Der Seniorchef Manfred Haug empfiehlt sowohl Gänse als auch Puten als Festtagsbraten. Aber der Familienrat, sagt er verschmitzt, damit meint er seine Ehefrau Andrea, habe dieses Jahr für eine Gans entschieden. „Die Zubereitung mit dem richtigen Rezept das ist ein Fall für sich, da halte ich mich raus“, lacht Haug. Es gebe da eine große Vielfalt und jede Hausfrau habe zumeist ihr eigenes Rezept. „Ich überwache das Ganze und genieße dabei ein Gläschen Wein“, lacht der Geflügelzüchter, den man in Rohrdorf und der Region nur „Manne“ nennt.
Ab Ende Oktober mit der Martinsgans, wie auch im Dezember mit dem Weihnachtsbraten, egal ob Gans oder Pute, auf seinem Hof bedeute das immer wieder besonders intensive Arbeitswochen. Der Einzugsbereich vom Geflügelhof Haug, der mit einer der Größten im süddeutschen Bereich ist, geht vom Bodensee bis in den Großraum von Stuttgart. Neben dem Großhandel, Metzgereien, Gastronomie werden auch Wochenmärkte beliefert. Dies zeigt auch die Expansion des Unternehmens, das Mitte der 1970-er Jahre im Stall des landwirtschaftlichen Anwesens mit 200 Truthühnern mitten im Dorf begann. „Es war nicht ganz einfach“, wie Manfred Haug die Anfangsjahre in Erinnerung hat. Es ging nicht nur ums Verkaufen, auch die Aufzucht verlangte besondere Kenntnisse.
Geflügel zu Beginn nicht so beliebt
Damals war das Putenfleisch noch nicht so hoch im Kurs. Zwischenzeitlich weiß man den Nährwert von Geflügelfleisch zu schätzen. Die Nachfrage ging von Jahr zu Jahr nach oben, sodass in den 1980-er Jahren die erste Aussiedlung der Stallanlage erfolgte. Zwei weitere Ställe wurden in den folgenden Jahren in Betrieb genommen. Die ermöglichten es, dass die Familie Haug eine größere Anzahl Tiere in den tiergerechten Anlagen aufziehen konnte.
Nachhaltige Bewirtschaftung
„Wir legen seither auch großen Wert darauf, dass aus unserem landwirtschaftlichen Betrieb, der nachhaltig vom Sohn Tobias Haug bewirtschaftet wird, heimisches Getreide, Weizen und Mais zur Fütterung bereit steht“, so Manfred Haug im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Der Preisverfall um das Jahr 1990 erforderte eine gewisse Umstellung, sodass neben den Puten auch Gänse mit in das Programm zur Aufzucht und zum Verkauf aufgenommen wurden. Dies ist Hauptaufgabe von Junior Tobias. Jährlich werden seither von Anfang Mai bis Mitte Juni in zwei der großen Ställen Eintagsgänse und Putenküken aufgezogen. Ab der sechsten Woche können die Jungtiere auf der eingezäunten Weide im Grünland den Tag verbringen.
Am Abend kommen die Tiere vom Freien wieder in die Hallen. Meist suchen sie ihre Ställe selbstständig auf, obwohl auch eigens dafür ein Hütehund gehalten wird. Im Familienunternehmen widmet sich die Ehefrau Andrea Haug in der Hauptsache dem Büro, der Kommissionierung und dem organisatorischen Ablauf. In einer 200 Quadratmeter großen Kühlhalle wird die Ware bis zum Abtransport gelagert. Die Auslieferung an die Abnehmer im süddeutschen Raum erfolgt mit eigenen Kühlfahrzeugen. Insgesamt ist der Geflügelhof mit zehn Arbeitsstellen besetzt. Davon betreffen sechs Arbeitsplätze den Fuhrpark.
Es muss streng darauf geachtet werden, dass bei der Tierhaltung die EU-Normen eingehalten werden. Dies wird immer wieder stichprobenartig vom Veterinäramt des Landratsamtes Sigmaringen überprüft. Auch die Schlachtungen im hofeigenen EU-Schlachthaus werden stetig genauestens unter die Lupe genommen. Alles geschieht in Abstimmung mit den Landesbehörden und dem Bundesministerium für Verbraucherschutz und Ernährung. Dies gilt auch für die Bewirtschaftung der Stallungen, die nach dem Verkauf der Schlachttiere gesäubert und desinfiziert werden. Dies ist ebenfalls die Aufgabe von Juniorchef Tobias Haug.
Für die Puten zu Weihnachten wünschen die Kunden ein Schlachtgewicht von fünf bis sechs Kilogramm. Die Schlachttiere sind vorbestellt, sodass zu Weihnachten der Tierbestand ausverkauft ist. Traditionsgemäß ist der Hofladen in Rohrdorf drei Tage vor Weihnachten für den Privatverkauf geöffnet, wo neben den eigenen Puten und Gänsen auch weitere Geflügelspezialitäten, wie auf Vorbestellung Wachtel und Schwarzfederhuhn aus dem Elsass, zum Verkauf angeboten werden. Nach den arbeitsreichen Wochen freut sich die Familie auf ein leckeres Gänsemenü, geruhsame Weihnachtstage sowie einen ruhigen Jahreswechsel.
Vorsicht mit dem Gänsebraten
Mit dem Gänsebraten ist das so eine Sache. Rezepte gibt es Unmengen und wer sich auf den einschlägigen Internetportalen umsieht, der wird schnell feststellen: Eine Gans braucht Geduld und Zeit. Wer sich das ganze Jahr mit Fertiggerichten aus der Kühltruhe ernährt, der sollte sich vielleicht einen anderen Weihnachtsbraten überlegen. Oder er nimmt Gänseteile, die bereits vorgewürzt sind und auf einer Alu-Schale in den Backofen geschoben werden. Doch auch das zerlegte Tier muss man gut beobachten. Wer es trotzdem wagen will und keine Ahnung hat: Oma oder Mutti fragen. Dabei kann man sicher sein, dass jede der Damen einen anderen Kniff bei der Hand hat, damit die Gans nicht trocken, dafür aber knusprig wird. Und ohne gute Soße geht sowieso nichts. Zur Gans passen übrigens Blaukraut oder Rosenkohl, Knödel und Spätzle. Kartoffelbrei geht auch, aber bitte nicht aus der Packung.
Der Ursprung des Gänsebratens geht auf die Martinsgans zurück, die oft am Gedenktag des Heiligen Martin, noch vor Beginn des Advents gegessen wurde. Der Advent hatte früher den Charakter einer Fastenzeit. Mit der Christmette endete diese, und so wurde eine Gans als Festtagsbraten zubereitet. Das traditionelle Weihnachtsessen war seit dem Mittelalter das „Mettenmahl“ oder die „Mettensau“. Dieses Festtagsessen war ein Schweinebraten, der am 25. Dezember verspeist wurde. Mit wachsendem Wohlstand wurde das „Mettenmahl“ von dem festlicheren Gänsebraten abgelöst. Wenn man sich nicht an einen Gänsebraten wagen will, dann kann also auch etwas Mittelalterliches auf den Tisch bringen. Wie wäre es mit „Schweinebraten à la Campus Galli“?