„Erntezeit ist eine schöne Zeit“
Die Erntezeit ist für Landwirte die anstrengendste und gleichzeitig schönste Zeit, denn jetzt ernten sie auf Äckern und Wiesen, was zuvor gesät, gehegt und gepflegt wurde. Und bisher ist die Bauernschaft mit den Erträgen recht zufrieden, wie Gerhard Glaser, Obmann des Kreisbauernverbandes Biberach-Sigmaringen, beim traditionellen Erntepressegespräch verkündete. Dieser Einschätzung stimmte auch Gastgeber Rainer Buck zu, der mit seiner Familie und zwei Hilfskräften zwischen Altheim und Riedlingen einen Betrieb mit Ackerbau und Schweinemast bewirtschaftet, zu dem 140 Hektar Ackerflächen und zehn Hektar Wiesen gehören.
Belastungen für die Umwelt verringern
Buck betreibt eine zehngliedrige Fruchtfolge, und nur Weizen, Mais und Raps werden verkauft, unter anderem an eine Biogasanlage und eine Ölsaatmühle. Erbsen, Soja oder Gerste werden auf dem Hof verwertet, als Futter für Mastschweine. Der Außenklima-Stall ist auf 550 Plätze ausgelegt, wobei die Tiere nicht nur eine ausreichend große Bucht im Gebäude haben, sondern durch eine Klappe ins Freie können. Als Mitglied einer Erzeugergemeinschaft bezieht Buck die Ferkel mit 30 Kilogramm von einem Kollegen und mästet die Tiere bis zur Schlachtreife. Die tierschonende und artgerechte Haltung der Schweine liegt dem Vollerwerbslandwirt am Herzen, ebenso das Bemühen, die Belastung von Natur und Umwelt auf ein Minimum zu verringern. Düngung und Bodenbearbeitung werden reduziert, und jährlich liegen fünf bis zehn Hektar still, damit die Flächen sich erholen und gleichzeitig Lebensraum für Insekten und Kleinwild bieten können.
Schlechtes Image bestürzt junge Landwirte
Für Kreisbauernobmann Gerhard Glaser steht sein Berufskollege Rainer Buck stellvertretend für die Anstrengungen der Bauernschaft, die mit ihrer Hände Arbeit 365 Tage im Jahr die Schöpfung bewahren. Umso bestürzter seien vor allem jüngere Bauern über das negative Image der Landwirtschaft. Er kenne einige Kollegen, die ernsthaft überlegten, ihren Hof aufzugeben, berichtet sein Stellvertreter Karl Endriß. Als aktuelles Beispiel nennen die Verbandsvertreter, die rund 3700 Mitglieder in der Raumschaft Biberach-Sigmaringen vertreten, die Vorkommnisse in mehreren Milchviehbetrieben im Allgäu.
„Misstrauen und Kontrollwahn“
„Anstatt, solche bitterbösen Dinge wie in Grönenbach schleunigst abzustellen, werden sie benutzt, um unsere hart arbeitenden Bäuerinnen und Bauern mit Misstrauen und Kontrollwahn zu überziehen“, ist Glaser das Entsetzen über Pauschalurteile über seinen Berufsstand, angesichts des Fehlverhaltens Einzelner, anzusehen. Er warnt vor einem 24-Stunden-Kontrollstaat über alle Bauernhöfe, und fordert, die Verantwortung dort zu stärken, wo sie hingehöre. Unverständlich ist für Gerhard Glaser und seine Kollegen, dass an die heimische Landwirtschaft hohe Anforderungen beispielsweise beim Tierwohl und der Fleischqualität gestellt werden, während es niemanden interessiere, dass man hunderttausende Tonnen Fleisch aus den USA importiere, mit einer „unterirdischen Qualität“.
