Eigentlich sollten an diesem August-Tag drei Angeklagte im Verhandlungssaal des Stockach Amtsgerichts sitzen. Doch es erschienen nur zwei – ein Ehepaar, das seit 2018 in Deutschland lebt. Ein dritter Mann hatte sich bereits kurz nach den Taten in sein Heimatland abgesetzt, wie sich zu Beginn der Verhandlung herausstellte.

Gegen einen weiteren Mann, einen Verwandten, war das Verfahren erst gar nicht eröffnet worden. Trotzdem spielten beide Männer in der Verhandlung wegen mehreren Fällen von Diebstahls eine Rolle.

Diese Konstellation war bereits ungewöhnlich – und die Überraschungen oder auch Verwirrungen wollten in der rund sechsstündigen Verhandlung kein Ende nehmen. Die Verständigung war nur über eine Dolmetscherin möglich, was es für alle Beteiligten mühsam machte.

Der Gerichtssaal im Stockacher Amtsgericht.
Der Gerichtssaal im Stockacher Amtsgericht. | Bild: Dominique Hahn

Mehrere Diebstähle in kurzer Folge

Der angeklagte 37 Jahre alte Ehemann saß mit einem Anwalt im Saal. Seine 38-jährige Frau hatte dagegen keinen Rechtsbeistand. Beide sowie der geflohene Dritte sollen laut Staatsanwaltschaft im Februar 2021 an fünf Tagen in verschiedener Kombination in einem Supermarkt in Stockach hochwertige Alkoholika sowie Drogerieartikel gestohlen haben. Mal war der Mann mit der Frau unterwegs, mal waren die beiden Männer gemeinsam auf Diebestour.

Der Staatsanwaltschaft verlas die Liste der Tage, jeweiligen Beute und deren Werten. „Alle drei wollten sich damit eine Einkommensquelle verschaffen“, lautete der Vorwurf. Es handle sich um gewerbsmäßigen Diebstahl. Der Frau und dem Mann wurden jeweils zwei Fälle vorgeworfen. Der verschwundene Dritte hatte noch mehr auf dem Kerbholz.

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Jeweils drei Vorstrafen wegen Diebstahls

Das Ehepaar, das fünf gemeinsame Kinder hat, kam bereits 2019 und 2020 mit dem Gesetz in Konflikt. Beide sind dreifach wegen Diebstahls vorbestraft. Die nun angeklagten Taten im Februar 2021 konnten durch Aufnahmen der Überwachungskameras nachgewiesen werden. Außerdem sagten zwei Polizisten aus.

Die beiden Angeklagten zeigten sich offen und verschlossen zugleich. Sie gaben die Taten zu, entschuldigten sich, gaben jedoch auch vor, den anderen Mann auf den Videos nicht zu erkennen. „Es tut mir Leid. Was soll ich sagen? So ist es halt“, übersetzte die Dolmetscherin die Worte der 38-Jährigen.

Der Mann legte ebenfalls ein Geständnis ab, verwies jedoch auf den geflohenen Verwandten: „Ich habe den Fehler gemacht, dass ich mit ihm in den Laden bin. Ich wusste, dass er ein Dieb ist.“

Überwachungsvideos zeigen die Taten

Auf einem Video war zum Beispiel zu sehen, wie die Frau teure Alkoholflaschen aus einem Regal direkt in eine große Handtasche in ihrem Einkaufswagen steckte. Der Alkohol sei für den Eigenbedarf gewesen, gab sie an. „Was hätten wir sonst damit machen können?“

Genau das bezweifelte der Staatsanwalt, der von „erheblichen Mengen an Alkohol“ sprach, die zwar gestohlen worden seien, aber bei der Durchsuchung wenige Tage nach den Taten nicht mehr gefunden worden seien.

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Was war gekauft und was gestohlen?

