Jugendliche sind beeindruckt, wenn sie erleben, dass auch sie was in einer Gemeinde bewegen können: Im Sommer 2019 wird es eine Beach-Party für Jugendliche im Seepark von Pfullendorf geben. Dafür haben Aylin Fox und Hannah Hofmann gesorgt, beide besuchen das Staufer-Gymnasium der Linzgaustadt. Die beiden 17-Jährigen stellten im Juli 2018 dem Gemeinderat im Rahmen eines Jugendhearings ein Konzept dafür vor. Bürgermeister Thomas Kugler hatte ihnen dabei seine Unterstützung zugesagt – und lässt jetzt Taten folgen. Er hält ein solches Jugendhearing für eine geeignete Form der Beteiligung von Jugendlichen, die seit Dezember 2015 in der baden-württembergischen Gemeindeordnung festgeschrieben ist. Künftig will er allerdings die zeitliche Taktung verbessern. Seit 2010 gibt es alle vier Jahre solche Hearings. Eine Veränderung des Konzepts soll im Jahr 2019 mit Sozialarbeitern und -pädagogen des Sigmaringer Hauses Nazareth erarbeitet werden. Diese leiten im Auftrag der Stadt das kommunale Jugendhaus in Pfullendorf.

Ein Dorfladen für Leibertingen
Während das Party-Konzept vor allem die eigenen Interessen der Jugendlichen bedient, macht sich der Nachwuchs in der Gemeinde Leibertingen im Kreis Sigmaringen dafür stark, dass in der Ortschaft Leibertingen ein Dorfladen eingerichtet wird – hier gibt es keinen Nahversorger. Die Ergebnisse einer Umfrage, die die Jugendlichen gemacht haben, sollen im Januar dem Gemeinderat vorgestellt werden. Deshalb will Bürgermeister Armin Reitze auch noch keine Details nennen. Der Gemeinderat werde sich mit der Initiative der Dorfjugend auseinandersetzen und eine Entscheidung treffen, wie und ob die Kommune diese Idee unterstützt, sagt Reitze. Beispiele, dass sich der Nachwuchs auch Gedanken zu Themen macht, die die Allgemeinheit betreffen, gibt es auch in Friedrichshafen. Das dortige Jugendparlament setzte sich dafür ein, dass die Bushaltestellen vor dem Stadtbahnhof überdacht werden. Auch saubere öffentliche Toiletten war eine Forderung.

Was ist der 14er-Rat?
In Leibertingen ist ein 14er-Rat geschaffen worden, damit sich Kinder und Jugendliche am kommunalen Geschehen beteiligen können. Mit einem neuen Bolzplatz wurde bereits im Oktober 2018 ein erstes konkretes Projekt umgesetzt. Leibertingens Bürgermeister ist sehr angetan vom bisherigen Engagement der 11- bis 15-Jährigen. Im Moment unterstützt eine Fachkraft das Jugendprojekt in der Gemeinde. In der Kommune leben rund 2100 Menschen. In solchen Dörfern findet Jugendarbeit in den Vereinen statt, eine unmittelbare Beteiligung am kommunalpolitischen Geschehen wird in solchen Strukturen in der Regel nicht aus dem Rathaus heraus organisiert.
Projekt gegen Landflucht
Der Kreis Sigmaringen stellt in diesem Zusammenhang einen Sonderfall dar. Denn hier gibt es eine staatliche Förderung für Projekte, mit denen Kinder und Jugendliche beteiligt werden. "Das Projekt 14er-Rat wird durch das Bundesförderprogramm Land(auf)Schwung gefördert. Der Kreis Sigmaringen wurde als einziger Landkreis in Baden-Württemberg für dieses Programm ausgewählt. Es läuft von Juli 2015 bis Dezember 2019", schildert Dietmar Unterricker, Leiter der Kinder- und Jugendagentur Jumax im Sigmaringer Landratsamt. Die 14er-Räte sind auf eine Initiative des Fachbereichs Jugend des Landratsamtes hin entstanden. Steigt eine Gemeinde in das Projekt 14er-Rat ein, organisiert und bezahlt das Landratsamt ein Jahr lang eine 25-prozentige-Fachkraftstelle dafür. 80 Prozent dieser Kosten trägt der Bund, 20 Prozent der Kreis. "Möchte die Gemeinde das Projekt weiter laufen lassen, fördert der Landkreis dies mit 15 000 Euro pro Vollzeitstelle," erklärt Unterricker.
Die Verantwortlichen im Landratsamt sehen die 14er-Räte auch als Mittel an, junge Leute an die Kommunen im Kreis zu binden. Der Nachwuchs ist oft gezwungen, für die Ausbildung den Kreis Sigmaringen zu verlassen. Soll eine dauerhafte Rückkehr in die "alte Heimat" gelingen, sei entscheidend, wie gut verwurzelt die jungen Menschen hier seien. Die 14er-Räte sollen einen Beitrag dazu leisten. "Das Engagement der 14er-Räte in unserem Landkreis ist beeindruckend. Junge Menschen gestalten ihre Gemeinde mit pfiffigen Ideen aktiv mit," sagt Landrätin Stefanie Bürkle.

