Es fühlt sich an wie ein Wadenkrampf, der nicht mehr aufhört. So beschreibt Hellmuth Hannemann aus Stockach seine Schmerzen. Seit seiner Kindheit sind die Auswirkungen seiner spastischen Lähmung sein täglicher Begleiter. Im Sommer vergangenen Jahres wollte der 71-Jährige in der Volksbank in der Schillerstraße in Stockach Geld abheben – und scheiterte, wie er sagt. An die unteren Tasten kam er ran, aber der große Bildschirm für die weitere Bedienung war für ihn unerreichbar. Ein Missstand, den er kritisiert. Und ein Punkt, an dem nachgebessert wurde.
Erst seit drei Wochen könne er nun allein – trotz elektrischen Rollstuhls – am Automaten sein Geld abheben und müsse nicht mehr an den Schalter. „Ich bin sehr dankbar, dass der Automat umgebaut wurde. Das ist nicht selbstverständlich.“
Nach zehn Jahren wird ein Geldautomat erneuert
Wie ein Mitarbeiter der Volksbank-Filiale erklärt, sei nach zehn Jahren die Nutzungsdauer eines Automaten erreicht. Nach diesem Turnus werden dann die Automaten auf die neueste Technik umgestellt. Das war auch beim Geldautomaten in der Schillerstraße der Fall, wie der Bankmitarbeiter erzählte. Mittlerweile sei der Zugang barrierefreier als vorher, mit einstellbarem Bildschirm und kontaktlosem Geldabheben.
Auch die Automaten und der Zugang zur benachbarten Sparkassen-Filiale sei „für Menschen mit einem Handicap gut erreichbar“, wie die Sparkasse auf Nachfrage mitteilt.
36 Jahre Einsatz, damit jeder Zugang hat
Hannemann freut sich über das zunehmende Bewusstsein für Barrierefreiheit. Der gebürtige Oberpfälzer hat bereits selbst in seinem Leben so manches angestoßen und damit die Teilhabe am Leben für Menschen mit einer Behinderung einfacher gestaltet.
Wer in Stockach über die abgesenkten Gehwege schlendert, wird kaum daran denken, dass dahinter unter anderem auch Hannemanns Bestreben steckte, die Stadt behindertengerechter zu gestalten. Als Vorsitzender des Ortsverbandes des Sozialverbands Deutschland von 1978 bis 2014 engagierte er sich 36 Jahre für die Belange der Menschen mit Behinderung im Landkreis Konstanz. Wie er erzählt, seien verschiedene Behindertenparkplätze – unter anderem in der Goethestraße oder in Zoznegger Straße – durch sein Hinwirken eingerichtet worden.
Aufzug, Toiletten und Bushaltestellen: So wird Stockach barrierefreier
Auf Nachfrage, wie es um die Barrierefreiheit steht, teilte die Stadt mit, dass bereits zahlreiche Maßnahmen umgesetzt wurden, um den Bürgern den Zugang zu städtischen Einrichtungen zu erleichtern. „Barrierefreiheit endet nicht bei baulichen Maßnahmen. Die Stadtverwaltung setzt auch auf digitale Zugänglichkeit“, wie die Pressesprecherin angemerkt. So sei die Informationen auf der städtischen Webseite mehrsprachig, in leichter Sprache und in Gebärdensprache verfügbar.
Weitere Verbesserungen, um die Stadt barrierefreier zu gestalten, sind unter anderem ein besserer Zugang zu den Toilettenanlagen im Rathaus, mehrere Bushaltestellen, darunter die Haltestelle am Stadtwall und in Hindelwangen. Ein weiterer Schritt Richtung Inklusion sei mit der Sanierung der städtischen Musikschule geplant, wie die Sprecherin mitteilt. Dort soll ein Fahrstuhl den Besuchern ermöglichen, „die Räumlichkeiten bequem zu erreichen“, wie die Stadt anmerkt.