Im Arbeitsalltag sind sie Einzelkämpferinnen. Unvorhergesehene Probleme müssen sie meistern, bei Krankheit gibt es keine Vertretung und manche Entscheidung muss jede Frau alleine fällen. Margerit Haas an der Werkrealschule, Petra Brinkmann an der Realschule, Angelika Winter und Jasmin Schenk am Gymnasium sowie an der Goldäckerschule und Susanne Fricke an der Grundschule sind Schulsozialarbeiterinnen.
Die Frauen arbeiten an jeder Schule nach dem gleichen Konzept. Die Struktur ist gewachsen, dadurch hat das Team im Landkreis Konstanz ein Alleinstellungsmerkmal. Supervision, wöchentliche Team-Besprechungen mit ihrem Vorgesetzten, dem Stadtjugendpfleger Frank Dei, und Telefonate bei Bedarf helfen ihnen, sich gegenseitig fachlich fundiert zu beraten, berichten die Frauen im Gespräch mit dem SÜDKURIER über ihre Arbeit.
Schwerpunkte der Schulsozialarbeit
Großen Raum nimmt die Einzelfallhilfe ein. Schüler in Not kämen freiwillig und oft spontan. Dann muss die Schulsozialarbeiterin reagieren. Margerit Haas erzählt: „Es gibt Schüler, die man über kurz oder länger dauerhaft mit einem festen wöchentlichen Termin begleitet, damit sie Stabilität erfahren und sich wohlfühlen.“ Aus den Gesprächen ergäben sich viele Folge-Telefonate, Mails, Elterngespräche und Kontakte zu andere Fachstellen.
Die Luisenklinik Radolfzell sei ein ganz wichtiger Kooperationspartner, teilweise werde auch das Jugendamt eingeschaltet. Bei Fällen, die nicht weitervermittelt werden, muss eine Entscheidung her: Was braucht das Kind, was die Familie?
Flexibilität und Empathie sind gefordert
Der Arbeitstag sei schlecht planbar. „Wer Schulsozialarbeit macht, muss sehr flexibel sein“, betont Margerit Haas. Nie so recht zu wissen, wie der Tag wird, habe sie immer spannend gefunden. „Es kann sein, dass im Terminkalender Termine wie geplante Einzelfallgespräche und Klassenveranstaltungen notiert sind. Dann steht ein weinendes Kind vor der Tür und es kann sein, dass der gesamte Vormittagsplan gesprengt wird.“
Petra Brinkmann berichtet über Sozialtrainings in Klassen. Seit einigen Schuljahren durchlaufen alle fünften Klassen des Schulverbunds Nellenburg das Training nach dem Freiburger Konfliktkulturkonzept. „Wir gehen auch später in die Klassen, um soziale Kompetenzen und eine gute Klassengemeinschaft zu fördern und die Kinder zu schulen, wie sie sich gewaltfrei wehren und verteidigen können und gut miteinander klarkommen.“
In höheren Klassen gehe es um Mobbing-Prävention. Mediation werde auch schulübergreifend angeboten, um Konflikte am Busbahnhof oder im Bus, beim Überqueren der Schulhöfe oder in der Mensa besser zu bewältigen.
Arbeit in der Grundschule läuft anders
Susanne Fricke arbeitet an der Grundschule etwas anders. „Die Besonderheit der Freiwilligkeit ist auch hier ganz wichtig, nur mit dem Unterschied, dass Eltern von Grundschülern zeitnah Informationen brauchen, warum ein Kontakt zur Schulsozialarbeit hergestellt wurde.“ Sie führe ein oder zwei Gespräche mit den Kindern, dann hole sie die Eltern ins Boot. „Aber ich mache nichts, ohne dass das Kind es weiß. Ich sage ihm: Wenn ein Geheimnis schlechte Gefühle macht, ist es wichtig, die Eltern zu informieren“, erklärt sie.
In der ersten Klasse setze sie das Projekt „Wir sind eine Klasse“ um, wo Grundlagen nach dem Konzept der Konfliktkultur gelegt werden. In der dritten Klasse folgt ein größeres Sozialtraining, das darauf aufbaut. Fricke sagt: „Ich führe Begrifflichkeiten ein, die die Kolleginnen dann später aufgreifen können.“
Eigene Präventionsprojekte
Jede von ihnen hat ein eigenes Präventionsprojekt ins Leben gerufen. Am Gymnasium geht es um Ess-Störungen und Cyber Mobbing, beim Schulverbund finden Auftritte der Wilden Bühne zur Suchtprävention statt, außerdem Gewaltschutztraining für Mädchen, weiterführende Präventionsbausteine der Polizei und neu die Kooperation mit der Suchtberatungsstelle zu Medienkompetenzen und Spielen am Computer. Margerit Haas erzählt von einem Deutsch-Rap-Projekt in der Werkrealschule: Es gehe dabei um jugendgerechten Umgang mit der deutschen Sprache und die Stärkung der Klassengemeinschaft.
In der Grundschule hat jede Stufe ein Projekt: Die Erstklässler lernen „Die große Nein-Tonne“ kennen, mit deren Hilfe sie ihr Selbstbewusstsein stärken können. Bei den Zweitklässlern geht es bei „Be Cool“ mit Juliane Reuter um Gewaltprävention. Neu ist für Klassenstufe drei das suchtpräventive Theaterstück „@ Ed und ich“ zum Thema Computerspielsucht in der Grundschule.
Die Viertklässler sehen das Stück „Mein Körper gehört mir“. Es gibt Elternabende mit den Darstellern, damit die Eltern wissen, worum es geht und wie sie mit ihrem Kind sprechen können, um es bestmöglich zu unterstützen.
Veränderungen im Laufe der Zeit
Der Bereich Mediennutzung und Medienkonsum sei sehr gewachsen, betonen die Frauen. Die Kinder müssten den Umgang damit lernen. Angelika Winter verdeutlicht: „Wir sind mit dem Projekt gegen Cyber Mobbing bei den Zehnern gestartet, dann haben wir bei den Achtern angesetzt, jetzt schon bei den Fünftklässlern.“ Wichtig sei, immer mehr Eltern mit einzubeziehen.
Frank Dei macht deutlich: „Früher bedeutete Schulsozialarbeit an einer Schule ein Stigma. Heute ist sie ein Selbstverständnis und Qualitätsmerkmal: Wer keine Schulsozialarbeit hat, dem fehlt was.“
Umso stolzer ist er, dass sein Team schon so lange gleich geblieben ist. Um die aktuellen und kommenden Aufgaben meistern zu können, braucht die Stadtjugendpflege aber auch Partner. Dei konstatiert erfreut: „Die Wertschätzung der Schulsozialarbeit ist in Stockach sehr hoch. Viele Organisationen vor Ort finanzieren Projekte, die nicht allein durch den Etat der Stadt gezahlt werden können. Das freut uns sehr und bringt aus meiner Sicht zum Ausdruck, dass in diesem Bereich wirklich gute Arbeit geleistet wird.“