zu weit für die bald 70-Jährige, um schnell mal gen Stocken zu fahren und dort die Fasnacht mitzufeiern. „So gern ich jetzt dort wäre, es geht einfach nicht“, seufzt sie und blickt auf ihren ganz persönlichen Narrenbaum, der in ihrem Wohnzimmer steht.
Der ist längst nicht so hoch wie das Original in der Stockacher Hauptstraße und hat auch keinen Dolden. Doch dafür ist der Lahrer Baum kunstvoll geschnitzt, aus einem Birnbaum aus dem Garten der Familie Dold. Das ganze Jahr über steht die Skulptur in der Wohnzimmerecke. Doch an der Fasnacht bekommt sie kostbaren Schmuck: eben jene Plaketten, Wimpel und Auszeichnungen, die ihr Vater vor Jahrzehnten vom Narrengericht erhielt. Es war einer der berühmtesten Stockacher: Bürgermeister Alois Deufel, der von 1948 bis 1969 die Geschicke der Stadt lenkte, 23 Jahre lang.
„So ein echter Vollblutnarr war er nicht“, gesteht seine Tochter. Doch er habe das Narrengericht in Stockach stets unterstützt. Deufel war auch nach dem Zweiten Weltkrieg der Erste, der nach langen Jahren Zwangspause im Dritten Reich zum Stockacher Laufnarr geschlagen wurde, erzählt Tochter Franziska Dold nicht ohne Stolz. 1948 war das.
Wer sich mit ihr unterhält, sollte Zeit mitbringen. Blättert sie in Fotoalben und Narrenbüchern, blüht die heutige Lahrerin auf. „Das waren tolle Zeiten, als wir noch jung waren. Riesige Gruppen beim Schnurren, wundervolle Umzüge in Rißtorf, das werde ich nie vergessen“, schwärmt sie. 1979 zog sie zu ihrem Mann Rüdiger nach Lahr, der Liebe wegen hatte die Krankenschwester damals die südbadische Heimat verlassen.
Zwei, drei Mal im Jahr ist sie heute noch in der alten Heimat, pflegt das Grab der Eltern auf Loreto und besucht ihren Bruder, Bernhard „Barni“ Deufel. Auch was in Stocken kulturell läuft, verfolgt sie interessiert. Und doch gibt es einen Herzenswunsch, den sie sich noch erfüllen möchte: „Ich war noch nie am Laetaresonntag beim Narrenbaumfällen. Da muss ich noch unbedingt hin!“ Vielleicht klappe es in diesem Jahr, meint Franziska Dold und schaut mit einem Lächeln auf ihren Ehrenorden-Narrenbaum.
Jörg Braun ist ehemaliger Leiter der SÜDKURIER-Lokalredaktion Stockach. Nach weiteren Stationen beim SÜDKURIER und der Stockacher Stadtverwaltung ist er derzeit Redaktionsleiter bei der Lahrer Zeitung.