Fast alles wird im Moment teurer. Das spüren viele Menschen schmerzlich am eigenen Geldbeutel. Den größten Teil des Geldes, das ihnen monatlich zur Verfügung steht, geben die Deutschen laut Angaben des Statistischen Bundesamtes für Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung aus. Knapp 37 Prozent der Konsumausgaben entfallen auf diesen Bereich und diese Berechnung bezieht sich noch auf Zahlen aus dem Jahr 2020, also bevor die Inflation die Preise in die Höhe getrieben hat. Allgemein ist die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum daher immer hoch. Doch wie ist die Lage in Stockach?

„Das Mietpreis-Niveau ist in Stockach niedriger als in anderen Städten und Gemeinden des Kreises. Dennoch macht sich der Nachfragedruck bemerkbar, sodass es viele Haushalte gibt, die bei den steigenden Mietpreisen Probleme haben, die hohen Kosten des Wohnens zu tragen“, schreibt Winfried Kropp, Pressesprecher des Mieterbunds Bodensee auf Anfrage des SÜDKURIER. Daher bestehe ihm zufolge auch in Stockach Bedarf an Wohnungen aus dem Bereich des sozialen Wohnungsbaus.

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Neuer sozialer Wohnraum soll entstehen

Ein Projekt, das in dieser Hinsicht Abhilfe schaffen könnte, plant die Baugenossenschaft Hegau im Bereich der Albert-Schweitzer-Straße 2 und 4. „Wir sind noch sehr früh im Projekt“, betont Axel Nieburg, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Hegau auf Anfrage des SÜDKURIER. Einen zeitlichen Rahmen könne er im Moment deshalb noch nicht abschätzen. Ihm zufolge sind auf dem Areal aber vier baugleiche Häuser mit jeweils elf Wohneinheiten geplant. Bei der Hälfte der neuen Wohnungen soll es sich um sozial geförderten Wohnraum handeln.

„Kalkulieren kann man ein solches Bauprojekt derzeit nicht mehr“, Axel Nieburg, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender ...
„Kalkulieren kann man ein solches Bauprojekt derzeit nicht mehr“, Axel Nieburg, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Baugenossenschaft Hegau. | Bild: Thomas Wöhrstein

Eventuell soll noch im zweiten Halbjahr 2022 ein Architektenwettbewerb für das Projekt gestartet werden, sagt Nieburg. Eine Unwägbarkeit, vor der das Bauprojekt allerdings noch steht, sind die explodierenden Baukosten, wie Nieburg deutlich macht. „Kalkulieren kann man ein solches Bauprojekt derzeit nicht mehr.“

Vier statt bisher zwei Gebäude geplant

Trotzdem befasste sich der Stockacher Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung bereits damit, die Grundlagen für das Bauprojekt zu schaffen. Konkret ging es um die Änderung des Bebauungsplans Ziegelwiese-Ziegeläcker.

Diese Änderung ist die Voraussetzung dafür, dass statt der zwei bestehenden Gebäude vier neue errichtet werden können. „Es geht darum, dass die Fläche dort verdichtet bebaut werden soll“, erklärte Bürgermeister Rainer Stolz in der Gemeinderatssitzung. Sprich, statt der zwei Gebäude, die dort früher einmal standen, sollen vier neue entstehen.

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Bedarf könnte bald gedeckt sein

Damit wäre ein großer Schritt getan, um den Bedarf an sozial gefördertem Wohnraum in Stockach zu decken, macht Rainer Stolz im Gespräch mit dem SÜDKURIER deutlich. Seinen Angaben zufolge gibt es derzeit noch neun offene Wohnberechtigungsscheine in Stockach. Nur Menschen mit Wohnberechtigungsschein haben Anspruch auf sozial geförderten Wohnraum.

