Heute vor 83 Jahren begann der Zweite Weltkrieg mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen. Seit 1933 herrschte auch im Landkreis Sigmaringen der Nationalsozialismus vor, den ein großer Teil der Bevölkerung angesichts des politischen und wirtschaftlichen Wiederaufstiegs begrüßt hatte. In den folgenden zwölf Jahren nahmen Menschen hin, dass Mitbürger und Gruppen verfolgt wurden, die den rassistischen Vorstellungen und politischen Idealen der Nationalsozialisten nicht entsprachen. Die Juden, die vor allem in Sigmaringen und Bad Saulgau lebten, wurden ausgeplündert, verjagt und ermordet.
Konzentrationslager und verfolgte Juden
In Stetten am kalten Markt wurde 1933 ein Konzentrationslager errichtet, wo Menschen gequält und gedemütigt wurden, darunter die schwächsten der Gesellschaft. Über 80 Denkorte erinnern auf den „Oberschwäbischen Erinnerungswegen“ an die Gräueltaten und Morde im Nationalsozialismus in der Region Oberschwaben. Davon stehen etliche auch im Landkreis Sigmaringen. Sie erinnern an die Opfer der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte und liefern bleibende Zeugnisse. Die Denkorte wurden so genannt, weil man an diesen Erinnerungssteinen, Stolpersteinen und Tafeln zum Denken kommen kann. Über menschliche Abgründe, Folter und Tod. Insgesamt gibt es 15 Denkorte im Kreisgebiet.
Erinnerung an die Familie Frank aus Sigmaringen
Es besteht eine Gedenkstätte für die Opfer des Konzentrationslagers Heuberg bei Stetten a.k.M. Dazu gehört das Denkmal auf dem Russenfriedhof des Truppenübungsplatzes Heuberg. In Sigmaringen sind Stolpersteine für die von NS-Schergen vertriebene jüdische Familie Frank gelegt worden. Die Familie Frank zählte bis zum Beginn des Nationalsozialismus zur angesehenen Bürgerschaft in Sigmaringen. Sie waren erfolgreiche Fabrikanten in mehreren Zweigen. Die Familie verlor in den 1930er Jahren unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Rassenpolitik ihr soziales Netz und wurde in der Stadtgesellschaft isoliert, ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt, ausgeplündert und schließlich mit massiven Repressionen in die Emigration gezwungen. Lisa Frank gelang die Flucht 1938 nach Amerika. 2012 kehrte Lisa Heynemann (geborene Frank) zurück in ihre Geburtsstart Sigmaringen und war bei der Verlegung der Stolpersteine dabei.

Rassenschande in Ruschweiler
Zwischen Ruschweiler und Judentenberg befindet sich seit dem 11. September 2005 am Wegrand ein von Ruschweiler Bürgern errichtetes Denkmal, das an den 23-jährigen Polen Mirtek Grabwoski erinnert, der aus Lodz stammte. Er wurde am 24. Juli 1942 wegen seiner Liebe zu der 17-jährigen Anna Fridrich von den Nationalsozialisten an einem Birnenbaum oberhalb von Ruschweiler erhängt. Das dafür benötigte Henkerswerkzeug kam aus Pfullendorf. Am Wegrand, nahe seiner Mordstelle, steht heute das Denkmal mit der Inschrift von Jörg Ehni: „Rede Stein! „Schweige nicht“. Anna Fridrich kam für diese Liebe ins Jugendgefängnis Preungesheim und ins Konzentrationslager Ravensbrück, wo sie im Dezember 1942 entlassen wurde. Sie bekam die Auflage, nicht über das Erlebte zu sprechen.
Ein Dorf arbeitet das Verbrechen gemeinsam auf
Über das Schicksal des jungen Paares wollte viele Jahrzehnte keiner sprechen. Eine kreisweite Initiative „Stätten des Erinnerns an Gewaltherrschaft, Krieg und Vertreibung 1933 bis 1945 im Landkreis Sigmaringen“ gab am „Tag des offenen Denkmals“ 2005 in Ruschweiler den Anstoß für eine bemerkenswerte Gedenkaktion. Aufgearbeitet hat die Geschichte Olaf Brandt, dem die Menschen in Ruschweiler 2005, so berichtete es der SÜDKURIER, mit viel Offenheit begegneten. Franz Lorenz stellte sein Grundstück zur Verfügung. Bei der Gedenkfeier war Anna in hohem Alter als Zeitzeugin dabei.

