Löwenherz, genannt Topsi, schwant, dass an diesem Donnerstagmorgen etwas im Busch ist. Denn Petra Viellieber hat ihn von der Steinhöfe-Koppel zurück in den Paddock geholt. Kurz darauf erscheint Michael Salzgeber mit seiner mobilen Pferdepraxis. Das Shetland-Pony mit den Flechtzöpfen in der blonden Mähne kennt den Tierarzt, denn es ist nicht das erste Mal, dass Salzgeber den 27 Jahre alten Topsi behandelt. Ängstlich wirkt das kleine Pferd nicht. „Je nervöser der Besitzer, desto nervöser das Pferd“, konstatiert der Tierarzt, der in Herdwangen-Schönach wohnt.

Im Vordergrund muss der Zahnerhalt stehen
Sein Spezialgebiet ist die Zahlheilkunde bei Pferden, er ist Pferde-Dental-Praktiker nach IGFP (Internationale Gesellschaft zur Funktionsverbesserung der Pferdezähne). Seine Patienten sind weit verstreut, vor allem ist Salzgeber im Hegau, Schwarzwald, in der Bodenseeregion, der südwestlichen Alb und der Nordschweiz tätig. „Topsi hat Probleme beim Fressen, er kann das Heu nicht richtig zerkleinern, kaut Röllchen und speit sie aus. Man spricht auch von Wickelspucken“, erklärt er. Das liegt an Höhenunterschieden der Zähne im Unter- und Oberkiefer – bedeutet: der Pferdezahnarzt wird das Gebiss feilen und schleifen, bis es ausbalanciert ist. Karies gibt es bei Pferden auch, etwa wenn sich bei krummen Zähnen das Futter in Mulden festsetzt – aber das ist eher nicht die Regel. „Bei Löchern in den Zähnen kann ich eine Füllung machen. Lockere Zähne muss ich notfalls ziehen. Doch im Vordergrund steht der Zahnerhalt, da Zahnersatz bei Pferden technisch nicht möglich ist“, erklärt Salzgeber. Darum gilt auch bei Pferden die Devise: Regelmäßig, am besten einmal im Jahr, zur Zahnkontrolle!

Fehlabrieb und Fehlbelastung von Zähnen und Zahnhalteapparat können nicht nur zu Fressstörungen führen, sondern auch ganz andere Beschwerden verursachen. „Das ganz Pferd hängt am Kopf“, formuliert es Salzgeber. Sind die Zähne malad, kann das auch Magen, Verdauung und Bewegungsapparat negativ beeinflussen. Auch der Reiter bekommt zu spüren, wenn im Maul etwas nicht stimmt.
Beißkraft bis zu 1,5 Tonnen
„Große Köpfe, große Werkzeuge“, sagt der Pferdezahnarzt, als er den Ponykopf in einer gepolsterten Ablage platziert und danach das Maulgatter anlegt. Diese Sperre hindert Topsi daran, den Kiefer während der Behandlung zu schließen. Das Pony hat eine Spritze bekommen. Es steht mit halb gesenkten Lidern recht gleichmütig da und lässt den Zahnarzt gewähren. „Eine Sedierung reduziert den Stress und verringert die Verletzungsgefahr bei Pferd, Halter und Behandler. Die Beißkraft eines Pferdes beträgt 1,5 Tonnen.“
Nach 20 Minuten ist alles vorbei

Salzgeber trägt eine Schutzbrille mit Stirnleuchte. Ein ausgewachsenes Pferd hat 36 bis 44 Zähne: 24 Backen-, zwölf Schneidezähne, eventuell vier Eckzähne und eventuell bis zu vier Wolfszähne. Letztere sind Überbleibsel der Evolution. Topsis Zunge wird zur Seite geschoben und das elektrische Schleifgerät kommt zum Einsatz. Hierfür gibt es verschiedene Vorsätze. Die Zahnoberflächen des Shettys werden geschliffen und geraspelt, bis der Zahnstaub fliegt. Nach rund 20 Minuten ist die Behandlung beendet. Topsis Maul wird mit Wasser ausgespült und dann gibt es Arnikakügelchen zur Beruhigung der Schleimhaut. Dass die Kaufläche wieder stimmt, ist deutlich am mahlenden Geräusch zu hören, das Topsi mit den Zähnen macht. Kurze Zeit später schaut der Patient wieder munter unter seiner Mähne hervor und darf zurück zu seinen Kollegen auf die Weide.