Herr Garvey, bei Stars in Town waren Sie zuletzt 2019. Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr?
Auf das Festival selbst. Das ist so super. Das ist auf jeden Fall so ein Festival, wo ich dachte, wow. Diese Aussicht ist halt so genial und das Publikum war absolut selig. Das war eine tolle Erinnerung. Als es hieß, Stars in Town, habe ich gesagt – absolut: Let‘s do it. Und das Lineup ist auch top, ich meine James Bay, Tom Gregory. Das sind so Gründe, um da zu sein.
Singen ist von Schaffhausen nicht mehr weit. Hier haben Sie eine Weile gelebt. Welche Erinnerungen bleiben?
Singen war ganz am Anfang bei mir. Ich habe extrem viel in jeder Kneipe gespielt, fast an jeder Ecke, um meine Miete zahlen zu können. Und es war aufregend. Es war nicht immer leicht. Manchmal war es sehr schwer. Aber das war, glaube ich, meine Feuerprüfung. Wie viel kannst du aushalten, um zu bestätigen, dass das dein Traum ist und dass du das unbedingt willst. Viele hätten aufgegeben. Es war durchgehend schwer. Damals habe ich gar nicht drüber nachgedacht. Damals habe ich nur weiter geackert, Songs geschrieben, jeden Auftritt angenommen.
Aber ich habe von der Gegend und wo ich gelebt habe, wo ich unterwegs war, nur tolle Erinnerung. Das war unglaublich schön. Ich habe damals meinen Führerschein gemacht. Dann bin ich halt mit meinem alten Golf GT, irgend so ein gebrauchtes Auto, durch die Berge. Ich habe versucht, mit 80 PS zu überholen, dann gemerkt, bleib am besten dahinter. Da waren oft Momente, an die ich zurückdenke. Ich bin kein Einzelgänger, also gar nicht. Aber in der Zeit musste ich alleine gehen, obwohl viele Menschen mir geholfen haben. Trotzdem war ich oft allein in diesem Auto und habe mich gefragt „what the fuck are you doing?“ Aber jetzt sind wir hier.
Mittlerweile haben Sie Ihr sechstes Album rausgebracht. Wird es mit den Jahren einfacher?
Ne, denn du willst ja weiter in der ersten Reihe sein. Du hast keine Lust, nur mitzumachen. Ich will beeindrucken und ich weiß, ich muss mich selbst beeindrucken. Es müssen nicht alle anderen gut finden, aber ich muss mich komplett darin verlieben. Ich mein, es ist kein schweres Leben, wenn ich es mit so manchem anderen vergleiche, aber es ist schon herausfordernd. Du willst immer dein Bestes geben. Ich möchte nicht sagen, das ist meine zweitbeste Platte jemals. Ich will immer sagen, das ist mein fucking bestes Album ever.
Wie bleibt man so innovativ?
Ich arbeite mit vielen unterschiedlichen Menschen. Das gibt mir viel. Ich bin immer hungrig, mit jungen Songwritern zu schreiben, die mich inspirieren durch ihren eigenen Hunger. Manchmal ist ihre Sprache anders als meine. Meine Frau ist jemand, den ich sehr gerne beeindrucke und sie fordert mich raus. Sie ist komplett überzeugt, ich kann alles. Das muss ich sehr oft beweisen. Das ist eine Stärke. Im Endeffekt sitze ich nie hin und denke, ja ich kann alles oder ich habe es geschafft. Ich bin sehr oft beschäftigt mit der Herausforderung. Ich mag das und brauche das auch. Ich habe zum Beispiel einen Pilotenschein gemacht. Da dachte ich, warum machst du das? Ist ja verrückt. Aber es hat mich herausgefordert und das fand ich gut.
Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Alben?
Stell dir vor, von einer Person geht ein Faden zu jedem anderen Mensch, den er oder sie kennt, und von denen wiederum zu den Menschen, die sie kennen – und dann überlegt man sich, wie stark der Faden ist. Dieser Faden steht symbolisch für die Leitung von Inspiration. Ich hoffe, das macht Sinn (lacht). Es ist so ein Netzwerk von Menschen. Wir befinden uns in diesem Labyrinth, das wir im ersten Moment nicht so unbedingt verstehen und das inspiriert.
Das ist meine Aufgabe als Musiker, über das zu sprechen und zu schreiben, was im Moment in der Welt stattfindet. Viele können weggucken. Ich glaube, unsere Aufgabe ist, genau darauf zu gucken. Und ich versuche, nur darüber zu sprechen, was ich verstehe. Wenn man im Raum mit jemandem sitzt und fängt an, Songs zu schreiben, dann redet man die ganze Zeit über das, was wichtig ist. Manchmal merkst du, oh wow, ich wusste nicht, dass ich so denke. Ich liebe es, Songwriter zu sein. Heute war gar nichts, das gibt es nicht. Es muss nicht der beste Song der Welt sein, aber ein Lied wird geschrieben.

Wie viel Zeit braucht es, bis ein Album fertig ist?
