Wenige Tage vor der Bürgermeisterwahl in Tengen am Sonntag, 5. März, scheinen viele Wahlberechtigten noch unschlüssig, hinter welchem Namen sie ihr Kreuzchen machen sollen. Daran hat auch das SÜDKURIER-Wahlkampfpodium nicht viel ändern können. An was es liegt? Sicherlich nicht an den beiden Moderatoren: Stephan Freißmann, Leiter der Singener SÜDKURIER-Lokalredaktion, und Redakteur Albert Bittlingmaier versuchen immer wieder, die vier Kandidaten Sven Müller, Heiko Strauß, Markus Bauermeister und Katja Wosiewicz auf den kommunalpolitischen Prüfstand zu stellen.

Vielmehr sorgen die Antworten der Kandidaten bei den rund 300 Besuchern in der Randenhalle für Gelächter und teilweise ungläubiges Kopfschütteln. Eine Zuschauerin geht gar so weit, den Kandidaten zu attestieren: „Sie sind alle nicht wählbar.“

Aufmerksam verfolgen die mehr als 300 Zuhörer das Podium in der Randenhalle in Tengen.
Aufmerksam verfolgen die mehr als 300 Zuhörer das Podium in der Randenhalle in Tengen. | Bild: Hanser, Oliver

Es ist ein Abend voller kritischer Stimmen aus dem Publikum, bei dem die vier Kandidaten auf dem Podium einiges einstecken müssen. Aber einen Kritikpunkt müssen sich auch die Tengener gefallen lassen: „Ich sehe keinen Tengener hier oben sitzen. Dabei ist seit einem Jahr bekannt, dass Bürgermeister Marian Schreier geht“, erwidert Heiko Strauß auf einen der kritischen Anwürfe.

Die Tengener Bürger machen mobil

Zeit zum Aufwärmen haben die Kandidaten auf dem Podium nicht. Dafür lässt das Moderatoren-Duo des SÜDKURIER ihnen keine Zeit. Angesprochen auf eine Whatsapp-Gruppe mit mehreren hundert Teilnehmern, die die Wähler dazu aufruft, am Wahlsonntag so abzustimmen, dass ein zweiter Wahlgang nötig wird, wirken die Bewerber irritiert.

Sie will Tengens erste Bürgermeisterin werden: Katja Wosiewicz.
Sie will Tengens erste Bürgermeisterin werden: Katja Wosiewicz. | Bild: Hanser, Oliver

Katja Wosiewicz wolle ihr Bestes geben, mehr könne sie nicht in die Waagschale werfen. Sie erachte es als demokratisches Prinzip, dass Alternativen gesucht werden. Markus Bauermeister gibt sich kämpferisch, er sei Vollblutdemokrat und werde alles schaffen. Heiko Strauß ist an diesem Abend der erste, der darauf verweist, dass Bürgermeister kein Lehrberuf sei. „Ich kann nur meine Qualitäten einbringen“, sagt er. Sven Müller wolle ein langfristiger Bürgermeister sein. Er stehe mit Fleiß und Ernsthaftigkeit hinter seiner Kandidatur.

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Was an dem Abend auffällt: In vielen Situationen gehen die vier Kandidaten nicht direkt auf die Fragen der Moderatoren ein. Konkrete Aussagen und Ziele bleiben Mangelware. Immerhin bei einer Frage wird es dann doch konkret: Alle Kandidaten würden im Falle eines Wahlsieges nach Tengen ziehen. Während drei von ihnen (Müller, Strauß und Wosiewicz) jeweils ihre Familien mitbringen wollen, wird einer (Bauermeister) seine Katze mit an den Randen bringen.

Kein Verwalter? Kein Problem!

Die Kandidaten haben einiges gemeinsam: Keiner von ihnen hat Erfahrungen in einer Verwaltung. Aber alle machen deutlich, dass sie das nicht für ein Problem halten. „Ein Bürgermeister muss auch repräsentieren, nicht nur verwalten“, sagt Sven Müller. Er wolle sich den Feinschliff als neuer Bürgermeister bei der alltäglichen Arbeit holen.