Bauern kümmern sich um Artenvielfalt
„Lange bevor es zum lauten Thema wurde, haben sich unsere Bauern mit Fruchtfolge und Blühstreifen für Artenvielfalt eingesetzt“, widerspricht Glaser vehement, dass es einen bewiesenen ursächlichen Zusammenhang zwischen moderner Landwirtschaft und dem von vielen Experten ausgemachten Artensterben gebe. Für den süddeutschen Raum gebe es keine Studie, die ein massenhaftes Verschwinden bestätigte, erklären die Verbandsvertreter. Landwirte, besonders die Familienbetriebe, hätten doch am Erhalt der Natur ein ureigenstes Interesse, pflichtet Landfrauenvertreterin Doris Härle bei. Sie weist auch auf die Diskrepanz zwischen Forderungen von Verbrauchern und deren Tun hin. Ihr Angebot an Bürger, eine Blühpatenschaft zu übernehmen, wollte nur eine Interessentin wahrnehmen.
Druck auf die Fläche wächst
Verhalten ist die Antwort des Kreisobmanns auf die SÜDKURIER-Frage, ob auch der Verband die enormen Veränderungen auf dem Pachtmarkt wahrnehme. Es gebe durchaus Kostensteigerungen, was auch der Flächenqualität geschuldet sei. Insgesamt basierten die Pachtverhältnisse häufig auf langjährigen Vertrauensverhältnissen mit den Grundstückseigentümern, wo Gewinnmaximierung nicht an erster Stelle stehe. Aber der Druck auf die Fläche nehme zu, weist sein Stellvertreter Heinz Scheffold daraufhin, dass allein in Baden-Württemberg täglich acht Hektar versiegelt würden. „Auch die Energiewende findet auf dem Land statt“, nennt Gerhard Glaser einen weiteren Konkurrenten um die knappe Ressource.
Folgen des Klimawandels
Einigkeit herrscht bei den Verbandsvertretern, dass der Klimawandel Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft hat, denn Gewitter oder Hagelereignisse mehrten sich, allerdings räumlich beschränkt. Gerhard Glaser, der in Biberach einen Bauernhof umtreibt, berichtet aus eigener Erfahrung, dass nach einem Hagelschauer eine Ackerhälfte weiß war und auf der anderen Seite kein Körnchen lag. Die Unbeständigkeit beim Wetter sei eine weitere Herausforderung für die Landwirte. „Aber sie sind wahre Künstler im Bewältigen von allen möglichen Widrigkeiten“, erklärt der Bauernführer voller Überzeugung.
Regen sorgt für Qualitätseinbußen
Zuvor hatte er einen Abriss über den Ernteverlauf der wichtigsten Kulturen gegeben, die gut begann, allerdings durch die jüngsten Wetterunbillen sich negativ entwickelte. Wer sein dreschreifes Getreide wegen der Regenfälle nicht rechtzeitig einfahren konnte, müsse nun mit Qualitätseinbußen und damit niedrigen Preisen rechnen. Ohnehin liegen nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes die inflationsbereinigten Erzeugerpreise auf dem Niveau von 1993. „Die Verbraucher können sich also weiter über die EU-weit günstigsten Lebensmittelpreise freuen“, ergänzt der Obmann.
Agrarsektor
Fläche: Baden-Württemberg hat eine Bodenfläche von 3,574 Millionen Hektar. Davon sind rund 15 Prozent Siedlungs- und Verkehrsfläche. 1,352 Millionen Hektar sind Wald.
Landwirtschaft: In Baden-Württemberg gibt es nach der amtlichen Statistik 39 800 Betriebe. Die durchschnittliche Betriebsgröße beträgt knapp 36 Hektar pro Betrieb, deutschlandweit rund 62 Hektar.
In Baden-Württemberg wirtschaften die Bauern auf 1,413 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Davon sind rund 815 000 Hektar Ackerfläche und fast 547 900 Hektar Grünland. 14 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ist ökologisch bewirtschaftet (197 751).
Der Landkreis Sigmaringen umfasst eine Bodenfläche von etwa 120 000 Hektar, wovon etwa 54 500 Hektar landwirtschaftlich genutzt werden. Davon sind 35 000 Hektar Ackerland, und etwa 19 500 Hektar Grünland. Im Landkreis wirtschaften 1250 landwirtschaftliche Betriebe mit mehr als fünf Hektar, und 80 Betriebe betreiben Tierhaltung.