Für die Öffentlichkeit überraschend informierte die Geschäftsführung der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen am 6. Juni, dass die Geburtshilfestation des Krankenhauses Bad Saulgau geschlossen und ins Krankenhaus Sigmaringen verlagert wird. Im Jahr 2020 erblickten 670 Kinder in der Kurstadt das Licht der Welt, wobei die Maßnahme ausdrücklich als vorübergehend tituliert wurde.

Die Ursachen

„Der Personalmangel in der Geburtshilfestation des Krankenhauses Bad Saulgau, konkret das Fehlen von Hebammen, zwingt die Geschäftsführung der SRH Kliniken GmbH Kreis Sigmaringen zu dieser drastischen Maßnahme“, nennt die SRH-Geschäftsführung in ihrer damaligen Pressemitteilung als entscheidenden Grund. Fehlende medizinische Fachkräfte im Bereich der Hebammen und der Fach- und Assistenzärzte seien nicht nur ein regionales Problem, sondern deutschlandweit bekannt“, erklärte dazu SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust. Auch die Vorsitzende des Aufsichtsrates, Landrätin Stefanie Bürkle, sieht im Personalmangel die Ursache für die temporäre Verlagerung, wie sie unter anderem bei einer Sitzung des Stadtrates Bad Saulgau mehrfach erläuterte.

Die Maßnahmen

Seit vielen Jahren versuche man mit zahlreichen Maßnahmen, Personal für die Geburtshilfe zu gewinnen. Die angespannte Situation habe man bis dato mit Leihhebammen aufgefangen können, was in den vergangenen drei Jahren rund 900 000 Euro gekostet habe. Doch nun stünden auch diese nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung. Daher sei es nicht mehr möglich, die Versorgung der Patientinnen in Bad Saulgau hinreichend zu gewährleisten. Im SRH Krankenhaus Sigmaringen sei hingegen die gesetzlich geforderte Rund-um-die-Uhr-Betreuung sowie eine abteilungsübergreifende Versorgung bestens gesichert. Die Kritiker werfen der Geschäftsführung vor, die Personalnot selbst verschuldet zu haben.

Die Online-Petition

Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden der Schließung, startete der Förderverein des Krankenhauses Bad Saulgau eine Online-Petition, die bislang mehr als 6500 Unterstützer gefunden hat, die sich mit 2500 Kommentaren auch zu Wort meldeten. Die Petition hat folgenden Wortlaut: „Wir kämpfen für die Erhaltung der Geburtshilfe am Standort Bad Saulgau. Bad Saulgau hat sich in den vergangenen Jahren mit jeweils zirka 700 Geburten pro Jahr einen hervorragenden Ruf in der Geburtshilfe erworben. Ganz besonders durch eine familienfreundliche Atmosphäre wird die natürliche Geburt gefördert. Bislang gibt es in Oberschwaben in einer Entfernung von zirka 30 Kilometern jeweils ein Geburtskrankenhaus. Durch den Wegfall der Geburtshilfe in Bad Saulgau verliert unsere Region den Versorgungsauftrag für unsere schwangeren Mütter. Wo sollen sie entbinden? Die umliegenden Kliniken arbeiteten alle an der Kapazitätsgrenze. Wir sind sicher, dass genügend Personal gefunden werden kann, wenn Bezahlung und Wertschätzung der Mitarbeiter stimmen.“ Neben der Online-Petition initiierte der Förderverein auch eine Unterschriftenaktion.

Der Vertrag

Im Jahr 2013 hat die in Heidelberg ansässige Stiftung SRH mit 51 Prozent die Mehrheit an der Kliniken GmbH übernommen. Zweitgrößter Gesellschafter ist der Landkreis mit rund 36 Prozent der Anteile. Die restlichen knapp 13 Prozent hält der Spitalfonds Pfullendorf. Vertraglich wurde vereinbart, dass strukturelle Entscheidungen, wie die dauerhafte Schließung ganzer Stationen oder Abteilungen einstimmig von allen drei Gesellschaftern beschlossen werden müssen. Da Bad Saulgau befürchtet, dass eine Wiederinbetriebnahme der Geburtshilfe nicht mehr möglich sein wird, betrachtet man die Entscheidung der Geschäftsführung als strukturellen Beschluss, der zwingend von den Gremien der Gesellschafter hätte getroffen werden müssen. Die Geschäftsführung sowie Landrätin Bürkle verweisen darauf, dass es sich um eine operative Entscheidung handelte.

Die Resolution

Fraktionsübergreifend und vehement hat sich der Bad Saulgauer Gemeinderat gegen die Schließung der Geburtenstation am Krankenhaus ausgesprochen und eine entsprechende Resolution an den Landkreis gerichtet. Gefordert wird darin unter anderem die schnellstmögliche Wiederinbetriebnahme der Geburtenstation. Die Resolution der Stadt richtet sich an die drei Gesellschafter der Kreiskliniken im Landkreis.

Der Gemeinderat

Von zentraler Bedeutung für Bad Saulgau ist nach Angaben des Gemeinderates auch der langfristige Erhalt des medizinischen Versorgungsangebotes insgesamt. Nicht unberechtigt ist nach Überzeugung der Ratsmitglieder die Befürchtung, dass die Schließung der Geburtshilfe nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer Abwicklung des Krankenhausstandortes Bad Saulgau ist. Als größte Stadt im Landkreis und Mittelzentrum habe die Kurstadt nicht nur eine Versorgungsfunktion für ihre mehr als 18 000 Bürger und Unternehmen, sondern auch für die Nachbargemeinden.

Das Konzept

Der seit August 2020 im Amt befindliche Geschäftsführer Jan-Ove Faust erhielt von den Gesellschaftern der SRH Kliniken im Herbst des vergangenen Jahres den Auftrag, bis 30. Juni dieses Jahres ein medizinisches Konzept zu erarbeiten, in dem die medizinischen Anforderungen der Krankenhausversorgung im Ländlichen Raum und daraus abgeleitet die möglichen Aufgaben der drei Krankenhausstandorte aufgelistet werden. Der Geschäftsführer hat nach Angaben von SRH den Gesellschaftern ein solches analysebasiertes Konzept vorgelegt und in den kommenden Monaten werden sich verschiedene Gremien von SRH, Landkreis und Kommunen damit beschäftigen. Letztlich entscheiden die Gesellschafter, wie das medizinische Profil der drei Krankenhausstandorte in Zukunft ausgestaltet wird.

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