Nach dem Kenntnisstand von Tengens Bürgermeister Marian Schreier gilt das Projekt als einmalig in Süddeutschland: In einer Genossenschaft haben Bürger durch den Bau eines neues Ärztezentrums die künftige ländliche medizinische Versorgung in Tengen gesichert. Sie bescherten sich bei der Einweihung selbst einen großen Bahnhof. Mit von der Partie war der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha. Er würdigte den neuen Mittelpunkt im Ortszentrum von Tengen als „landesweites Leuchtturmprojekt“. Gut 250 der 400 Bürger mit Genossenschaftsanteilen feierten die Eröffnung bei teils heftig prasselndem Regen.

Schere frei für die Eröffnung des Ärztehauses: Sozialminister Manfred Lucha (links) und Bürgermeister Marian Schreier. Neben Lucha steht ...
Schere frei für die Eröffnung des Ärztehauses: Sozialminister Manfred Lucha (links) und Bürgermeister Marian Schreier. Neben Lucha steht die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger. | Bild: Tesche, Sabine

Im dreistöckigen Gebäude sind auch eine Zahnarztpraxis, eine Tagespflege für ältere Menschen und eine Kinderkrippe integriert. „Sie haben gezeigt, wieviel Ihnen die Gesundheit wert ist. Sie haben das selbst mit Geld hinterlegt“, erklärt Lucha mit Blick darauf, dass Bürger aus Tengen und den Stadtteilen über Genossenschaftsanteile den Bau des Ärztezentrums zu einem großen Teil selbst finanziert haben. 780.000 Euro sind dadurch zusammengekommen. Die Gesamtkosten für das Ärztezentrum und der integrierten sozialen Einrichtungen belaufen sich auf 3,4 Millionen Euro. Das Land beteiligt sich mit 200.000 Euro.

Wenn auch maskiert dies nicht erkennbar wird: (von links) Andreas Graf von Luckner vom Vorstand der Genossenschaft, Sozialminister ...
Wenn auch maskiert dies nicht erkennbar wird: (von links) Andreas Graf von Luckner vom Vorstand der Genossenschaft, Sozialminister Manfred Lucha, die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger und Bürgermeister Marian Schreier freuen sich über die Eröffnung des neuen Ärztehauses. | Bild: Tesche, Sabine

„Das Projekt eignet sich als Blaupause für andere solcher Vorhaben. Und die Beschäftigten sind in allen Bereichen tätig, die das Leben ausmachen: Gesundheit, Pflege und Unterstützung von jungen Familien. Sie haben den verlässlichsten Arbeitgeber – die Bürger“, betonte Lucha.

Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha bei seiner Rede.
Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha bei seiner Rede. | Bild: Tesche, Sabine

Bürgermeister Schreier, der zusammen mit Andreas Graf von Luckner den Vorsitz der Genossenschaft hat, erinnerte an die erste Bürgerversammlung zum Thema im Dezember 2018. „Mut, Zuversicht, Phantasie und Umwege“, diese Faktoren nannte Schreier, die das Projekt von Anfang an begleitet hätten.

Viele Gäste suchen wegen des heftigen Regens Schutz in den aufgestellten Zelten. Sie lassen sich aber die gute Laune nicht vermiesen.
Viele Gäste suchen wegen des heftigen Regens Schutz in den aufgestellten Zelten. Sie lassen sich aber die gute Laune nicht vermiesen. | Bild: Tesche, Sabine

„Mit starker Beteiligung der Bürgerschaft kamen wir zum Entschluss, keine herkömmliche Lösung zu suchen, wie über Investoren oder die Stadt zu bauen. Es war ein Glücksfall, dass wir neben den Bürgern viele Partner aus örtlichen Gewerbebetrieben sowie Banken und Kirchen fanden. Sie alle hatten den Mut, zu investieren und so die Grundlage für ein generationsübergreifendes Miteinander im neuen Ärztehaus zu legen“, schilderte er.

Architekt Werner Bäuerle zeigt auf der Bildertafel den Bauverlauf.
Architekt Werner Bäuerle zeigt auf der Bildertafel den Bauverlauf. | Bild: Tesche, Sabine

„Bereits 1921 hat das Mediziner-Ehepaar Hahn die medizinische Versorgung in Tengen als klassische Hausärzte aufgebaut“, so der Bürgermeister. Max Hahn hat die Praxis in nächster Genration weitergeführt, auch gemeinschaftlich mit anderen Medizinern. „Die Geschichte wiederholt sich“, sagte Schreier.

Das Bild zeigt das Caritas-Team im Raum der Tagespflege.
Das Bild zeigt das Caritas-Team im Raum der Tagespflege. | Bild: Tesche, Sabine

Mehr als 400 Genossen bei 4700 Einwohnern von Tengen sei eine erstaunliche Zahl, wenn zu ihnen auch einige Auswärtige gehörten. Es entstand auch aus einem Architektenwettbewerb. Schreier dankte dem Konstanzer Architekten Werner Bäuerle und Jürgen Kaspar, dessen Firma aus Gutach die Holzkonstruktion fertigte, für einen reibungslosen Bauablauf.

Marian Schreier, Dorothea Wehinger und Manfred Lucha bei der Besichtigung der Kinderkrippe.
Marian Schreier, Dorothea Wehinger und Manfred Lucha bei der Besichtigung der Kinderkrippe. | Bild: Tesche, Sabine

„Lebensträume gehen in Erfüllung“, sagte Andreas Graf von Luckner, ein Arzt, der seinen Beruf auch als Rentner und Hochschuldozent immer noch mit Leidenschaft ausführt. Er lobte den Mut der Ärzte auf Veränderung, um die Versorgung zu sichern. Luckner war viele Jahre in die Tengener Gemeinschaftspraxis integriert. „Ein neues soziales Modell, das viele Ärztinnen in Balance von Arbeit und Privatleben in Teilzeit vorsieht, kann durch solche Einrichtungen profitieren“, so Luckner.