Seit Juni ist der Chefsessel im alten Forstamt in Stockach verweist, nachdem der ehemalige Kulturamtsleiter Stefan Keil als Bürgermeister in das Rathaus von Orsingen-Nenzingen umgezogen ist. Doch mit Corinna Bruggaier konnte der Gemeinderat nun vor kurzem schon eine geeignete Nachfolgerin finden (der SÜDKURIER berichtete).

Die 48-Jährige lebt seit fünf Jahren mit ihrer Familie in Stockach und mit der neuen beruflichen Herausforderung gehe für sie ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung, erzählt sie wenige Tage vor ihrem Dienstantritt im Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Ich hatte eigentlich von Anfang an ein Auge auf die Stelle im Kulturamt geworfen. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass sie irgendwann frei würde“, berichtet sie.

20 Jahre im hohen Norden

Bevor Corinna Bruggaier nach Stockach kam, habe sie 20 Jahre lang in Bremen gelebt. Gebürtig stamme sie aus dem Taunus. „Ich habe nach dem Abitur zuerst Musik studiert, aber schnell gemerkt, dass ich noch lieber hinter der Bühne bin als auf der Bühne“, sagt sie mit einem Lächeln. Deshalb fiel die Entscheidung, Kulturwissenschaft zu studieren. „Diesen Studiengang gab es damals noch nicht so oft. In Bremen wurde er aber angeboten, deshalb hat es mich dort hingezogen.“

Das könnte Sie auch interessieren

In Bremen war sie dann nach dem Studium bei der Deutschen Kammerphilharmonie tätig. Zunächst im Sekretariat, dann im Tourmanagement. Als die Kinder kamen, widmete sie sich der Musikvermittlung und hatte danach die Leitung der Projekte im Zukunftslabor inne. „Dort habe ich alles gelernt, was ich in meinem späteren Berufsleben brauchen konnte“, sagt sie im Rückblick auf diese Zeit.

Menschen zusammenbringen

Egal ob es darum ging, eine Tour nach China zu organisieren oder den Umzug des Weltklasse-Orchesters in einen Problembezirk der Stadt zu managen. Am neuen Standort sei es ihr ein wichtiges Anliegen gewesen, Musikvermittlung zu betreiben. Sei es mit Schülern oder durch die Gründung des mittlerweile preisgekrönten Zukunftslabors mit Projekten wie der Stadtteiloper, Melodie des Lebens und anderen.

Schon dabei sei es ihr immer sehr wichtig gewesen, Menschen zusammenzubringen. Das setzte sich auch in ihrer darauffolgenden selbständigen Tätigkeit fort mit der Gründung des eigenen Unternehmens OpusEinhundert für die Konzeption und Umsetzung großer Kulturprojekte.

Als Bruggaier mit ihrer Familie vor fünf Jahren dann nach Stockach kam, weil es ihren Mann beruflich an den Bodensee gezogen hatte, übernahm sie die stellvertretende Leitung der Abteilung Organisation und Kommunikation bei der Südwestdeutschen Philharmonie in Konstanz. Dort hatte sie auch die Leitung des Projekts „Daheim – Eine Odyssee“ inne.

Berührungsängste abbauen

„Dabei ging es nicht zuletzt darum, im Rahmen einer Exzellenzförderung des Bundes, das Orchester mit den Menschen, mit der Gesellschaft zusammenzubringen und beiden Seiten die Berührungsängste zu nehmen. Deutlich zu machen, wie wertvoll ein Klangkörper für die Gesellschaft, in der er sich befindet, sein kann. Denn immerhin sind es auch die Steuergelder der Menschen, die den Klangkörper finanzieren“, so Bruggaier.

Das könnte Sie auch interessieren

Am Ende stand vier Wochen lang ein Lustschloss in Form eines großen Zelts direkt neben dem Bodenseeforum, in dem ein vielfältiges musikalisch-theatrales Konzertprogramm geboten wurde. Rund 600 Menschen aus Konstanz waren dabei eingebunden. „Das ist es, was ich liebe: Mit Kunst und Kultur Menschen zusammenzubringen“, sagt Bruggaier.

Bevor sie sich um die Stelle als Kulturamtsleiterin beworben hat, war Bruggaier kurzzeitig bei einer Stockacher Unternehmensberatung tätig. „Nach 25 Jahren in der Kulturbranche fand ich es spannend, mal etwas ganz anderes zu machen“, sagt sie.

Start zunächst in Teilzeit

Nun steht also die neue Herausforderung im Stockacher Kulturamt an. Am 15. November geht es los, früher als geplant, denn die Stelle war ursprünglich auf dem 1. Januar ausgeschrieben. Als sie aber gefragt wurde, ob sie auch früher anfangen könne, habe sie direkt zugesagt.

„Allerdings arbeite ich gerade noch zusammen mit einer Freundin an einem ehrenamtlichen Projekt in Gambia, das ich noch so weit auf die Beine stellen will, dass alles ohne mich funktioniert“, erklärt Bruggaier. Deshalb startet sie zunächst in Teilzeit bis zum 1. Januar. Aber dann gehe es richtig los.

Ihr Ausgleichsprogramm zum Vollzeitjob im Kulturamt hat sie schon gefunden: „Meine Familie und Sport in der Natur ist für mich ein unersetzbarer Ausgleich und Wert, ohne den ich mir mein Leben und vor allem die Arbeit, besonders wenn sie herausfordernd ist, nicht vorstellen kann.

Live-Erlebnisse sind nicht zu toppen

Eine große Herausforderung wird für sie das kulturelle Leben nach Corona wieder in Schwung zu bringen. „Es geht jetzt darum, Ängste, Sorgen und neu entstandene Gewohnheiten bei den Menschen abzubauen, denn auch wenn wir sicher auch bis ins nächste Jahr hinein noch mit Maßnahmen zu tun haben werden, ist doch das gemeinsame Live-Erlebnis nicht zu toppen. Das müssen die Leute wieder merken.“

Bei all dem sei ihr auch in ihrer neuen Funktion wichtig, Menschen zusammenzubringen, um die Attraktivität der Stadt und das Engagement der Stockacher eindrücklicher zu zeigen. Besonders auch in Sachen Tourismus, der ebenfalls in ihrem Verantwortungsbereich als Kulturamtsleiterin liegt. Ein wichtiger Baustein, um das alles zu bewerkstelligen sei die Stärkung des Ehrenamts. „Wenn sich jemand ehrenamtlich engagiert, dann muss für denjenigen auch selbst ein Mehrwert entstehen“, ist Bruggaier überzeugt. Sie könnte sich auch gut vorstellen, dass ehrenamtliches Engagement in der Zukunft eher Projektbezogen als langfristig funktionieren kann.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Vorfreude auf die neue Herausforderung im Kulturamt steigt indes bei Corinna Bruggaier. „Ich gehe schon jetzt mit anderem Bewusstsein durch die Stadt und denke dabei darüber nach, was und wie wir zeigen wollen und könnten“, sagt sie.