Lob für Jugendhearings in Pfullendorf
Die beiden Pfullendorferinnen Aylin Fox und Hannah Hofmann werden im Jahr 2019 ihr Abitur machen und sie wollen beide studieren. Beide haben den Wunsch, Politik, Jura oder Verwaltungswissenschaften zu studieren – die nächstgelegene Uni dafür wäre in Konstanz. Pläne dazu, was nach einem Studium kommen wird, haben sie noch nicht. Beide loben, dass es Jugendhearings in Pfullendorf gibt. "Wir haben erlebt, dass wir etwas bewegen konnten", sagt Aylin Fox. Hinter der Idee eines regelmäßig tagenden Jugendgemeinderats wie etwa in Überlingen machen die beiden Gymnasiastinnen ein großes Fragezeichen. Zu dicht sei der eigene Terminkalender.

Nicht alle Ideen, die der Nachwuchs hat, werden umgesetzt. Zu Frust unter den Ideengebern muss dies nicht führen: Im Rahmen des Jugendhearings in Pfullendorf stellte der 14-jährige Jason Langenstein ein Konzept für eine Kart-Bahn vor. In einem späteren Treffen erklärte ihm Bürgermeister Thomas Kugler, das unter anderem der Lärm dagegen spreche. "Die Gründe waren nachvollziehbar," sagt Jason Langenstein. Engagieren will er sich weiter.
Regeln für Beteiligung
Seit 1. Dezember 2015 gelten in der baden-württembergischen Gemeindeordnung neue Regeln im Bereich Bürgerbeteiligung:
Die Regeln sollen grundsätzlich die Beteiligungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Bevölkerung – insbesondere auch der Jugendlichen – in den Kommunen erweitern oder vereinfachen, so die Begründung des Landes. Auf der Internet-Seite Beteiligungsportal ist zu lesen: „Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, wurden mit der Gesetzesänderung ausgebaut. Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche zukünftig in angemessener Weise beteiligen. Wie dies ausgestaltet wird, ist abhängig von dem jeweiligen Vorhaben und liegt im Ermessen der Gemeinde. Sie soll geeignete Maßnahmen entwickeln.“ Die Gemeinde kann dafür zum Beispiel einen Jugendgemeinderat oder eine andere Form der Jugendvertretung einführen. Jugendliche können eine solche Form der Beteiligung auch selber beantragen. In Gemeinden mit bis zu 20 000 Einwohnern muss dieser Antrag von 20 Jugendlichen unterzeichnet werden, in Gemeinden mit bis zu 50 000 Einwohnern von 50 Jugendlichen, mit bis zu 200 000 Einwohnern von 150 Jugendlichen.
Die Gemeindeordnung regelt nun auch, dass eine Gemeinde, die eine Jugendvertretung einrichtet, ihr Rede-, Anhörungs- und Antragsrechte im Gemeinderat einräumen muss. Zudem muss der Gemeinderat der Jugendvertretung angemessene finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.
Noch nicht in allen Gemeinden gibt es Beteiligungsformen für Jugendliche. Der Kreis Sigmaringen umfasst 25 Städte und Gemeinden. 12 Kommunen haben 14er-Räte eingerichtet. Einige Gemeinden prüfen nach Angaben des Landratsamtes aktuell, ob sie 2019 noch einsteigen möchten. Konkret spruchreif sei aber noch nichts. „Wir gehen regelmäßig auf alle Gemeinden zu, die noch keinen 14er-Rat eingerichtet haben“, sagt Dietmar Unterricker, Leiter der Kinder- und Jugendagentur Jumax im Sigmaringer Landratsamt.
.Lesen Sie hier, wer in den erstmals gewählten Jugendgemeinderat von Überlingen einzog: http://www.sk.de/9953984