Bürgermeisterkandidat Sven Müller auf dem Podium.
Bürgermeisterkandidat Sven Müller auf dem Podium. | Bild: Hanser, Oliver

Heiko Strauß sieht das ähnlich: Er wolle sich die Fähigkeiten eines Bürgermeisters von den Mitarbeitern im Rathaus erlernen. Markus Bauermeister betont, dass es mehr gebe als nur Verwaltungsarbeit. Vielmehr müsse ein Bürgermeister bürgernah agieren. Er ist sich sicher, die nötigen Kenntnisse bereits durch seine Arbeit bei der Handwerkskammer erlangt zu haben. Auch Katja Wosiewicz will sich im Falle einer Wahl auf die „hervorragende Expertise im Rathaus“ verlassen. Dafür sei eine intensive Phase des Kennenlernens wichtig.

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Erstaunlich ist, dass immer wieder im Gespräch auf dem Podium die Bemerkung fällt, dass Bürgermeister kein klassischer Ausbildungsberuf sei. Eine Einstellung, die im Publikum teilweise mit Kopfschütteln quittiert wird. Schließlich wird bei der Diskussion auch deutlich: Der städtische Haushalt in Tengen umfasst 14 Millionen Euro, außerdem trägt der Bürgermeister Verantwortung für 120 Mitarbeiter im Rathaus.

Vorbereitung ist die halbe Miete

Auch bei den Themen haben die Kandidaten einige Gemeinsamkeiten, nämlich lückenhafte Ortskenntnis. Den Neubau der Schulmensa haben zum Beispiel alle auf dem Schirm: Sie sei ein wichtiger Baustein für den Ausbau der Ganztagesbetreuung in Tengen, da sind sie sich einig. Das ruft Bettina Baumgärtner auf den Plan. „Ich bin erschüttert, wie schlecht vorbereitet Sie hier sitzen“, ruft die Zuschauerin den Kandidaten zu. Denn in Tengen gebe es schon seit Jahren eine Ganztagesbetreuung.

Die Mensa diene nicht dazu, um Betreuung zu schaffen, sondern um dringend benötigte Räume dafür zu bauen. „Aktuell gehen unsere Kinder nämlich im Foyer der Randenhalle zum Mittagessen“, sagt sie. Dann deutet sie wie zur Bestätigung zur Tür der Sporthalle, dort sind die bunten Tische im Foyer zu sehen, die für das Mittagessen aufgebaut werden und nun zur Seite geschoben wurden.

Hier wollen die Kandidaten anpacken – oder auch nicht

Während die Fragen der Moderatoren langsam in konkrete Tengener Themen übergehen, bleiben die Antworten im besten Fall unkonkret.

Er will neuer Bürgermeister in Tengen werden: Heiko Strauß.
Er will neuer Bürgermeister in Tengen werden: Heiko Strauß. | Bild: Hanser, Oliver

Angesichts dringender Projekte wie etwa der neuen Feuerwehr, der Schul-Mensa oder dem DRK-Heim will Heiko Strauß die Einnahmenseite der Gemeinde erhöhen. Die Feuerwehr sehe er weit oben auf der Priorisierungsliste – so weit, dass das Projekt sogar beschleunigt werden müsse. Katja Wosiewicz sieht die Prioritätenliste als wichtiges Steuerungselement. Mit Blick auf das Leitbild 2030 wolle sie den Prozess fortführen, erweitern und verbessern. Bei zukünftigen Projekten wolle sie vermehrt auf Bürgerumfragen setzen.

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Markus Bauermeister wolle die Bürger steuertechnisch nicht belasten. Dort sei man am Anschlag – und zwar deutschlandweit. Sven Müller wolle bei den anstehenden Großprojekten die finanzielle Seite der Stadt nicht außer acht lassen. Aktuell sei nicht abschätzbar, wann das Feuerwehrhaus oder das DRK-Heim fertig sei. Aber: „Die Platzfindung für das Feuerwehrhaus soll dieses Jahr gelöst werden.“

Markus Bauermeister strebt die Nachfolge von Rathauschef Marian Schreier an.
Markus Bauermeister strebt die Nachfolge von Rathauschef Marian Schreier an. | Bild: Hanser, Oliver

