Für Andreas Luckner vom Vorstand der Tengener Ärztehaus-Genossenschaft bleibt das Vorzeigemodell ein Erfolg. Als langjähriger Allgemeinmediziner kennt er die Situation in Tengen und die Situation der Ärzte. „Das Tengener Ärztehaus hat schon Modellcharakter. Unser Ärztehaus macht Schule“, ist er überzeugt. Dabei ist die Konstruktion nicht ganz einfach zu durchschauen. Die Genossenschaft ist für Finanzierung und Betrieb des Ärztehauses zuständig. Zahn- und Hausarztpraxis haben aber eigene Inhaber.

Nachfolgersuche bleibt schwierig

Hausarzt Max Hahn ist einer der drei Inhaber der Allgemeinarztpraxis und muss gestehen, dass sich ein Aspekt der Genossenschaftsgründung noch nicht voll erfüllt hat. Denn die Nachfolgersuche für die Tengener Hausarztpraxis gestalte sich trotz der optimalen Bedingungen in der Praxis weiterhin schwierig. „Zur Zeit wird unser Team durch eine Ärztin in Weiterbildung ergänzt“, berichtet Hahn. In der fünfjährigen Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin soll sie befähigt werden, später eine Hausarztpraxis zu führen oder dort einzusteigen.

„Wir hoffen immer noch auf Nachfolgerinnen und Nachfolger und wir glauben, dass neue Kolleginnen oder Kollegen in unserer Praxis ...
„Wir hoffen immer noch auf Nachfolgerinnen und Nachfolger und wir glauben, dass neue Kolleginnen oder Kollegen in unserer Praxis in diesem Ärztehaus optimale Bedingungen finden, hausärztlich in einer Teampraxis tätig zu werden.“, sagt Max Hahn. | Bild: Uli Zeller

„Seitdem wir nun auch nach der neuen Weiterbildungsordnung berechtigt sind, 42 Monate weiterzubilden, haben wir die ersten Anfragen bekommen, wie und ob man in unserer Praxis einsteigen kann“, erklärt Hahn. Zwei Ärztinnen, die im Quereinstieg aus anderen Fachrichtungen Allgemeinärztin werden wollen, hätten sich nach der Anfrage jedoch für andere Praxen entschieden, die näher an ihrem Wohnort liegen.

Das Team der Allgemeinarztpraxis Tengen würde sich über neue Kollegen freuen – egal ob Ärzte oder medizinische Fachangestellte ...
Das Team der Allgemeinarztpraxis Tengen würde sich über neue Kollegen freuen – egal ob Ärzte oder medizinische Fachangestellte (von links): Andrea Harder, Stefanie Wehler, Stefanie Erne, Nicole Kopp, Claudia Schultheiß, Sabrina Heyer, Christine Riede, Bettina Grüsser, Max Hahn, Sieglinde Nutz, Karin Weber und Sandra Meßmer. | Bild: Uli Zeller

Der langjährige Tengener Hausarzt zeigt sich dennoch zuversichtlich: „Wir hoffen immer noch auf Nachfolgerinnen und Nachfolger und wir glauben, dass neue Kolleginnen oder Kollegen in unserer Praxis in diesem Ärztehaus optimale Bedingungen finden, hausärztlich in einer Teampraxis tätig zu werden“, sagt Max Hahn. Auch fehle es an Nachwuchs für medizinische Fachangestellte (MFA). Ohne diese könne man keine moderne Praxis betreiben. Früher habe es oft Anfragen nach Ausbildungsplätzen gegeben. Doch dies habe nachgelassen.

Ältere Patienten brauchen sonst lange Wege

Nicht nachgelassen hat die Unterstützung aus der Bevölkerung. „Das Ärztehaus ist für mich schon deshalb sehr wichtig, da ältere Patienten nicht lange Wege in Kauf nehmen müssen“, erläutert Edeltraut Hall. Sie hat auf Bitten ihrer Kollegen aus dem Gemeinderat eine neue Aufgabe übernommen, um sich für die hausärztliche Versorgung im Ort einzubringen: Die Ratsvertreterin der Freien Wähler folgt Karl-Heinz-Hofgärtner als Mitglied im Aufsichtsrat der Ärztehaus-Genossenschaft.

Edeltraut Hall erinnert sich noch an früher: „Damals haben sich die Tengener Ärzte den Notdienst geteilt“, erinnert sie sich. Vor Ort gab es einen Ansprechpartner. Doch wenn nun beispielsweise jemand in Tengen am Wochenende von der Leiter stürze, müsse er erstmal den Weg nach Singen schaffen – und möglicherweise dann noch mehrere Stunden Wartezeit in der Notaufnahme einplanen. Ein Manko, dass auch künftig schwer zu beheben sein wird.

Dennoch habe die Versorgung vor Ort mehrere Vorteile: Da die Gemeinschaftspraxis auch die vorgeschriebenen Untersuchungen bei Kleinkindern machen dürfe, entfalle für Eltern die oft schwierige Suche nach einem Kinderarzt. Außerdem würden die Ärzte in Tengen ihre Patienten kennen, was nicht überall der Fall sei, so Hall.

Konzept soll weiter optimiert werden

Tengens Bürgermeister Selcuk Gök freut sich über das rege Interesse vieler Kommunen am Tengener Ärztehaus. „Die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum ist eine Herausforderung“, weiß er. Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte und der geografischen Ausdehnung hätten ländliche Gebiete Schwierigkeiten, ausreichend Ärzte anzuziehen und zu halten. „Das Tengener Ärztehaus ist ein zukunftsorientiertes und zukunftsfähiges Konzept, um die ärztliche Versorgung sicherzustellen“, beschreibt Gök.

„Wir freuen uns, wenn wir einen Beitrag dazu leisten können, dass weitere Kommunen solche Konzepten angehen. Auch wir werden weiterhin an diesem großen Thema arbeiten und das Konzept optimieren, um auch für die Zukunft Ärzte vor Ort zu haben.“

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Leitbildprozess motivierte zu diesem Schritt

Kürzlich sei beispielsweise eine Delegation aus Aldingen zu Besuch gewesen. Die Praxisbetreiber hätten sich an der Veranstaltung beteiligt. Aktuell liege eine Anfrage vom Landratsamt des Bodenseekreises vor. Beim Besuch solcher Delegationen wird die Geschichte des Ärztehauses erzählt: „Die Initiative ging vom damaligen Tengener Bürgermeister Marian Schreier und dem Leitbildprozess aus“, blickt Andreas Luckner als Vorstandsmitglied des Ärztehauses zurück.

In diesem Prozess seien die Tengener Bürgerinnen und Bürger nach ihren Wünschen für ihr Städtchen befragt worden – und seien dadurch auch zur Teilnahme am Ärztehausprojekt beflügelt worden. Gemeinsam haben sie sich zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen, den ganzen Bau aufgegleist und vorfinanziert, so Luckner.

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Das Ärztehaus teilen sich vier Nutzer: Hausarzt- und Zahnarztpraxis, Kinderkrippe und Senioren-Tagespflege. Nach Fertigstellung des Baus wurden die Tagespflege und die Kindertagesstätte in Teileigentum verkauft. „Durch bezahlbare, moderne und großzügige Räumlichkeiten soll die Attraktivität des Praxisstandorts Tengen erhöht werden“, berichtet das Vorstandsmitglied über ein Ziel des Ärztehauses. Hinzugekommen sei noch der glückliche Umstand, dass es einen Wettbewerb zur Neugestaltung der Ortsmitte gab – und das Ärztehaus dabei eine zentrale Rolle gespielt hat.