Was hat Tengen im Hegau mit Brandis bei Leipzig gemeinsam? Beide Kleinstädte aktualisieren zeitgleich ihr Leitbild. Ein Experiment, bei dem beide voneinander lernen wollen.

Tengens Bürgermeister Marian Schreier bezeichnete das Leitbild nun bei einer Dialogveranstaltung in der Randenhalle als roten Faden für die Kommunalpolitik. „So können wir gleichzeitig große strategische Ziele im Blick behalten – aber auch konkrete kleine Maßnahmen“, so der Bürgermeister. Ein großes umgesetztes Ziel sei zum Beispiel die Eröffnung des Ärztehauses. Ein kleines geschafftes Ziel die erweiterten Öffnungszeiten für die Grünschnittabgabe im Bauhof.

Straßenverkehr als eines der Zukunftsthemen

Einige Teilnehmer der Dialogveranstaltung zum Thema Leitbild äußerten sich jedoch auch kritisch. Es gebe noch genügend offene Baustellen in Tengen, lautete eine Äußerung im Plenum. Zuerst gelte es diese abzuarbeiten, bevor man mit neuen Ideen komme. Auch könne bei solch einem Leitbildprozess leicht die Ansicht einzelner Bürger als Wille der gesamten Bürgerschaft verstanden werden, sagte ein Bürger, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, auf Nachfrage des SÜDKURIER.

Zur Sicherung der ärztlichen Versorgung wurde in Tengen dieses Ärztehaus gebaut, das seit letztem Jahr im Betrieb ist. Dieses Projekt ...
Zur Sicherung der ärztlichen Versorgung wurde in Tengen dieses Ärztehaus gebaut, das seit letztem Jahr im Betrieb ist. Dieses Projekt ist ein Punkt im Tengener Leitbild, der umgesetzt wurde. | Bild: Uli Zeller

Georg Eichkorn aus Tengen zeigte sich besorgt wegen des Schwerlastverkehrs, der jeden Tag durch das Tengener Dorf fährt: „Viele Lastwagen kommen von Engen her und fahren durch die Ludwig-Gerer-Straße. Und auch in die andere Richtung – aus Waldshut-Tiengen nach Engen.“ Zeitgleich müssten Kinder auf dem Weg zur Schule die Straße überqueren. Er wünschte sich, dass der Verkehr außen um das Dorf geleitet wird.

In einem weiteren Teil des Abends konnten Bürger Anliegen vorbringen, die dann in Gruppen weitergedacht wurden. Andreas Luckner aus Tengen regte die Stadt dazu an, Bauherren bei Neubauten zum Erstellen von Regenwassersammelanlagen zu verpflichten – und diese als Stadt dann auch zu fördern.

Tengens Bürgermeister Marian Schreier (l.) und Arno Jesse, Bürgermeister von Brandis in Sachsen, begutachten in der Randenhalle ...
Tengens Bürgermeister Marian Schreier (l.) und Arno Jesse, Bürgermeister von Brandis in Sachsen, begutachten in der Randenhalle Vorschläge fürs Tengener Leitbild. Bild: Uli Zeller

„Durch diesen Puffer kommt es bei Starkregen erst später oder gar nicht zu Überschwemmungen“, so Luckner. Außerdem könne das Regenwasser so dazu genutzt werden, um Toiletten zu spülen und den Garten zu gießen. Denn derzeit würde fast die Hälfte des im Haushalt verbrauchten Wassers für die Toilettenspülung verwendet.

Was die Stadt politisch tun kann

Tengens Bürgermeister Marian Schreier betonte auf Nachfrage dieser Zeitung, dass einige bei der Dialogveranstaltung genannten Probleme nicht in die Zuständigkeit der Stadt fallen würden. Als Beispiel nannte er den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs. „Trotzdem kann sich die Stadt bei diesen Themen engagieren. Das hat sie in der Vergangenheit auch getan, so wurde beispielsweise der Schnellbus nach Singen erreicht“, so Schreier.

Moderiert hat die Veranstaltung Ilan Siebert, Initiator und Mitbegründer von „Es geht los“. „Es geht los“ begleitet die Überarbeitung des Tengener Leitbildes. „Es geht los“ ist nach eigenen Angaben ein zivilgesellschaftlicher und überparteilicher Think & Do Tank (Denkfabrik und Umsetzungsinitiative) für zufallsbasierte Bürgerbeteiligung und deren Verstetigung.

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Auch Arno Jesse, Bürgermeister von Brandis in Sachsen, nahm an der Dialogveranstaltung in der Tengener Randenhalle teil. „Das war eine halbe Weltreise nach Tengen“, äußerte er gegenüber dem SÜDKURIER.

Im Anschluss traf sich ein Bürgerrat. Zufällig ausgewählte Bürger konnten sich dort einbringen. Sie wurden in den Rat eingeladen. Wer sich nicht meldete, wurde zuhause an der Haustüre gefragt, was es brauchen würde, damit er mitmacht. Durch dieses „aufsuchende Losverfahren“ sollten auch Aspekte von Bürgern mitbedacht werden, die diese sonst vielleicht nicht geäußert hätten. Zum Schluss geht das Ergebnis wieder in den Gemeinderat.