Nach zwei Jahren „Summer of Pioneers“ und der Gründung eines Bürgervereins steht nun die Frage im Raum, Schloss Blumenfeld ab Januar langfristig zu verpachten. Da das Gelingen des Projektes eng mit dem Engagement der künftigen Tengener Bürgermeisterin oder des künftigen Bürgermeisters zusammenhänge, musste zunächst ein Übergangskonzept bis Ende September 2023 bewilligt werden.
Es sei ein schlechtes Geschäftsmodell, betonte Bürgermeister Marian Schreier in einer der letzten Gemeinderatssitzungen: „Der Eigenbetrieb Schloss Blumenfeld ist notorisch defizitär.“ Es gebe keine Erlöse, dafür noch Defizite vom ehemaligen Pflegeheim. 250.000 Euro sind jährlich für Zins, Tilgung und laufenden Unterhalt eingeplant. Der 2013 fürs Pflegeheim aufgenommene Kredit wird erst im Jahr 2033 beglichen sein, erläutert Tengens Kämmerer Tonino Christiani auf Nachfrage.
10.000 Ehrenamtsstunden in zwei Sommern
Zur Belebung des leer stehenden Schlosses – auch mit der Hoffnung, langfristig nicht mehr drauf zu zahlen – rief die Stadt in den vergangenen zwei Jahren einen „Summer of Pioneers“ aus. Digital- und Kreativarbeiter zogen ins Schloss, belebten es und leisteten viel für Tengen und die Bevölkerung. Die Begeisterung sprang aufs Dorf über. Ein Bürgerverein entstand, der die Anstrengungen der zwei Pioniersommer weiterhin unterstützen und ergänzen sollte.

Um nur einige Zahlen zu nennen: In zwei Sommern kamen über 6.000 Veranstaltungsgäste. 45 Pioniere lebten und arbeiteten im Schloss. Die Pioniere leisteten über 10.000 Ehrenamtsstunden. 50 Engagierte aus der Region brachten sich ein. Hinzu kamen Schlossführungen, der Podcast „Schlossgeschichten“, Workshops, Hofkonzerte und Nachbarschaftstreffen – und das regelmäßig geöffnete Schlosscafé.

Nun ist der zweite „Summer of Pioneers“ zu Ende und Neulandia – die Firma, die hinter dem Pioniersommer steht – erwog, das Schloss zu pachten und gemeinsam mit der Stadt ein Konzept zur langfristigen Nutzung zu erarbeiten. Bürgermeister Marian Schreier sprach vom Schloss Blumenfeld bereits als ‚Zukunftsherberge‘, Frederik Fischer von Neulandia vom ‚Wunder von Blumenfeld‘. Im September war im Gemeinderat die Rede davon, dass Zimmer und Räume vermietet werden könnten. Zusätzlich war angedacht, dass man weitere Räumlichkeiten des Schlosses vermieten könne – für Veranstaltungen, Gastro-Konzepte, Konferenzen oder Film-Drehs.
Schreier will Nachfolger entscheiden lassen
Doch Schreiers Zukunftsherberge ist jetzt erstmal in der Gegenwart stecken geblieben. Und im Gemeinderat war mehr von Verwunderung zu merken als von einem Wunder: Bürgermeister Marian Schreier spricht von einer Neubewertung. Ob man den eingeschlagenen Weg so weitergehen könne, hänge stark von der Person des Bürgermeisters ab. „Eine dauerhafte Verpachtung ist eine Entscheidung von erheblicher finanzieller und inhaltlicher Tragweite“, so Schreier. Das Projekt lebe vom Engagement des Bürgermeisters. Und dieser wird in Tengen 2023 neu gewählt.

