Hunderte Besucher warteten am Donnerstagabend in der Stadthalle, bis um 20 Uhr der letzte Tagesordnungspunkt der Gemeinderatssitzung aufgerufen wurde – die Debatte um die als temporär angekündigte Verlagerung der Geburtenstation Bad Saulgau nach Sigmaringen. Auf dem Podium stellten sich als Vertreter des Mehrheitsgesellschafters SRH Holding die Geschäftsführer Dr. Jan-Ove Faust und Werner Stalla sowie Landrätin Stefanie Bürkle für den Landkreis, der 36,26 Prozent Anteile hat. Kein Vertreter des dritten SRH-Gesellschafters, des Spitalfonds Pfullendorf, der 12,74 Prozent hält, war auf dem Podium.
Bürgermeisterin Doris Schröter: „Die Bürger wehren sich!“
Nach drei Stunden entließ Bürgermeister Doris Schröter ihre Mitbürger mit der klaren Botschaft, dass Bad Saulgau um die Geburtenstation, sprich die schnellstmögliche Wiedereröffnung und den Klinikstandort kämpfen wird. Die Schließungsentscheidung habe für Empörung und Entsetzen gesorgt, erklärte die Rathauschefin, dass kaum ein Thema die Bad Saulgauer so bewegt habe, wobei Erstaunliches passiert sei: „Die Bürger wehren sich!“ Denn die Angst gehe um, dass dies der Anfang vom Ende des Krankenhauses sei, was man nicht akzeptieren werde. Der von der SRH-Geschäftsführung vorgebrachte Personalnotstand als Grund für die Verlagerung sei selbst verschuldet und ein seit Jahren bekanntes Problem.
„Kreistag muss unverzüglich handeln!“
Schröter warf der Geschäftsführung vor, das Hebammenbelegmodell nicht ausreichend geprüft zu haben, was Faust und Stalla vehement verneinten. Die Bürgermeisterin sieht nun den Kreistag in der Verpflichtung, der unverzüglich handeln müsse und will eine Sondersitzung des Gremiums beantragen, denn die Gesundheitsversorgung habe bei den Menschen die höchste Priorität: „Es gilt dringend, dem öffentlichen Eindruck entgegen zu treten, dass hier ein strategischer Prozess läuft, mit dem Ziel des Abbaus oder vermeintlicher Gesundschrumpfung als Vorstufe der Schließung, und zwar durch eine klare politische Aussage des Kreistages zur Bestandsgarantie für den Standort Bad Saulgau.“
SRH-Geschäftsleitung betont, dass man aus der Not heraus gehandelt hat
An der Faktenlage, sprich fehlenden Hebammen, habe sich seit der Entscheidung nichts geändert, analysierte Geschäftsführer Jan-Ove Faust sachlich die Situation. Man habe aus der Not heraus gehandelt und aus der Verantwortung gegenüber Müttern und Kindern, ergänzte Werner Stalla. Ohne ausreichend Personal werde man die Station nicht eröffnen, rechnet Faust nicht mit einer kurzfristigen Wiederinbetriebnahme.
Im Laufe der dreistündigen Debatte gab es von den SRH-Vertretern keine Aussagen zur Bestandssicherung der drei Klinikstandorte, hier wolle man das Ergebnis des medizinischen Konzepts abwarten, das im zweiten Halbjahr vorliegen soll. Der Status-Quo des Vertrages mit SRH beinhalte den Erhalt aller Häuser, ergänzte Landrätin Bürkle, dass sich die medizinische Landschaft aber enorm verändert habe. Dazu kommen nach Angaben von Werner Stalla viele gesetzliche Änderungen. Das bestehende Konzept komme auf den Prüfstand, kündigte Bürkle offene, kritische und schmerzhafte Diskussionen an, die zu einer Entscheidung führen müssten, um eine solche Situation wie nun in Bad Saulgau künftig zu verhindern.
Standing-Ovations für CDU-Stadtrat Thomas Zimmerer
Thomas Zimmerer (CDU) eröffnete die Statements der Fraktionen und warf SRH vor, nicht mit den Betroffenen gesprochen zu haben. Durch die Geburtenschließung werde auch das Team aus neun Kinderkrankenschwestern und Ärzten zerschlagen, das man später nicht mehr reaktivieren könne, ist er überzeugt. Er forderte die Fortführung der Station, ansonsten solle SRH das „Haus wieder zurückgeben“. Mit Standing Ovations quittierten die Besucher sein Statement. „Der Kreistag muss eingreifen“, sieht SPD-Vertreterin Helga Brey den Landkreis in der Pflicht und Landrätin Bürkle in der politischen Verantwortung. Nach jahrelangen Versäumnissen würden nun Fakten geschaffen. „Wie viele Kinder werden auf dem Weg ins Krankenhaus geboren?“, fragte Grünen-Vertreterin Marika Marszovski. „Die Entscheidung der Geschäftsführung muss auf den Prüfstand“, ist für FW-Fraktionschefin Elisabeth Gruber, das Vertrauen in die Gesundheitsversorgung in und um Bad Saulgau nachdrücklich erschüttert.
Larissa Lott-Kessler: „Das Personal läuft weg und das Haus wird zerstört.“
Hartnäckig und detailliert hakte CDU-Vertreterin Larissa Lott-Kessler nach, die als Vorsitzende des Krankenhausfördervereins eine Online-Petition zum Erhalt der Geburtsstation mit initiierte, die schon 9500 Unterzeichner hat. „Das Personal läuft weg und das Haus wird zerstört“, forderte sie die Geschäftsleitung auf, ihrer Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter nachzukommen. Ein Personaldienstleister habe ihr versichert, dass ab September wieder Leihhebammen verfügbar seien. Sie will Geschäftsführer Faust die Kontaktdaten dieser Agentur weiterleiten.
Schröter: „Hätte man diese Entscheidung für Bad Saulgau verhindern können?“
Dass bezüglich des Personalmangels immer wieder auf den generellen Hebammenmangel in Deutschland verwiesen wurde, sorgte bei Bürgermeister Schröter für heftigen Widerspruch, denn die Frage laute doch: „Hätte man diese Entscheidung für Bad Saulgau verhindern können?“ Mehrfach mahnte sie an, dass Bad Saulgau die medizinische Grundversorgung kreisübergreifend sichern müsse. Sollte der politische Wunsch nach einer Sondersitzung des Kreistages bestehen, werde diese stattfinden, versicherte Landrätin Bürkle und Bürgermeisterin Doris Schröter sagte zu, dass sich Bad Saulgau beim Thema Krankenhaus bei Bedarf engagieren wird.