Für die Stadt Stockach war es am vergangenen Sonntagmittag ein höchst ungewöhnliches Bild. Der Bereich um den Dillplatz war großräumig abgesperrt. Auf dem Parkplatz des Rewe-Marktes standen zirka 25 Polizeibusse. Noch mehr Polizeifahrzeuge, manche in zivil, waren auf dem gesamten Areal verteilt. Ein Großaufgebot für eine recht überschaubare Kundgebung der Alternative für Deutschland, wie sich später herausstellen wird.
Nur knapp 100 Anhänger der rechten Partei waren auf den Dillplatz gekommen, um Bundestagskandidaten und Landtagsabgeordnete sprechen zu hören. Eine ebenfalls angemeldete Mahnwache eines bürgerlichen Bündnisses gegenüber versammelte circa 280 Teilnehmer. Alles verlief friedlich, es gab keine besonderen Vorkommnisse, meldete die Polizei. Doch eine Frage stellt sich nach dem Großeinsatz: Was kostet das eigentlich und wer kommt dafür auf? Schließlich gibt es derzeit diverse Wahlkampfveranstaltungen samt Gegendemonstrationen.

Jüngst hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Polizeiarbeit in anderen Bereichen nicht nur auf Kosten des Steuerzahlers gehen kann. Bezahlt werden Polizeibeamtinnen und Beamte vom Land, das Geld kommt aus Steuereinnahmen. Bei Hochrisikospielen im Fußball dürfen die Länder nach einem aktuellen Urteil auch die deutsche Fußballliga an den Kosten für solche Einsätze beteiligen.
Polizeigewerkschaft steht zum Einsatz ohne Gebühren
Wäre solch eine Kostenbeteiligung auch bei Kundgebungen denkbar? Dem erteilt Ralf Kusterer, Landesvorsitzender Baden-Württemberg und stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft eine klare Absage. Man könne solche Einsätze nicht mit Hochrisikospielen vergleichen, denn bei Fußballspielen habe das Gericht einen kommerziellen Ansatz gesehen, schreibt er auf Anfrage dieser Zeitung.
„Demonstrationen und Versammlungen sind Rechte, bei denen Gebühren grundsätzlich nicht erhoben werden. Wir finden das auch richtig. Hier muss der Staat sein Gewaltmonopol ausüben. Zum Schutz der Versammlungsfreiheit. Und auf eigenen Kosten“, so Kusterer.
Wie viele Polizeibeamte an diesem Tag im Einsatz waren, darüber schweigt sich das Polizeipräsidium Konstanz aus. Derartige Angaben würden aus strategischen Gründen nie veröffentlicht werden. Genaue Kosten oder eine grobe Kostenschätzung des Einsatzes wollte man nicht beziffern.
Das Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg erklärt, warum für Polizeieinsätze bei Demonstrationen keine Kosten erhoben werden. „Eine mögliche Kostenerstattung könnte nach der Rechtsprechung den Schutz der Versammlungsfreiheit unterlaufen, da sonst dann nur Personen mit ausreichenden finanziellen Mitteln Versammlungen durchführen könnten, bei denen mit einem größeren Polizeiaufgebot zum Schutz der Versammlung zu rechnen wäre“, schreibt Ministeriumssprecher Patrick Knapp auf Nachfrage.
Werde eine Versammlung allerdings verboten oder aufgelöst, gelte das Versammlungsrecht nicht mehr. In diesem Fall kämen gegen die betroffenen Personen auch Maßnahmen nach dem Polizeigesetz und damit auch entsprechende Kostenerstattungen in Betracht.
Polizei muss viele Veranstaltungen im Wahlkampf absichern
Für die Polizei im Landkreis Konstanz ist dieser Wahlkampf eine personelle Herausforderung. Fast alle politischen Veranstaltungen mit Partei-Prominenz, wie jüngst der Besuch von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz in der Stadthalle Singen, sind mittlerweile mit Gegendemonstrationen von politischen Gegnern begleitet. Hinzu kommen andere Großveranstaltungen wie die Demonstration für Demokratie mit 12.000 Teilnehmern in Konstanz.
Bei der Veranstaltung der AfD in Stockach kamen zwar deutlich weniger Menschen, doch das war nicht absehbar. Polizeisprecherin Katrin Rosenthal sagt zur allgemeinen Lage: „Es gehört zu unseren Aufgaben und wir stellen uns so auf, dass das Tagesgeschäft nicht leidet – natürlich heißt das auch mal mehr arbeiten zu müssen als die normale Regelarbeitszeit.“ Das Tagesgeschäft, das ist in dem Fall die Verfolgung von und der Schutz vor Straftaten.