Die Campingbranche in Deutschland erlebt einen Höhenflug: Christian Günther, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD), sagte Ende Mai voraus, dass die 40 Millionen Übernachtungen aus dem Vorjahr mindestens erneut erreicht werden, sollte das Wetter gut bleiben. Denn Campen habe sich mittlerweile zu einem „Massenphänomen“ entwickelt, es werde wieder ein Rekordjahr geben.

Gilt das auch in der Region?

„Auf jeden Fall“, sagen Andrea und Volker Knaust, die seit 14 Jahren den Campinggarten in Wahlwies betreiben. Die Zahlen der bisherigen Monate lägen über denen des Vorjahres. Besonders über Pfingsten und in den folgenden Wochen im Juni sei ihr Platz randvoll gewesen. Auch über den Sommer gebe es bereits sehr viele Buchungen. „Und was ich erstaunlich finde: Wir haben bereits viele Anfragen für das kommende Jahr“, berichtet Andrea Knaust.

Andrea und Volker Knaust betreiben zusammen den Campinggarten in Wahlwies. Sie erwarten für 2023 einen neuen Rekord an Besuchern.
Andrea und Volker Knaust betreiben zusammen den Campinggarten in Wahlwies. Sie erwarten für 2023 einen neuen Rekord an Besuchern. | Bild: Mario Wössner

Richard Schieß, der seit 30 Jahren des Campingplatz Schachenhorn in Ludwigshafen betreibt, stimmt zu: „Die Saison läuft gut, an Pfingsten war hier alles voll und wuselig. Es kommen mehr Gäste, als in der Vergangenheit. Aber zu sagen, es geht bei mir durch die Decke, wäre übertrieben.“ Sollte das Wetter weiterhin mitspielen, erwartet jedoch auch Schieß ein Rekordjahr.

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Die Form des Campens habe sich dabei in den vergangenen Jahren verändert. Während Camping früher eine billige Reisevariante gewesen sei, würden inzwischen die meisten Gäste mit teuren und gut ausgestatteten Bussen oder Caravans anreisen, berichten die Knausts. Das klassische Zelt werde hingegen immer seltener.

Der große Trend in diesem Jahr sei das Dachzelt auf dem Auto. Zudem seien auf anderen Plätzen die immer häufiger auch am Bodensee vorkommenden Schlaffässer zum Übernachten immer beliebter. Ihr eigener Campingplatz sei dafür aber zu klein.

Hängematte unter Plexiglas als Schlaferlebnis

Den Grund für diese neuen Wünsche hat Richard Schieß bereits ausgemacht: „Viele Gäste wollen nicht einfach nur schlafen, sondern ein regelrechtes Schlaferlebnis haben“, berichtet er. Hängematten unter vor dem Regen schützenden Plexiglasscheiben oder eben Dachzelte auf Autos seien daher im Kommen. „Ich habe deshalb sogar schon überlegt, ein Hängemattenhotel zu errichten“, sagt er.

Holzhütten auf dem Campingplatz Schachenhorn in Ludwigshafen.
Holzhütten auf dem Campingplatz Schachenhorn in Ludwigshafen. | Bild: Lars Hoppe

Zudem würden Holzhütten, wie er selbst sie anbietet, immer gängiger. „Deutschland hatte diesen Trend lange verschlafen, ich war hier sogar einer der Vorreiter. Aber inzwischen haben das auch hier immer mehr“, sagt Schieß über die besonders bei Radfahrern beliebte Wohnform. „Und wir haben plötzlich viele Gruppen mit Campern, die aus Syrien oder Afghanistan zu uns gekommen sind“, sagt Schieß.

Welche Gründe hat der Camping-Boom?

Doch woher kommt die Nachfrage? „Seit Corona haben wir einen wahnsinnigen Boom beim Camping“, sagt Andreas Knaust im Wahlwieser Campinggarten. Denn als Hotels im Ausland nicht mehr erreichbar waren, seien viele Urlauber umgestiegen. Zwar ebbe die größte Welle langsam wieder ab. Aber generell liege Camping weiter voll im Trend. Laut Schieß werde Campen sogar bereits seit drei Jahrzehnten immer beliebter. Corona habe die Entwicklung nur verstärkt – so wie in vielen anderen Bereich auch.

Doch für die Betreiber hatte das nicht nur Vorteile. Während Corona habe er viele Neu-Camper auf dem Platz gehabt – zum Teil „schwierige Gäste“, berichtet Schieß. Die seien sonst ins Hotel im Ausland gereist. Dann mussten sie plötzlich etwas machen, das nicht zu ihnen passte. Schieß sagt dazu: „Es wird eben nicht jeder zum Camper. Viele von denen, die sich teure Wohnmobile angeschafft haben, werden die bestimmt bald wieder verkaufen. Ich erwarte eine Schwemme auf dem Gebrauchtwagenmarkt“, sagt Schieß.

Kehrt sich der Trend nun um?

Thomas Bitz, Geschäftsführer bei Caramobil in Stockach bestätigt: „Während Corona herrschte Sonderkonjunktur mit gigantischer Nachfrage – und leider auch mit Lieferengpässen.“ 2021 und 2022 seien Rekordjahre gewesen, alle Arten von Fahrzeugen seien gut weggegangen: Günstige Caravans, sogenannte Urban Camper, aber auch teure Reisemobile, die immer beliebter werden. „Aber seit Herbst 2022 hat sich das ins Gegenteil verkehrt“, berichtet er.

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Die Gründe seien die Inflation, das Ende der Corona-Einschränkungen beim Reisen, der Ukrainekrieg und eine generelle Verunsicherung. Denn, erklärt Bitz weiter: „Teure Wohnmobile sind letztlich ein Luxusgut, man braucht es nicht zwingend. Viele verzichten jetzt darauf, so etwas neu anzuschaffen.“

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Nun blieben vor allem die Standardvarianten im Lager, nur schwer verfügbare Modelle verkaufen sich weiterhin gut. Spürbar sei das bei allen Marken. Auch Bitz erwartet daher, dass der bislang noch leer gefegte Gebrauchtwagenmarkt bald mit vielen Campingmobilen geflutet werde, wenn Neu-Camper ihre teuren Anschaffungen wieder loswerden wollen.