Für die Sorgen des Mittelstands, die Firmenchef Stefan Mattes sowie seine Unternehmerkollegen eindringlich vortragen, hat Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut beim Wirtschaftsgespräch in den Räumen der Firma Wimatec Mattes ein offenes Ohr. Sie spricht vor den rund 100 Zuhörern darüber, wie die drei großen Herausforderungen – Digitalisierung, Dekarbonisierung (die Schaffung einer kohlenstofffreien Wirtschaft) und der demografische Wandel – von den Unternehmern gemeistert werden können. Und das trotz Fachkräftemangel, Inflation, steigenden Energie- und Materialpreisen sowie der Belastung durch übermäßige Bürokratie – Faktoren, die an diesem Abend in Ostrach immer wieder Thema sind. Eingeladen zu dieser Veranstaltung hat der CDU-Gemeindeverband Ostrach.
Klimaneutrale Technologien
Angesichts der schwierigen Lage stellt Nicole Hoffmeister-Kraut eine optimistische Botschaft in den Mittelpunkt ihrer Rede. „Der Weg wird über Hightech und Innovationen gehen.“ Sie baut darauf, dass mit dem für das „Ländle“ typischen Erfindergeist die Herausforderungen gemeistert werden können. Klimaneutrale Technologien nennt sie als positives Beispiel. Hier greift die von Hoffmeister-Kraut an diesem Abend sehr stark betonte Vision einer Landes- und auch Bundesregierung, die „alles dafür tun muss, das Wachstumspotenzial unserer Wirtschaft zu stärken“. Zum Beispiel mit Prämien für die besagten klimaneutralen Technologien.
Gegen den Bürokratie-Wahnsinn
„Unsere Betriebe haben zu wenig Freiheit, etwas Neues zu wagen“, sagt Nicole Hoffmeister-Kraut und schildert ihren Eindruck, dass die Firmen „erdrückt“ würden durch die deutsche Bürokratie, etwa durch aufgeblähte Berichtspflichten. Von den rund 1000 Unternehmern, die am 7. November in Ulm gemeinsam auf die Straße gegangen waren, um gegen den Bürokratie-Wahnsinn zu protestieren, der ihre Arbeit lähmt, kenne sie viele, unterstreicht die Ministerin ihre Nähe zur heimischen Wirtschaft. „Wir müssen schneller werden“, fordert sie ein „Abspecken“ der langwierigen Genehmigungsverfahren. Wenn etwa eine neue Bundesstraße gebaut werde, müssten unfassbare fünf Genehmigungszyklen durchlaufen werden. Die Beschleunigung von bürokratischen Verfahren sei ein wichtiger Faktor, um international wettbewerbsfähig zu sein.
Fatales Signal der Bundesregierung
Nicole Hoffmeister-Kraut nimmt beim Wirtschaftsgespräch die Bundesregierung mehrfach in die Pflicht, die Situation für den Mittelstand zu verbessern. „Wir brauchen ein Gleichgewicht zwischen investiven Ausgaben und Ausgaben, die in die soziale Sicherung fließen“, so ihre Forderung nach höheren Investitionen in die Wirtschaft. Außerdem kritisiert sie, dass für das Bürgergeld 3,25 Milliarden Euro mehr ausgegeben werden als geplant, während gleichzeitig der Entschluss fällt, dass die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder erhöht wird. „Das ist ein fatales Signal. Gerade im ländlichen Raum erleben wir ein Wirtshaussterben“, sagt Nicole Hoffmeister-Kraut und erntet dafür Zwischenapplaus.
Berufsschulen fehlen Schüler
Mit ermutigenden Worten endet ihre Rede: „Es gibt eine große Chance. Lassen Sie sie uns ergreifen!“ Danach können die Zuhörer Fragen stellen. Einer, der das Wort ergreift, ist Kreishandwerksmeister Siegmund Bauknecht. Im Landkreis Sigmaringen gebe es 2200 Betriebe, die er vertreten dürfe, mit einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro und 800 bis 900 Auszubildenden. Bauknecht bringt das Problem vor, dass im großflächigen Landkreis Sigmaringen in einzelnen Berufsfeldern nicht mehr genügend Schüler für eine Klasse in einer der landkreiseigenen Berufsschulen zusammenkommen. Wenn ein Jugendlicher nach Biberach, Ulm oder Reutlingen in die Berufsschule müsse, werde oft die Entscheidung gegen diese Ausbildung getroffen, skizziert Siegmund Bauknecht die Problematik. „Bildung ist ein Landesthema, hier ist die Landesregierung betroffen“, sagt Bauknecht.

Die Ministerin gibt ihm recht, betont aber auch, dass es großzügige Fristen gebe, bevor Berufsschulklassen geschlossen werden. Die Problematik betreffe in erster Linie das Kultusministerium. „Ich nehme das Thema aber gerne mit, da müssen wir noch ein bisschen tiefer einsteigen, damit man Lösungen finden kann“, verspricht Hoffmeister-Kraut abschließend.
Optimismus und Pragmatismus
Dem Wirtschaftsgespräch vorangestellt war eine Besichtigung der prosperierenden Firma Wimatec, bevor die Gäste – darunter der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß (CDU) sowie der Landtagsabgeordnete Klaus Burger (CDU) und Ostrachs Bürgermeisterin Lena Burth, die beide ein Grußwort sprachen – von Jürgen König seitens der CDU Ostrach begrüßt wurden. Gastgeber Stefan Mattes forderte in seiner Rede eine „wirtschaftspolitische Kurskorrektur“ für Deutschland. Inflation, Arbeitskräfte- und Rohstoffmangel, immer dünnere Auftragsbüchern, eine steigende Zahl an Insolvenzen und hohe Energiepreise sowie sinkende Exporte – Mattes schilderte mit eindringlichen Worten, womit Unternehmer zu kämpfen haben. Bei all den negativen Schlagzeilen brauche es einen klaren Blick für das Wesentliche, um sich nicht von der um sich greifenden Mentalitätskrise anstecken zu lassen. „Eine gehörige Portion Optimismus und Pragmatismus sind nun gefragt“, sagte er und appellierte in Richtung Ministerin: „Die Politik muss verhindern, dass der Mittelstand weiter an Boden verliert.“