Nach dem Kenntnisstand von Tengens Bürgermeister Marian Schreier gilt das Projekt als einmalig in Süddeutschland: In einer Genossenschaft haben Bürger durch den Bau eines neues Ärztezentrums die künftige ländliche medizinische Versorgung in Tengen gesichert. Sie bescherten sich bei der Einweihung selbst einen großen Bahnhof. Mit von der Partie war der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha. Er würdigte den neuen Mittelpunkt im Ortszentrum von Tengen als „landesweites Leuchtturmprojekt“. Gut 250 der 400 Bürger mit Genossenschaftsanteilen feierten die Eröffnung bei teils heftig prasselndem Regen.

Im dreistöckigen Gebäude sind auch eine Zahnarztpraxis, eine Tagespflege für ältere Menschen und eine Kinderkrippe integriert. „Sie haben gezeigt, wieviel Ihnen die Gesundheit wert ist. Sie haben das selbst mit Geld hinterlegt“, erklärt Lucha mit Blick darauf, dass Bürger aus Tengen und den Stadtteilen über Genossenschaftsanteile den Bau des Ärztezentrums zu einem großen Teil selbst finanziert haben. 780.000 Euro sind dadurch zusammengekommen. Die Gesamtkosten für das Ärztezentrum und der integrierten sozialen Einrichtungen belaufen sich auf 3,4 Millionen Euro. Das Land beteiligt sich mit 200.000 Euro.

„Das Projekt eignet sich als Blaupause für andere solcher Vorhaben. Und die Beschäftigten sind in allen Bereichen tätig, die das Leben ausmachen: Gesundheit, Pflege und Unterstützung von jungen Familien. Sie haben den verlässlichsten Arbeitgeber – die Bürger“, betonte Lucha.
Bürgermeister Schreier, der zusammen mit Andreas Graf von Luckner den Vorsitz der Genossenschaft hat, erinnerte an die erste Bürgerversammlung zum Thema im Dezember 2018. „Mut, Zuversicht, Phantasie und Umwege“, diese Faktoren nannte Schreier, die das Projekt von Anfang an begleitet hätten.

„Mit starker Beteiligung der Bürgerschaft kamen wir zum Entschluss, keine herkömmliche Lösung zu suchen, wie über Investoren oder die Stadt zu bauen. Es war ein Glücksfall, dass wir neben den Bürgern viele Partner aus örtlichen Gewerbebetrieben sowie Banken und Kirchen fanden. Sie alle hatten den Mut, zu investieren und so die Grundlage für ein generationsübergreifendes Miteinander im neuen Ärztehaus zu legen“, schilderte er.
„Bereits 1921 hat das Mediziner-Ehepaar Hahn die medizinische Versorgung in Tengen als klassische Hausärzte aufgebaut“, so der Bürgermeister. Max Hahn hat die Praxis in nächster Genration weitergeführt, auch gemeinschaftlich mit anderen Medizinern. „Die Geschichte wiederholt sich“, sagte Schreier.
Mehr als 400 Genossen bei 4700 Einwohnern von Tengen sei eine erstaunliche Zahl, wenn zu ihnen auch einige Auswärtige gehörten. Es entstand auch aus einem Architektenwettbewerb. Schreier dankte dem Konstanzer Architekten Werner Bäuerle und Jürgen Kaspar, dessen Firma aus Gutach die Holzkonstruktion fertigte, für einen reibungslosen Bauablauf.

„Lebensträume gehen in Erfüllung“, sagte Andreas Graf von Luckner, ein Arzt, der seinen Beruf auch als Rentner und Hochschuldozent immer noch mit Leidenschaft ausführt. Er lobte den Mut der Ärzte auf Veränderung, um die Versorgung zu sichern. Luckner war viele Jahre in die Tengener Gemeinschaftspraxis integriert. „Ein neues soziales Modell, das viele Ärztinnen in Balance von Arbeit und Privatleben in Teilzeit vorsieht, kann durch solche Einrichtungen profitieren“, so Luckner.
Neue Tengener Mitte
Das neue Tengener Ärztehaus mit den Medizinern Max Hahn, Christine Riede, Andrea Harder und Stefanie Wehler sowie der Zahnartzpraxis Uli Müller, eine Tagespflege für Senioren und einer Kinderkrippe bildet einen wichtigen Baustein für das neue Zentrum von Tengen. Dort befindet sich auch das Rathaus, das Feuerwehrgebäude, ein Pavillion, in dem die Stadtkapelle Tengen probt und das DRK-Heim. Geplant ist auf dem Platz ein neuer Bürgersaal. Ein Kastaniengarten bietet auch einen lauschigen Platz für Feste. Angeschlossen ist auch der große Volksfestplatz, auf dem außerhalb von Corona-Zeiten der Schätzele-Markt stattfindet.