Für den Mieterbund Bodensee besteht trotz allem noch Luft nach oben. „In den vergangenen Jahren sind immer wieder vereinzelte Projekte des sozialen Wohnungsbaus entstanden. Das ist positiv, war aber nicht ausreichend“, schreibt Winfried Kropp. Auch laut Axel Nieburg ist die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum seit Jahren ungebrochen. „Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum war die ganze Zeit sehr hoch, daran hat sich durch die aktuelle Situation nichts geändert“, sagt Nieburg. Allerdings stelle man fest, dass jetzt auch viele Anfragen von ukrainischen Flüchtlingen kommen.

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Stadt wendet ein bewährtes Instrument an

Bei der Ausweisung von neuen Baugebieten entstehen aus Sicht des Mieterbundes allzu oft nur Einfamilienhaus-Siedlungen. „Dies mag für die Bauträger interessant sein, geht jedoch am Bedarf der Bevölkerung vorbei. Daher ist es aus unserer Sicht zu begrüßen, wenn Gemeinden darauf achten, dass in neuen Baugebieten auch soziale Bedingungen erfüllt sein müssen“, so Kropp. Typischerweise werde bei Schaffung von neuem Baurecht mit den Eigentümern vereinbart, dass eine bestimmte Quote von sozial gebundenem Wohnraum entstehen muss. „Mit dem Beschluss einer Sozialquote von 50 Prozent wendet die Stadt ein bewährtes Instrument an“, so Kropp.

„Mit dem Beschluss einer Sozialquote von 50 Prozent wendet die Stadt ein bewährtes Instrument an“, Winfried Kropp, ...
„Mit dem Beschluss einer Sozialquote von 50 Prozent wendet die Stadt ein bewährtes Instrument an“, Winfried Kropp, Pressesprecher des Mieterbunds Bodensee | Bild: Guido Kasper

Die Stadt Stockach habe diese Anliegen im Blick, wie Bürgermeister Rainer Stolz versichert: Sie werde „auch in Zukunft, bei jedem neuen Bebauungsplan Mehrfamilienwohnhäuser mit planen. Dabei wird es dann der aktuellen Einschätzung obliegen, ob daraus dann Wohnungen für den sozialen Wohnraumbedarf werden sollen oder normal finanzierte Wohnungen.“

Sozialer Wohnraum in der Regel zeitlich begrenzt

Das Problem, das der Mieterbund beim sozial geförderten Wohnraum sieht ist, dass Sozialwohnungen nach einer bestimmten Zeit aus der Sozialbindung fallen, nachdem die Förderdarlehen zurückbezahlt wurden. Das ist beispielsweise nach 20 Jahren der Fall. Oft gebe es im Anschluss daran starke Mietsteigerungen. Wichtig sei deshalb die Zusammenarbeit mit Baugenossenschaften, die Gewähr dafür bieten, dass sie die Wohnungen dauerhaft nach gemeinwohlorientierten Kriterien bewirtschaften, betont Kropp.

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Eine weitere Möglichkeit, dauerhaft bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu schaffen, sei Kropp zufolge die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft. „Ein kommunaler Bauträger stellt eine notwendige Ergänzung zu genossenschaftlichen und privaten Bauträgern dar und kann dazu beitragen, dass ausreichend Wohnraum für alle Schichten der Bevölkerung entsteht“, so Kropp.

Musterknabe Bodman-Ludwigshafen

Doch wie sieht es in anderen Gemeinden im Stockacher Raum aus? Gerade am See ist Wohnen traditionell etwas teurer als im Hinterland. Trotzdem gibt es in Sachen bezahlbarem Wohnraum ein Lob von Winfried Kropp für die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen. In der Doppelgemeinde am Seeende gebe es einen erheblichen Druck auf den Wohnungsmarkt durch touristische Nutzungen. „Die Gemeinde hat darauf durch den Erlass einer Satzung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum reagiert und ist so Vorbild für viele vergleichbare Gemeinden im Land. Vergleichbare Satzungen gibt es in unserer Region nur in Überlingen und Konstanz“, so Kropp.