Das Motto für die Dreikönigssitzung des Stockacher Narrengerichts kam harmlos daher: Damenkränzchen. Doch das war reichlich untertrieben. Denn beim närrisch-politischen Spätschoppen ging es auch ans Eingemachte. Das Motto des Abends bezog sich auf zwei Hauptbeiträge: Der politische kam von der Landtagsabgeordneten Nese Erikli (Grüne), der närrische vom Eierwieb der Singener Poppele-Zunft samt der A cappella-Gruppe „Die dramatischen Vier“. Doch Narrenrichter Jürgen Koterzyna machte gleich in der Begrüßung klar: „Frauen an die Macht – so weit soll es nicht gehen.“

Das könnte Sie auch interessieren

Dass die Frage nach Frauen in der Stockacher Fasnacht nach wie vor nicht endgültig beantwortet ist, zeigte ein Mann, nämlich Thomas Warndorf. Der ehemalige Kläger und Archivar des Narrengerichts, der mittlerweile Alt-Gerichtsnarr ist, stellte vertretungsweise das Titelblatt des Narrenbuches für 2020 vor, das von der Singener Künstlerin Iti Janz stammt und den Titel „Der Traum des Kuony“ trägt. Darauf zu sehen: drei Närrinnen, die vor der Kulisse der St. Oswald-Kirche auf einem Fabelwesen reiten. Und zwar eine Alt-Stockacherin, eine Marketenderin und eine Gerichtsnärrin. Letztere gibt es in der Wirklichkeit bekanntlich nicht.

Kuonys Traum: Thomas Warndorf präsentiert das Titelblatt des Narrenbuches für 2020, das von der Singener Künstlerin Iti Janz gestaltet ...
Kuonys Traum: Thomas Warndorf präsentiert das Titelblatt des Narrenbuches für 2020, das von der Singener Künstlerin Iti Janz gestaltet wurde. | Bild: Freißmann, Stephan

Dazu präsentierte Warndorf einen Nachtrag zu einem Protokoll vom März 1960, in dem es um Ehrungen für Frauen ging. Zehn Gerichtsnarren seien damals dafür gewesen, dass das Narrengericht eigene Ehrungen an Frauen vergebe, sieben dagegen, unterzeichnet vom damaligen Narrenrichter Friedrich Dandler. Warndorf: „Das wurde offiziell angenommen und nie widerrufen.“ Koterzyna konterte, dass es im Narrengericht weiterhin nur Männer geben soll, damit der Traum nicht zum Albtraum werde – ob für Männer oder Frauen, blieb offen.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch Nese Erikli spielte in ihrem Vortrag die Geschlechterkarte. Angesichts der Truppe von Gerichtsnarren fühle sie sich wie im Vatikan – es sehe nur niemand aus wie der Papst. Sie blickte auf Stockach als gefährliches Pflaster. Schließlich sei für Annegret Kramp-Karrenbauer alles wunderbar gelaufen, bevor sie in Stockach zu Gast gewesen sei. Und Erikli freute sich, dass sie nun den Wein trinken darf, den ihr Parteifreund Ministerpräsident Winfried Kretschmann bezahlen musste.

Politischer Beitrag: Landtagsabgeordnete Nese Erikli (Grüne).
Politischer Beitrag: Landtagsabgeordnete Nese Erikli (Grüne). | Bild: Freißmann, Stephan

„Die dramatischen Vier“, die aus fünf Sängern bestehen, bezogen sich mit einem Mitsänger, dem Singener Eierwieb, auf das Motto Damenkränzchen. Unter dem Kostüm steckt natürlich ein Mann, nämlich Uwe Seeberger, der die Singener Fasnachtsfigur verkörpert. Mit ihrem astreinen A cappella-Gesang begeisterten die fünf zu vorgerückter Stunde das Publikum – etwa mit dem Lied über den Hunger am späten Abend, dem am besten mit einem „Spiegelei auf‘m Teller“, so der Titel, beizukommen sei.

Voll besetzt: Der Saal des Bürgerhauses Adler Post.
Voll besetzt: Der Saal des Bürgerhauses Adler Post. | Bild: Freißmann, Stephan

Und dann gab es noch Ehrungen. Der frühere Konstanzer Landrat Frank Hämmerle bekam eine ganz besondere Auszeichnung verliehen. Er wurde Ehrenlaufnarr, eine Ehrung die zuvor nur fünfmal vergeben worden sei, so Narrenrichter Koterzyna – zuletzt vor 26 Jahren an Stockachs Alt-Bürgermeister und Ehrenbürger Franz Ziwey. Dieser blickte in seiner Laudatio auf Hämmerles erste Wahl zum Landrat im Jahr 1997 zurück, die er als Kreistagsmitglied erlebte. Und er würdigte Hämmerle als jemanden, der unbezahlte Ehrenämter gleich haufenweise habe.

Ehrung: der frühere Landrat des Kreises Konstanz, Frank Hämmerle.
Ehrung: der frühere Landrat des Kreises Konstanz, Frank Hämmerle. | Bild: Freißmann, Stephan

Der so Geehrte freute sich, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Auszeichnung als Ehrenlaufnarr rechnerisch nur alle 133 Jahre verliehen werde – und er sie schon 26 Jahre nach der vorigen Ehrung bekomme. Die Fasnacht sei ihm nicht in die Wiege gelegt worden, so Hämmerle, der in Tübingen aufgewachsen ist – und zwar in der „pietistischen Hardcore-Variante“, wie er es formulierte. Doch es sei auch die Fasnacht gewesen, die ihn für die Region am Bodensee eingenommen habe (Berichte über weitere Ehrungen folgen).

Wer wird es? Fürsprech Michael Nadig (links) und Kläger Wolfgang Reuther sagen an, wer der Beklagte 2020 wird.
Wer wird es? Fürsprech Michael Nadig (links) und Kläger Wolfgang Reuther sagen an, wer der Beklagte 2020 wird. | Bild: Freißmann, Stephan