Eine Mutter, die in Sippenhaft genommen wurde
Das Grab der Agnes von Haeften auf dem Friedhof in Großschönach ist ein weiterer Denkort. Es erzählt uns das Schicksal einer Frau und Mutter, einer von den Nazis in Sippenhaft genommenen aufrechten protestantischen Christin, deren zwei Söhne im Widerstand ihres Gewissens gegen ein verbrecherisches Regime von diesem ermordet wurden. Das Engagement der Reservistenkameradschaft Oberer Linzgau hat das Grab der Agnes von Haeften auf dem Gottesacker gerettet, der Mutter des am Aufstand vom 20. Juli 1944 beteiligten Werner von Haeften, den die Nazis hingerichtet hatten. In der Gemeinde Herdwangen-Schönach wird auch des verfolgten früheren Bürgermeisters und aufrechten Demokraten Otto Osterwald gedacht.

Jan Kobus muss für seine Liebe sterben
In Pfullendorf erinnern ein Stolperstein und ein Grab an Jan Kobus. Der 27-jährige polnische Zwangsarbeiter war am 5. April 1941 vor den Augen von hunderten Mithäftlingen in Pfullendorf an der Ecke Mühlensteigle/Zum Eichberg ermordet worden. Der Bauernknecht wurde wegen Rassenschande erhängt. Auch er hatte sich in ein deutsches Mädchen verliebt. Beide hatten auf einem Hof in Ruschweiler gearbeitet, waren eine Beziehung eingegangen. Aus ihrer Verbindung ging ein Kind hervor.
Stolperstein erinnert an grausamen Mord
Im Schnellverfahren wurde das Todesurteil verhängt und alle polnischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter aus der Umgebung mussten zur Abschreckung und unter militärischer Bewachung der Hinrichtung im Gewann „Sieben Linden“ beiwohnen. Nach dem Krieg errichteten ehemalige polnische Zwangsarbeiter an der Mordstätte einen Gedenkstein, mit einer Inschrift in Deutsch, französisch und polnisch. Im Zuge der baulichen Erschließung in den Jahren 1962/1963 wurde der Gedenkstein in den Friedhof gebracht, wo er heute noch steht. Ein „Stolperstein“ erinnert seit 2005 in Pfullendorf am Ort des furchtbaren Geschehens (Ecke Mühlensteigle/Zum Eichberg) an dieses schreckliche Verbrechen, das es in gleicher Form in mindestens einem Dutzend Dörfern und Städten allein im Landkreis Sigmaringen gegeben hat.

Die Aufarbeitung dauert immer noch an
Dass die Aufarbeitung auch Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht zu Ende ist, zeigt das Schicksal von Iwan Sadowez in Meßkirch. Erst vor zwei Jahren konnten Schüler des Martin-Heidegger-Gymnasiums mit ihrem Lehrer das Rätsel um ein anonymes Grab auf dem Friedhof klären. Sadowez wurde zwischen dem 19. und 21. April 1945 von den Wachmannschaften auf einem Todesmarsch bei Meßkirch erschlagen und zunächst im Gewann Münzkreuz verscharrt. Nach dem Krieg wurde er anonym beigesetzt. Erst 2022 erhielt sein Grab einen Gedenkstein mit seinem Namen.
Antikriegstag
„Nie wieder Krieg“ – so lautet die Losung des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften anlässlich des Antikriegstags am 1. September. Heute Abend wird in Krauchenwies, im Park-Eingang Sigmaringer Straße, um 18 Uhr die Veranstaltung der Gewerkschafter im Landkreis Sigmaringen zur Erinnerung an Kriegsverbrechen abgehalten. Parkmöglichkeiten gibt es gegenüber vom Parkhaus Mahl an der scharfen Kurve.