Die Sache mit der Gewerbesteuer

Für Aufsehen sorgt Markus Bauermeister dann mit der Aussage, er wolle die Gewerbesteuer senken. Stattdessen wolle er mehr kleinere Handwerksunternehmen in Tengen ansiedeln. „Im Gewerbegebiet ist noch Platz“, sagt er. Das ruft Heiko Strauß auf den Plan, der seinen Gegenkandidaten bei dieser Aussage ungläubig anschaut. „Du schießt damit die Einnahmequelle der Stadt weg“, sagt er. Die Gewerbesteuer ist das Grundgerüst einer jeden Stadt.

Zwei leichte Bürgerfragen für die Bürgermeister-Anfänger

Auch die Zuschauer können den Kandidaten zum größten Teil keine zufriedenstellenden Antworten entlocken. Gabi Leichenauer will etwa wissen, ob schon alle vier in den Tengener Teilorten waren und diese kennen. Bis auf Sven Müller verneinen alle Kandidaten. Katja Wosiewicz war immerhin teilweise in den Tengener Stadtteilen. Auf ihre Aussage, dass sie dies in den wenigen Tagen bis zur Wahl noch nachholen wolle, schlägt Markus Bauermeister vor, dass man sich hierfür vielleicht vernetzen könne. Kurzzeitig erscheint es so, als ob Bauermeister vergessen habe, dass die Tengener nur ein Kreuzchen auf dem Stimmzettel machen können.

Führten durch den Abend: die beiden Moderatoren, Redakteur Albert Bittlingmaier und Stephan Freißmann, Leiter der ...
Führten durch den Abend: die beiden Moderatoren, Redakteur Albert Bittlingmaier und Stephan Freißmann, Leiter der SÜDKURIER-Lokalredaktion in Singen. | Bild: Hanser, Oliver

Jennifer Maier will indes wissen, ob schon jeder Kandidat mindestens bei einer Gemeinderatssitzung in Tengen anwesend gewesen sei. Immerhin werden dort die Entscheidungen über die Zukunft der Stadt gefällt. Heiko Strauß und Markus Bauermeister verneinen und verweisen auf berufliche sowie private Termine. Sven Müller wohnte zumindest teilweise einer Sitzung bei und Katja Wosiewicz war bei zwei Sitzungen. Immerhin: Bauermeister wolle dies nachholen. Blöd nur, dass vor der Wahl am Sonntag keine Sitzungen mehr sind.

Und was sagen die Bürger aus Tengen zur Podiumsdiskussion?

Jürgen und Birgit Maier aus dem Tengener Stadtteil Büßlingen sind gekommen um zu erfahren, für was die Kandidaten stehen. „Uns interessiert, was ihre Stärken und Schwächen sind“, so Jürgen Maier.

„Uns interessiert, was ihre Stärken und Schwächen sind“, so Birgit und Jürgen Maier.
„Uns interessiert, was ihre Stärken und Schwächen sind“, so Birgit und Jürgen Maier. | Bild: Uli Zeller

Auch für Dorothea von Choltitz aus Tengen-Uttenhofen ist es wichtig, wer Bürgermeister ist: „Ich finde wichtig, dass auf lokaler Ebene die Klimakrise in den Blick genommen wird. Die Bedürfnisse der Landwirtschaft sollten berücksichtigt werden. Auch der öffentliche Nahverkehr muss verbessert werden.“

Dorothea von Choltitz aus Tengen-Uttenhofen.
Dorothea von Choltitz aus Tengen-Uttenhofen. | Bild: Uli Zeller

Stefan Blum aus Tengens Stadtteil Weil bedauert, dass es zu wenige qualifizierte Bewerber für das Amt des Bürgermeisters in Tengen gibt. „Heute ist die Qualifikation jedenfalls nicht deutlich geworden“, lautet sein Fazit nach der Podiumsdiskussion.

Für Stefan Blum ist die Qualifikation der Bewerber nicht deutlich geworden.
Für Stefan Blum ist die Qualifikation der Bewerber nicht deutlich geworden. | Bild: Uli Zeller