Die werdende Mutter setzt sich zunächst vom Rest der Herde ab. „Ein paar Stunden bleibt sie für sich“, erzählt Elisabeth Voigt. Dann passiere es meist zur Mittagszeit: Die Stute bringt ihr Fohlen zur Welt. „Danach ist schön zu beobachten, wie sich die anderen Alpakas dem Jungtier nähern. Sie stupsen es an und begrüßen es in der Herde.“ Richtig herzig sei das, beschreibt sie und blickt lächelnd in Richtung ihrer sechs Tiere, die einige Meter entfernt am Eingang des Tengener Ortsteils Wiechs am Randen grasen.
Die Besitzerin der Rabenscheune schätzt sich glücklich. Seitdem die schlanke Frau, die ursprünglich aus Berlin stammt, 2009 ihre ersten beiden Stuten bei einem Züchter erworben hat, durfte sie schon bei einigen Geburten dabei sein. Sanft und aufmerksam sind Alpakas aber nicht nur gegenüber dem Nachwuchs, findet Elisabeth Voigt.

Vielleicht haben sich ihre Nachbarn auch deshalb schnell an die Tiere gewöhnt, die optisch an eine Mischung aus Schaf und Kamel erinnern. Besonders drollig: Wenn die Alpakas, so wie der wagemutige Dafin, regelrechte Luftsprünge hinlegen. Auch bei den Ausflüglern, die sich auf der Panoramaterrasse der Rabenscheune Kaffee und Kuchen schmecken lassen, sorgt dieser Anblick stets für verzückte Gesichter.

Als Alpaka noch Fremdwort war
Dabei war es vor elf Jahren noch ungewöhnlich, dass man Tiere hält, deren Heimat in den Gebirgsregionen Südamerikas liegt. „Ursprünglich dachte ich darüber nach, mir Hühner anzuschaffen“, erzählt Elisabeth Voigt. „Oder vielleicht doch einen Esel?“ Ihr Bruder war es schließlich, der sie auf Alpakas aufmerksam machte. „Damals kannte ich diese Tiere nicht.“ Sie habe sich Informationen angelesen und schließlich entschieden: „Ich probiere das aus.“

Den gleichen Satz hätte bald darauf auch ihr Tierarzt sagen können. Auch er hatte vorher noch nie mit sogenannten Neuweltkameliden zu tun und musste sich erst einmal Wissen aneignen. Bislang seien die Alpakas, die sich wahlweise im Stall oder auf den Wiesen nahe der Rabenscheune aufhalten, von schlimmeren Krankheiten verschont geblieben.
In Sorge um den kleinen Diego
Nur Diego habe ihr Sorgen bereitet, berichtet Elisabeth Voigt und deutet auf einen Wallach. „Die ersten Stunden nach seiner Geburt wollte er keine Muttermilch trinken.“ Sie habe bereits befürchtet, das Tier mit der Flasche aufziehen zu müssen. „Aber versuchen Sie mal, ein Alpaka zu melken“, meint Elisabeth Voigt und schmunzelt. Zum Glück nahm Diego Vernunft an. „Und heute ist mir der einstige Ausreißer der liebste von allen.“
Allgemein beschreibt sie Alpakas als pflegeleicht. „Sie brauchen Heu, Wasser, Gras – und Platz.“ Zwei Alpakas benötigten etwa 1000 Quadratmeter, für jedes weitere Tier müsse man 300 Quadratmeter dazu rechnen.
Dabei könne es in der Herde auch mal zu Rangstreitigkeiten kommen. Sie greife dabei nicht ein, berichtet Elisabeth Voigt: „Wenn ich mich mit jemandem streite, will ich ja auch nicht, dass sich Außenstehende einmischen“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Vielleicht besser so: Ähnlich wie Lamas klären Alpakas Konflikte durch Anspucken.
Heute ist den Tieren nicht danach zumute, sie scheinen sich vielmehr über die Frühlings-Sonne zu freuen, die ihnen auf den Pelz strahlt. Bald wird davon allerdings nicht mehr viel übrig bleiben: „Im Mai besucht uns ein australischer Alpaka-Farmer. Er fährt die verschiedenen Höfe in Europa an und schert die Tiere.“
Besonders weiche Wolle
Die entstehende Wolle lässt Elisabeth Voigt in einer Manufaktur zu Pullovern, Schals, Socken und anderen Produkten verarbeiten. „Das Alpaka-Vlies passt sich der Temperatur an. Die Steppbettdecken, die wir verkaufen, lassen sich deshalb ganzjährig verwenden.“
Erst vor wenigen Wochen habe sie mit einem Kunden gesprochen, der vor Jahren eine solche Decke gekauft hatte. „Damals habe ich immer ein Bild des Alpakas beigefügt, von dem die Wolle stammt“, erzählt Elisabeth Voigt. „Er hat mir dann berichtet, dass seine Frau dieses Foto immer noch auf dem Nachttisch stehen hat“. Ein Alpaka als Einschlafhilfe? Gar nicht so abwegig.