Würde sich jemand aus der Deckung wagen, um Bürgermeister in Tengen zu werden? Diese Frage hat in der Stadt und ihren Ortsteilen zuletzt viele Menschen umgetrieben. Durchaus gebangt. Denn: Die Bewerbungsfrist hat schon im November begonnen und endet am 6. Februar um 18 Uhr. Da bis zum Freitag noch keine Bewerbung vorlag, haben der auf eigenen Wunsch scheidende Amtsinhaber Marian Schreier und die Ratssprecher einen Aufruf gestartet, über den der SÜDKURIER am Samstag berichtete. Das hat sich am Sonntag geändert. Sven Müller reichte seine Unterlagen ein. Sie liegen seit Sonntag im Briefkasten des Tengener Rathauses.
Die Überlegung, für Tengen zu kandidieren sei schon seit einigen Wochen in ihm gereift, erklärt Müller. Denn als jemand, der in der Region, genauer in Engen-Welschingen, aufgewachsen ist, wolle er sich nun wieder in seiner Heimat einbringen. Dabei nimmt Müller auch Bezug auf das Sprichwort „Engen, Tengen, Blumenfeld, sind die schönsten Städt‘ der Welt“, das er von seinem Großvater öfter gehört habe. Nun könne er für zwei dieser Städte kandidieren.
Derzeit ist Müller europaweit unterwegs
Mit Müller bewirbt sich acht Jahre nach dem scheidenden Amtsinhaber Marian Schreier wieder ein sehr junger Mann um das Amt an der Tengener Rathausspitze. Schreier hatte schon Anfang 2022 angekündigt, nicht noch einmal anzutreten. Müller ist 27 Jahre alt und arbeitet derzeit als Prozessoptimierer bei Finkbeiner Automatisierungstechnik, wie er sagt: „Dabei bin ich europaweit unterwegs.“ Das Unternehmen hat seinen Sitz bei Rastatt, Müller selbst lebt in der Nähe in Gaggenau. Nun möchte er wieder in die Heimat zurückkehren und sich dort einbringen. Die Kandidatur als Bürgermeister sieht Müller als „die Herausforderung, die ich jetzt brauche“, und als die richtige berufliche Veränderung. Und er sagt: „Ich habe richtig Lust, mich in was Neues reinzustürzen.“
Ideen für Tengen bringt er jedenfalls auch schon mit. Es gehe ihm um die Erhaltung der Umwelt und der Schönheit von Tengen. Doch er sieht auch die Herausforderungen bei der Infrastruktur. So wolle er die Digitalisierung und den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben und in die Zukunft denken, zum Beispiel wenn es um Infrastruktur für Elektromobilität geht. Eine große Herausforderung sei auch die Unterbringung von Flüchtlingen. Und, das betont Müller mehrfach, das alles soll in Abstimmung mit den Bürgern vor Ort passieren: „Darauf freue ich mich schon.“
Der Bewerber bringt politische Erfahrung mit
Das Interesse an Politik gebe es bei ihm schon lange, erklärt Müller. Von 2011 bis 2015 sei er im Jugendgemeinderat seiner Heimatgemeinde Engen gewesen, die ersten beiden Jahre als stellvertretender Vorsitzender, danach als Vorsitzender. Dabei habe er die Sitzungen des Gremiums organisiert und geleitet, sei in den Sitzungen des Engener Gemeinderats dabei gewesen. 2013 habe er dann außerdem die Belange der Jugend auf Landesebene vertreten, als Mitglied des Jugendlandtags Baden-Württemberg. Und 2018 sei er Bundesdelegierter der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gewesen.
Das politische Geschäft ist Müller also vertraut. Für eine Partei habe er sich dennoch nicht entscheiden können, sagt er, daher trete er als parteiloser Bewerber an: „Im kommunalen Bereich ist das eher eine Stärke“, findet Müller. Denn man müsse vor Ort Lösungen für die Menschen finden.
Verwaltungserfahrung im engeren Sinne bringt Müller also nicht mit. Doch was er von seiner beruflichen Tätigkeit und seinem Studium an der Universität Stuttgart erzählt, klingt gar nicht so anders als die Leitung einer Gemeinde. Als seine Spezialdisziplin nennt er Kreislaufprozesse in soziotechnischen Systemen, ein Spezialgebiet der Wirtschaftskybernetik – also der Wissenschaft von der Steuerung wirtschaftlicher Prozesse.
Hinter diesen viele Fremdworten verbirgt sich, grob gesagt, dass man Modelle von komplexen Systemen erstellt und diese Modelle auswertet, wie Müller erklärt. Ein Beispiel: Wenn das Ziel ist, bei Kindern die Liebe zur klassischen Musik zu wecken, kann man mit diesen Methoden herausfinden, wie das am besten gelingt. Vieles davon sei übertragbar auf die Arbeit in einer Gemeindeverwaltung, sagt Müller.
Die nächsten Wochen wird er damit verbringen, sich in der Stadt und ihren Ortsteilen bekanntzumachen: „Eine Reihe von Gesprächen habe ich schon ausgemacht.“