Arthur Metzger aus Nenzingen hat der Redaktion seine Erinnerungen zur Schließung der KHD Gießerei Fahr in Stockach im Artikel schriftlich zusammengefasst. Der 93-Jährige widerspricht der knappen Zusammenfassung des Zeitzeugen Oskar Seliger zur Rolle des Betriebsrats beziehungsweise ergänzt diese:

Eigentlich erinnere ich mich nur ungern an die Vorgänge, die zur Schließung der 93 Jahre alten Fahr Gießerei Stockach zum 31.12.1984 führten. In oben genanntem Bericht hat sich auch Oskar Seliger zu Wort gemeldet.

Seiner Meinung nach wären die Pläne und angedachten Neuinvestitionen ein Hoffnungsschimmer gewesen, dass der Betrieb weitergeführt würde. „Aber der Betriebsrat hätte dann in einer Nachtsitzung den Sozialplan abgelehnt.“ (Zitat aus dem Artikel) Für den Außenstehenden ist damit klar, wer Schuldiger und Verantwortlicher für das Aus der Gießerei war: der Betriebsrat.

Doch diese auf den kleinsten Nenner gebrachte, vereinfachte Darstellung kann ich als ehemaliger Betriebsrat und Mitglied des KHD-Gesamtbetriebsrat und der Verhandlungskommission nicht unwidersprochen stehen lassen.

Arthur Metzger, Betriebsratsmitglied bei der KHD Gießerei Fahr in Stockach, die 1984 geschlossen wurde.
Arthur Metzger, Betriebsratsmitglied bei der KHD Gießerei Fahr in Stockach, die 1984 geschlossen wurde. | Bild: Löffler, Ramona

Bedauerlich ist: Seliger wusste doch, wie der Betriebsrat unter Abwägung aller Vereinbarungen zwischen KHD und dem Schweizer Unternehmer Jung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln um den Erhalt des Betriebes gerungen bzw. sich dafür eingesetzt hat! Unterstützt wurde er dabei auch von Stockachs Bürgermeister Herr Ziwey und insbesondere vom kämpferischen Landrat Dr. Maus.

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Fakt war doch: Jungs radikales Sanierungskonzept stand von Anfang an auf wackelndem Fundament. Anfangs wollte er noch 247 Mitarbeiter übernehmen. Dann wurden wir – Klink, Städele und der Unterzeichner – ein paar Tage später am 22.05.1984 in Köln vom KHD-Vorstand informiert, dass nur noch 190 Mitarbeiter eine Chance auf Weiterbeschäftigung hätten. Auch diese Zahl hatte nur kurzfristig Bestand.

Denn in der gemeinsamen Sitzung am 12.06.1984 in Stockach zwischen KHD-Vorstandsmitgliedern und Jung einerseits, dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats, Bleffert, und Rheinberger von der IG-Metall andererseits, in der es hart zur Sache ging, nannte Jung nur noch die Zahl 120, die er beschäftigen könne. Bei dieser Sitzung, in der es um Alles oder Nichts ging, war auch Bürgermeister Ziwey zugegen, der auch kritisch beide Seiten zur Sachlichkeit ermahnte. Der ebenfalls eingeladene Landrat Dr. Maus war leider dienstlich verhindert.

Streitpunkt zwischen KHD und Jung war auch der Sozialplan. KHD vertrat den Standpunkt: Mit dem Verkauf der Gießerei gehen auch alle Rechte und Pflichten auf den neuen Inhaber über. Jung gab ehrlich und freimütig zu, dass sein Sozialplan, den er mit 2,2 Millionen D-Mark bezifferte, aufgrund anderer Liquidations­schwierigkeiten keine Erhöhung mehr zulasse. Von seiner Bank bekäme er keine Kredite mehr.

Ein Blick auf das Fahr-Areal, vermutlich vom ZG-Turmgebäude aus. Links im Hintergrund ist der Bereich des Bahnhofs zu sehen. Das Bild ...
Ein Blick auf das Fahr-Areal, vermutlich vom ZG-Turmgebäude aus. Links im Hintergrund ist der Bereich des Bahnhofs zu sehen. Das Bild entstand im Juli 1985. | Bild: SK-Archiv

Deshalb war er der Meinung, KHD könne auch noch etwas dazu tun, was der Konzern aber strikt ablehnte. Somit hätten Fahr-KHD-Mitarbeiter mit über 40 Dienstjahren mit einem Abfindungsbetrag von höchstens 20.000 D-Mark (10.000 Euro) rechnen können.

Zuversichtliche, selbstbewusste und vertrauenswürdige Käufer treten anders auf. Diese Einsicht hatte sich offensichtlich auch bei Jung durchgesetzt. Denn kurz vor seinem Entscheidungstermin über „Ja“ oder „Nein“ am 22.06.1984 kam er unverhofft und unangemeldet zu uns ins Büro des Betriebsrats und erklärte freimütig und offen, dass er sein Sanierungskonzept weder technisch noch finanziell durchführen könne.

Fachleute hätten ihm vom Kauf der veralteten Gießerei Stockach von vornherein eindringlich abgeraten. Damit war das Schicksal der Gießerei besiegelt. Und alle davon Betroffenen mit ihren Familien mussten mit ihren Sorgen und Problemen selbst fertig werden.

Dieses Bild entstand Anfang der 80er-Jahre. Links Fahr Landmaschinen und weiter hinten rechts steht auf der Front Fahr Sphäroguss.
Dieses Bild entstand Anfang der 80er-Jahre. Links Fahr Landmaschinen und weiter hinten rechts steht auf der Front Fahr Sphäroguss. | Bild: SK-Archiv

Die Krise übrigens der einst stolzen Fahr Gießerei – die 1952 als eine der ersten in ganz Deutschland überhaupt den neuen qualitativ hochwertigen Sphäroguss auf den Markt brachte – begann bereits 1978/79 mit der Eingliederung in den KHD-Gießereiverbund. Damit hatte der Konzern drei Gießereien, wovon eigentlich zwei die gesamte Produktion hätten fertigen können. Folglich war eine zu viel! Wenn wundert es da, dass man Stockach mit Neuinvestitionen schon ab 1979 hängen ließ?

Die daraus entstandene teilweise überzogene Konfrontation, die Vorwürfe und Schuldzuweisungen seitens der Gewerkschaft in Richtung Köln – anstelle einer sachlichen Auseinandersetzung – haben das Desinteresse im KHD-Vorstand am Standort Stockach und dessen Ende (1984) nur noch beschleunigt.

Arthur Metzger, 93, Nenzingen

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