Ist unterschiedlich. Es kommt darauf an, mit wem ich zu tun habe. Wenn ich in einem Raum bin mit jemandem, wo eine absolute Synergie da ist, wo wir beide uns sehr gut verstehen, dann gibt es halt mehr Songs. Normalerweise ist man in einem Raum mit Menschen, die wirklich ihre Kompetenzen gut kennen und sie gut einordnen. Man darf nicht reingehen mit irgendwie ein Gefühl von Zeitdruck oder Spannung. Also wir sind Künstler, wir machen Kunst.
Wie viele Personen sind daran beteiligt?
Kommt drauf an. Also ganz ehrlich, ich finde es witzig, wenn man sich so Hip-Hop-Lieder aus Amerika anschaut, da sind 14 oder 15 Mitwirkende aufgelistet. Da frag ich mich, was haben die alle geschrieben? Ich glaube, ich bin überfordert, wenn wir mehr als drei Leute sind. Vier ist für mich zu viel. Natürlich hat es das schon gegeben, vielleicht auch fünf oder sechs. Aber ich bin dann ein bisschen überfordert. Wenn alle an dem gleichen Strang ziehen, dann funktioniert es.
Ich brauche es, die Rolle von jedem im Raum zu verstehen. Wenn jemand sagt, er ist Songwriter, dann ist auch die Frage, was schreibt er? Schreibt er die Melodie, die Musik oder die Texte. Ich muss einordnen können, wer ist mein Partner in welchem Moment. Ich schreibe sehr viele Melodien, sehr viel Musik und sehr viel Text, aber ich würde behaupten, Text und Melodie ist das, was ich am besten kann. Trotzdem bin ich immer bereit, zu lernen. Wenn jemand besser als ich ist, dann freue ich mich darüber und ich denke wow, das haut mich um, ich will unbedingt mit der Person weiterarbeiten. Genau so etwas brauche ich.
Das Album ist raus, jetzt kommt die Tour. Was ist Ihnen lieber?
Es ist ein bisschen ein Kreislauf. Wenn du so viel Zeit verbringst mit Songwriting, dann freust du dich, endlich mal ins Studio zu gehen und anders kreativ zu sein. Wenn du das dann fertig hast, freust du dich, das live zu spielen. Diese Energie, diese zwei Jahren, die man manchmal verbracht hat mit Songwriting und Produktion, die willst du dann präsentieren. Allerdings sind die Zeiträume kürzer geworden. Auf der Tour ist man schon am Songs schreiben für das nächste Album. Die Welt hat einfach ein anderes Tempo. Ich finde es trotzdem cool, weil ich Spaß daran habe und ich glaube, das ist das wichtigste für mich. Ich mag das Gefühl nicht, gedrängt zu werden.
Haben Sie denn Lampenfieber?
Ich habe nicht mehr unbedingt Lampenfieber. Am Anfang habe ich gemerkt, dass Lampenfieber nicht gut ist für mich und ich habe an mir selbst gearbeitet. Das nimmt sonst die ersten 20 Minuten von der Show weg. Es gibt ein paar Rituale, die ich gerne mach – nicht, weil ich abergläubisch bin, aber weil ich die Rituale mag. Eins davon ist so, ein Gebet zu sagen. Da denke ich an alle, die ich liebe und die mich stärken. So kommt bei mir eine absolute Ruhe rein. Das kann ich überall machen. Es ist mir echt egal, ob das hinterm Truck oder direkt vor der Bühne ist. Danach gehe ich mit einer unglaublichen Stärke auf die Bühne. Das Lampenfieber ist so weg. Ich habe das umbenannt zu Euphorie. But I‘m there, I‘m in the moment.
Ihr aktuelles Album haben Sie Halo genannt. Spielt Glauben in Ihrem Leben eine Rolle?
Absolut, ja, aber nicht so. Halo war nicht im Sinn von Heiligenschein gedacht. Halo ist, was man ausstrahlt. Ich fand Halo so ein super Wort. Wir haben den Song geschrieben und dachten okay, die Platte heißt Halo. Sie kennen das sicher auch, wenn jemand in den Raum kommt und hat diese Ausstrahlung. Du kannst nicht weggucken. Du willst diese Person anschauen oder ihr vielleicht zuhören. Das ist Halo für mich. Wenn du nicht strahlst, dann ist irgendwas nicht richtig. Der Gedanke hinter dem Song war, wenn dein Halo schief hängt oder anders gesagt, wenn du nicht strahlst, dann bin ich für dich da und wir kommen wieder dahin. Jeder hat dieses Strahlen in sich.
Album, Tour und TV-Formaten – bleibt da noch Zeit für Privatleben?
Ich glaube schon, weil ich das für wichtiger halte als alles andere. Ich bin niemand, der sagt, Nein, das können wir nicht absagen. Wenn irgendwas Wichtiges zu Hause ansteht, ist das eben wichtiger. Diese Entscheidung habe ich, Gott sei Dank, ziemlich früh getroffen. Ich habe schon sehr viel erlebt und will auch mehr erleben. Ich bin auf jeden Fall als Musiker noch lange nicht fertig mit dem, was ich zu sagen habe oder machen will. Aber ich habe nie irgendwie das Gefühl gehabt, dass das wichtiger ist als meine Familie, hier oder in Irland. Das macht mich auch froh und zufrieden mit mir selbst. Mein Privatleben ist ein Teil von allem, was ich mache.