Dass sich die Stockacher Gerichtsnarren für ihre diesjährige Narrengerichtsverhandlung warm anziehen müssen, war angesichts der Beklagten, die sie nach Stockach zitiert haben, von vornherein klar. Schließlich ist die CDU-Bundesschatzmeisterin Julia Klöckner nicht nur seit jeher eine Verfechterin der Frauenquote. Sie hat auch in ihrer bisherigen politischen Laufbahn bewiesen, dass sie mitunter kein Blatt vor den Mund nimmt und die Kontroverse nicht scheut.
Kein Wunder ging es der Männerwirtschaft des Narrengerichts am Donnerstagabend an den Hermelinkragen. Am Ende tönten Freispruch-Rufe zahlreicher Zuschauerinnen durch die Jahnhalle und Fürsprech Christoph Stetter musste für seine Bühnenpremiere in dieser Rolle eine Ordnungsstrafe hinnehmen.
Männer müssen ganz schön viel einstecken
Ganz ungestraft kam die Beklagte allerdings nicht davon. Gleich zu Beginn ihrer Verteidigung ging Klöckner in den Angriffsmodus über, als sie die Narren mit hohes „grobschlächtiges, äh -günstiges Gericht“ ansprach. Sofort stellte sie klar, dass sie sich keiner Schuld bewusst sei. Der Vorladung des Narrengerichts sei sie dennoch gerne gefolgt. „Ich bin schon immer gerne ins Museum gegangen“, so Klöckner, doch der Eindruck täusche: „Auch wenn die meisten Gerichtsnarren so aussehen, als wären sie seit 1351 dabei, sind sie nicht ausgestopft. Die wirken nur so.“
Einen Weinkeller füllt man nicht mit Wegelagerei
Als Grund für ihre Vorladung habe sie nur eine einzige Erklärung. Die Narren müssen erfahren haben, dass sie von einem Weingut stamme. Demnach sei die Anklage in erster Linie dem Füllstand des Weinkellers geschuldet. „Aber als Winzertochter, die mit der Flasche groß geworden ist, weiß ich, dass man einen Weinkeller mit ehrlicher, anstrengender Arbeit füllt, und nicht mit Strafzöllen und Wegelagerei“, so Klöckner.

Dem Narrengericht attestierte sie einen eklatanten Reformstau seit dem Mittelalter. „Die Frauenquote liegt bei 0,0 Prozent. Irgendwas stimmt mit euch nicht“, so Klöckner. Das einzige, bei dem dieses Gremium überdurchschnittlich sei, sei beim Weinkonsum und beim Alter, spottete sie.
Auf den Vorwurf von Kläger Michael Nadig, sie habe ihren ersten Einzug in den Bundestag lediglich einem guten Platz auf der CDU-Landesliste zu verdanken, entgegnete sie, dass sie als Direktkandidatin gewählt sei. „Ich habe mehr Prozent als ihr Promille“, so Klöckner.
„Wo kommen die Hermelinkrägen her?“
Zum Vorwurf, dass sie sich in Ihrer Zeit als Bundeslandwirtschaftsministerin der Tierquälerei schuldig gemacht habe, weil sie sich gegen eine schmerzfreie Kastration von männlichen Ferkeln gestellt habe, erklärte sie, dass es sich dabei um eine Falschinformation handle. „Aber wer aus dem Mittelalter kommt, kann nunmal nicht im Internet nachrecherchieren“, sagte sie mit Blick auf Kläger Michael Nadig und drehte den Spieß gleich noch um: „Wo kommen eigentlich diese schönen Hermelinkrägen her? Die armen kleinen Tierchen. Die Anklage müsst ihr zurücknehmen.“
Auch zum Vorwurf, dass es ein Fehler von ihr gewesen sei, den Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat nicht zu verbieten, hatte sie einen Konter parat: „Lieber Obst vom Bodensee als Obst von Übersee“, skandierte sie und fügte hinzu: „Bio ist für dieses Gericht sowieso nichts. Die brauchen alle Konservierungsstoffe, die sie bekommen können.“
Einen Vorwurf konnte sie sogar durch ein praktisches Beispiel aus der Welt schaffen: Sie sei keine Politikerin, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Narrenrichter Jürgen Koterzyna reichte der Beklagten zur Beweisführung ihre Querflöte. Der Schneewalzer klappte zwar nicht im ersten Anlauf, aber kaum war das Instrument warmgespielt, schunkelten auch schon die Besucher in der Jahnhalle und die Hans-Kuony-Kapelle stimmte mit ein.

Auch politische Mitbewerber kommen nicht ungeschoren davon
Doch nicht nur die Gerichtsnarren waren im Fokus von Klöckners Angriffslust, auch ihre politischen Mitbewerber nahm die CDU-Frau aufs Korn. So etwa den Beklagten aus dem vergangenen Jahr, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. „Wenn der Gesundheitsminister ist, will ich mir gar nicht den Krankheitsminister vorstellen“, erklärte sie und fügte hinzu: „Cannabis-Karl hätte sich, anstatt die Legalisierung von Gras voranzubringen, besser darum gekümmert, dass das Stockacher Krankenhaus nicht ins Gras beißt.“
Immerhin, ihr gehe es mit der Vorladung vor das Narrengericht noch gut. „Friedrich Merz musste heute zur SPD, ich nur nach Stockach. Da ist es fraglich, was schlimmer ist“, scherzte sie. Merz, der bereits im Jahr 2004 als Beklagter vor dem Narrengericht gestanden hat und seitdem Stockacher Laufnarr ist, habe ihr aber zumindest noch einige Tipps mit auf den Weg nach Stockach gegeben. „Julia, trink vorher was, geh nicht nüchtern auf die Bühne. Augenhöhe ist wichtig“, habe er ihr gesagt.