Die Polizei hatte bei einer Wohnungsdurchsuchung viel Alkohol, Zigaretten, diverser Rasierer in Originalverpackung, verpackte Kinderkleidung und zahlreiche Erwachsenen-Kleidungsstücke mit Etiketten gefunden. Richterin Julia Elsner hakte bei der langen Liste an Gegenständen genau nach. Über den Monitor ging sie die Liste mit den Angeklagten durch, damit diese sagen konnten, ob das ihnen gehört oder nicht.

Dabei ging es auch um die Frage, welche Sachen dem verschwundenen Mann gehören. Denn das Ehepaar gab mehrfach an, für ihn maßgefertigte Kleidung aufbewahrt zu haben. Einzig die Kinderkleidung habe sie immer wieder mal für ihre jüngste Tochter auf Vorrat gekauft, erklärte die fünffache Mutter. Alle anderen Sachen würden dem Verwandten gehören.

Die Frau verstrickte sich bei den Antworten in Widersprüche: Es seien Weihnachtsgeschenke gewesen, doch die Taten waren im Februar. Ihr Ehemann ordnete acht Rasierer als Geschenke für männliche Verwandte im Ausland ein. Die habe er gekauft und nicht gestohlen, betonte er.

Warum die Polizei so viel beschlagnahmt hat

Zwei Polizisten schilderten die Durchsuchung und Ermittlung samt Verhältnissen in dem Mehrfamilienhaus. Einer der Beamten erklärte, es seien die neuen Sachen, die verpackt waren oder Preisschilder hatten, mitgenommen worden.

Auf den gezeigten Beweisfotos waren die Sachen bis zu dreistelligen Zahlen durchnummeriert. „Es war eine erhebliche Masse an Kleidung. Wir dachten, dass die Familie sich das nicht leisten kann“, sagte ein 59-jähriger Polizist. Auch der Staatsanwalt teilte diesen Gedanken.

Auf eine Rückfrage der Richterin gab der Polizist an, dass ihm keine weiteren Vorfälle mit der Familie nach dem Februar 2021 bekannt seien.

Der Gerichtssaal im Stockacher Amtsgericht.
Der Gerichtssaal im Stockacher Amtsgericht. | Bild: Dominique Hahn

Forderung nach einer Haftstrafe

Der Staatsanwalt sah in seinem Plädoyer die Anklagepunkte als dreifach bestätigt an: durch die Geständnisse, die Videos und die Zeugen. „Ich bin überzeugt, dass beide als Täter gehandelt haben“, sagte er. Der Mann habe zwar die Sachen nicht selbst eingesteckt, aber die Taten gewollt. Er sei ebenfalls überzeugt, dass die Taten als Einkommensquelle begangen worden seien. Dafür spreche auch die hohe Frequenz.

„Die Angeklagten haben nur Nachweisbares eingeräumt, nicht mehr“, betonte er. Er forderte für die Frau sechs Monate Haft und für den Mann sieben Monate, da es bei ihm um höhere Warenwerte ging. Aufgrund der Vorgeschichte sah der Staatsanwalt keine Möglichkeit für eine weitere Bewährung.

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Anwalt will Bewährung für seinen Mandaten

Der Anwalt, der nur für den Mann sprach, sah diesen nur als Helfer an. „Er hat sich der Beihilfe in zwei Fällen schuldig gemacht“, so der Verteidiger. Er kritisierte, der Staatsanwalt stelle Mutmaßungen an.

Der Verteidiger hatte auch Bedenken wegen der Einordnung als gewerbsmäßigen Diebstahl. Er wies darauf hin, dass der 37-Jährige mit seiner Vergangenheit abschließen wolle und sich dem Verfahren gestellt habe. Das gelte auch für die Frau. „Sie werden spätestens, wenn das Strafmaß verhängt wird, wissen, dass jetzt Schluss sein muss mit klauen.“ Er plädierte auf eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten.

Wie das Urteil lautet

Die Richterin sprach schließlich zwei gleiche Urteile aus: jeweils sechs Monate auf Bewährung. Die Bewährungsdauer liegt bei zwei Jahren und beide müssen jeweils 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

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