Es gibt Nachrichten, die verdienen die Bewertung als Paukenschlag. Ein solcher ist dem Stockacher Narrengericht mit der Meldung gelungen, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Zeuge zur Verhandlung erscheinen wird. Damit erhöht sich der Promi-Faktor bei der diesjährigen Ausgabe des schwäbisch-alemannischen Fasnachts-Flaggschiffs sprunghaft. Außergewöhnlich ist auch, dass der Zeuge, zumindest vom offiziellen Standpunkt her gesehen, einen höheren Rang einnimmt als der Beklagte. Ein amtierender Ministerpräsident soll einen Bundestagsabgeordneten entlasten – wenn das nichts ist.
Diese Konstellation bietet gleichzeitig Raum, die Fasnacht auszuleben. Denn dem immateriellen Kulturerbe wird gemeinhin die Funktion zugesprochen, hergebrachte Hierarchien umzukehren. Einen Politiker nun gegen die Unterstützung des amtierenden Landesvaters zu einer Weinstrafe zu verurteilen – das dürfte diese Funktion ziemlich treffsicher erfüllen.
Man kann diese Nachricht aber auch so deuten: Die Grünen sind endgültig im politischen Mainstream angekommen. Denn das Narrengericht von Stockach, einer stark von der CDU geprägten Stadt, lädt nun mit Cem Özdemir nicht nur seinen vierten Grünen-Beklagten vor, sondern bringt Partei-Prominenz gleich im Doppelpack auf die Bühne der Jahnhalle. Dabei hatte die CDU im historischen Rückblick ein starkes Übergewicht bei den Parteizugehörigkeiten der Beklagten. Offenbar ist in dieser Hinsicht etwas in Bewegung gekommen.