So zeigte Schreier dem Gremium den Zwiespalt auf, der derzeit besteht: „Einerseits sollte man einen Nachfolger mit so einer Entscheidung nicht binden. Andererseits sollte der Betrieb im Schloss weiterlaufen.“ Er schlug dem Rat eine Übergangslösung mit acht Punkten vor, die bis Ende September 2023 gelten sollte – bis der Amtsnachfolger fest im Sattel sitzt.
Übergangskonzept erst kurzfristig übermittelt
Das sorgte im Gemeinderat zunächst für Irritationen. Erst am Vorabend waren die acht Eckpunkte an die Vorsitzenden der drei Fraktionen übermittelt worden. Nicht alle Ratsmitglieder hatten davon vor der Sitzung gehört. Thomas Wezstein (Freie Wähler) berichtet, er habe seine Fraktion am Vorabend mit einer mehr als zehnminütigen Sprachnachricht über den Sachverhalt informiert.

Wezstein, der zugleich Blumenfelds Ortsvorsteher ist, war es dann auch, der im Gemeinderat ein emotionales Plädoyer hielt: „Für die jungen Leute im Schloss ist das eine Existenzfrage. Sie haben sich sehr für die Belebung eingesetzt. Stimmt bitte dem Projekt zu und vertagt es nicht. Sonst gehen an Silvester im Schloss die Lichter aus und die Türen zu.“ Die noch bestehende Kerngruppe, die vom Pioniersommer zurückgeblieben ist, brauche Planungssicherheit.

Bürgermeister Marian Schreier unterbrach die Sitzung auf Wunsch von Jennifer Maier (CDU) einige Minuten, damit die Fraktionen sich beraten konnten. Michael Grambau (SPD/Freie Bürger) sagte: „Die Übergangslösung ist sinnvoll. Es muss weiter laufen. Wir können nicht ein Jahr dicht machen.“ Josef Ritzi (SPD/Freie Bürger) betonte: „Ich kann zustimmen, wenn die Vereine gleichberechtigt sind und das Schloss wie die Kerngruppe auch mietfrei nutzen können. Denn sie betreiben auch seit vielen Jahren Kultur.“ Diese Ergänzung wurde in das Übergangskonzept eingearbeitet.
Bei der anschließenden Abstimmung wurde die Zwischenlösung mit nur einer Gegenstimme aus den Reihen der Freien Wähler angenommen.
Pioniere haben eigenes Konzept entwickelt
Gesprächsangebote gab es von Seiten des Gemeinderats und auch von den Schlossbewohnern. Renate Hönscher (CDU) wünschte sich, von der Kerngruppe der noch im Schloss lebenden Bewohner mehr zu hören. Und Nadja Kögel, früher Langzeitpionierin und jetzt Schlossbewohnerin, lud die Räte zum Gespräch ins Schloss ein. Auf Nachfrage des SÜDKURIER erläuterte sie anschließend die Sicht der verbleibenden Schlossbewohner: „Wir haben parallel zum Schlossbetrieb die letzten Monate ein eigenes Nutzungskonzept auf Basis unser Erfahrungen mit dem Schloss aus anderthalb Jahren ‚Summer of Pioneers‘ entwickelt.“ Es beinhalte auch einen Vorschlag für ein zukünftiges Betreibermodell.

Die Kerngruppe wolle dieses Konzept dem Gemeinderat präsentieren und gemeinsam an einer dauerhaften Lösung für das Schloss arbeiten. Es habe sich ein kleines Kernteam aus dem Kreise der Pionierinnen und Pioniere zusammengetan, um den Schlossbetrieb weiterzuführen.
Werden Pioniere dauerhaft in Tengen bleiben?
„Das bedeutet aber im Gegensatz zu den zwei Runden ‚Summer of Pioneers‘, dass es für uns jetzt um die grundsätzliche Entscheidung geht, den Lebens- und Arbeitsmittelpunkt nach Tengen zu verlagern. Dazu brauchen wir Planungssicherheit und eine klare Perspektive“, so Kögel. Ein großer Teil der früheren Pionierinnen und Pioniere habe signalisiert, das Projekt weiterhin zeitweise vor Ort oder auch aus der Ferne unterstützen zu wollen. Die Schlossbewohner seien zuversichtlich, in den nächsten Tagen gemeinsam mit Gemeinderat, Verwaltung und Bürgermeister einen gangbaren Weg zu finden.