Die Stockacher Innenstadt hat ein Problem: Es kaufen zu wenige Menschen in den Geschäften ein. Und nur wenige kommen, um zu bummeln. Um dieses Problem zu lösen, rief die Stadt im vergangenen Jahr gemeinsam mit der IHK Hochrein-Bodensee das Projekt Innenstadtförderung ins Leben, bei dem Händler und Stadtverwaltung beraten wurden und Verbesserungsvorschläge sammelten.
Ende Januar endete das Projekt. Doch wie geht es jetzt weiter? Drei Händler berichten von ihren Sorgen – und sehen vor allem die Stadt in der Verantwortung. Die wiederum erklärt, was nun passieren soll.
Langjähriger Metzger klagt über fehlende Kunden
Wenn einer die Situation des Stockacher Handels kennt, dann ist das Thilo Schöll. Er ist Inhaber der Metzgerei Bechler in der Hauptstraße. Seit 23 Jahren betreibt er die älteste Metzgerei in Stockach. Laut Schöll begann der Abwärtstrend der Innenstadt bereits um das Jahr 2000, als aus der Hauptstraße eine Einbahnstraße wurde und somit ein Großteil der Laufkundschaft weggefallen sei, berichtet er.

Er findet, es mangele in der Innenstadt an Frequenzbringern, also an Geschäften, die dafür sorgen, dass mehr Menschen regelmäßig in die Oberstadt kommen. Früher seien das zum Beispiel der Schlecker, der 2014 schließen musste, oder der beliebte Bücherladen „Bücher am Markt“ gewesen, der seine Türen im Oktober 2023 für immer schloss.
Die Folgen dieser Entwicklung sind in der Stadt sichtbar: So berichtet Wirtschaftsförderin Regina Schlecker auf Nachfrage, dass in der Oberstadt und der Kirchhalde derzeit drei Geweberäume leer stehen. Grund dafür sei, dass es für den stationären Einzelhandel zunehmend schwieriger wird, Besucherinnen und Besucher anzuziehen.
Neue Bürgermeisterin sorgt für frischen Wind
Doch davon lässt sich Thilo Schöll nicht die Hoffnung nehmen: Auf die Frage, warum ausgerechnet jetzt die Notwendigkeit erkannt worden ist, sich um die Attraktivität der Oberstadt zu kümmern, antwortet er, dass es frischen Wind in Form der neuen Bürgermeisterin Susen Katter gebraucht habe. Der vorherige Umgang mit der Oberstadt habe ihm zufolge hingegen für Resignation gesorgt, die er auch selbst verspürt habe.
Mit der Projektförderung sei nun das richtige Signal gegeben worden. „Jetzt muss die Stadt ihre Hausaufgaben machen.“ Was er damit meint? Für Thilo Schöll besteht die Aufgabe der Stadt darin, mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen. Denn wenn die Leute in der Stadt verweilen würden, konsumieren sie dort automatisch, sagt er.
Außerdem müsse man den Händlern auch zeigen, dass es nicht bei Worten bleibt. „Wenn die Straße gemacht ist, werden auch die Häuser hübsch“, fasst er zusammen.
Anja Schmidt fordert mehr Sitzgelegenheiten
Diese Einstellung teilt Anja Schmidt, die Inhaberin des gegenüberliegenden Modeladens Wundervoll in der Hauptstraße. Sie betreibt den Laden seit 14 Jahren und hat sich laut eigener Aussage schon seit Langem mit den Fragen beschäftigt, die in den vergangenen Monaten Thema bei der Beratung waren. Auch sie klagt neben bundespolitischen Problemen wie den bürokratischen Hürden für Selbstständige über die zu geringe Kundenfrequenz in der Oberstadt.
Ihre Begeisterung für die Innenstadtberatung ist daher deutlich spürbar. „Das gibt einem das Gefühl, nicht alleine zu sein“, berichtet Schmidt.

Auch sie sieht die Verantwortung bei der Stadt, eine bessere Aufenthaltsqualität zu bieten: „Wir brauchen Bänke“, ist ihre Antwort, die sie sich seit 2011 auf die Fahnen geschrieben habe. Denn, so fährt sie fort: „Wo sollen Mütter mit Kinderwägen sich denn hinsetzen?“ Zudem fände sie Wasserspiele in der Stadt schön.
Wie auch die anderen beiden Händler befürchtet Schmidt von einer möglichen Verkehrsberuhigung im Rahmen der Oberstadtsanierung hingegen negative Folgen.
Beim Mahlwerk gibt es bereits erste Änderungen
Steffi und Roland Rossdeutscher haben erst vor wenigen Jahren inmitten der Corona-Pandemie das Mahlwerk in der Oberstadt eröffnet. Wenn man die beiden fragt, wie es um die Oberstadt bestellt ist, ist ihre Antwort zwiegespalten. Einerseits mache das Innenstadt-Sterben auch vor Stockach nicht halt. Andererseits gebe es so viele gute Geschäfte und Menschen, die etwas bewegen wollen.

Ein grundlegende Problem sei, dass man als Händler wenig Einfluss auf die Kaufbereitschaft der Leute habe. Trotz einem sehr guten Angebot in der Oberstadt fehle es an dem Willen, bewusst und gut zu konsumieren, meint Steffi Rossdeutscher.
Stockacher Oberstadt hat auch Vorteile
Dennoch seien sie sehr dankbar für die Initiative der IHK. Die beiden hoffen, dass durch das Projekt die bestehenden Händler ermutigt werden, auch zu bleiben. Denn die Stockacher Stadt habe viele Vorteile und Besonderheiten zu bieten. Sie zählen etwa die kleinen Geschäfte, die persönliche Ansprache und Beratung auf.
Sie selbst haben seit dem Projekt bereits erste Veränderungen im Mahlwerk angestoßen: Nach einer neuen Schaufenstergestaltung und liebevoller Pflege des Instagram-Kanals sagen die beiden: „Wir haben unseren Teil getan.“ Soll heißen: Jetzt seien auch andere an der Reihe – vor allem die Stadt.
Wie geht es nun weiter?
Und die plant Konkretes, um die Ergebnisse des Projekts umzusetzen, wie Kulturamtsleiterin Corinna Bruggaier in einer Mitteilung an die Beteiligten schreibt. Dazu gehört unter anderem die Gründung des Innenstadtbeirats, die laut Mitteilung für Anfang April geplant ist. Ziel des Beirats sei es, die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen Händlerschaft und der Stadt zu verbessern und die Attraktivität der Innenstadt nachhaltig zu stärken, führt Regina Schlecker auf Nachfrage dazu aus.
Man plane außerdem sogenannte Einkaufsführungen, bei denen sich Geschäfte in einem ungezwungenen Rahmen umfassend den Kunden präsentieren können. Die erste Führung dieser Art ist für Mittwoch, 21. Mai, geplant, so Bruggaier. Zudem findet am 6. April wieder ein verkaufsoffener Sonntag statt, der zu einem Frequenzbringer in Stockach zählt.
Laut Wirtschaftsförderin Regina Schlecker bieten zudem Konzepte wie das Betreiben von Pop-Up-Läden eine vielversprechende Lösung, um speziell den Leerstand in Übergangsphasen zu überbrücken. Inwiefern sich das umsetzen lässt, sei jedoch von den jeweiligen Eigentümern und passenden Betreibern abhängig.