Wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung hat das Amtsgericht Sigmaringen unter Richterin Linda-Sue Blaszko zwei Heranwachsende aus Meßkirch mit unterschiedlichem Strafmaß nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. So muss ein 22-Jähriger ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro an den Geschädigten bezahlen, 300 Euro sind an die gemeinnützige Straffälligenhilfe in Sigmaringen zu leisten, zudem trägt er die Verfahrenskosten. Sein heute 18-jähriger Kompagnon erhielt die gerichtliche Auflage, an einem Antigewalttraining teilzunehmen, er hat verbindlich drei Termine bei der Suchtberatung wahrzunehmen und 40 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten.
Massive Misshandlung
Den beiden jungen Angeklagten legte Staatsanwältin Ann-Sophie Heneka in ihrer Anklageschrift zur Last, sich an der Fasnet 2023 in Meßkirch mit einem 45-Jährigen geprügelt, ihn massiv misshandelt und geschädigt zu haben. Der Schlägerei ging eine verbal geführte Kontroverse an einer Bushaltestelle voraus. Angebliche politische Differenzen zwischen den Beteiligten über den Ukraine-Krieg bestätigten sich im Verfahren nicht.
Alkohol im Spiel
Anfänglich wollten die beiden Angeklagten keine Angaben zur Sache machen, Richterin Blaszko verstand es jedoch, sie zu ermuntern. So gab der Ältere an, an jenem Fasnetstag um 18 Uhr angetrunken gewesen zu sein. Der Streit mit dem Geschädigten hätte sich auf seine Ansprache hin hochgeschaukelt. Dieser hätte ihn sogleich gepackt, zu Boden geworfen und in den Schwitzkasten genommen, ehe ihm sein abseits stehender Kumpel zur Hilfe eilte. „Dann bin ich aufgestanden und abgehauen!“ Zwei Wochen zuvor hätten sie mit ihm bereits eine verbale Kontroverse ausgetragen.
Angeklagter spricht von Blutrausch
Auch sein jüngerer Kumpel räumte ein, Alkohol getrunken zu haben, beteuerte aber, die Auseinandersetzung bei klarem Verstand geführt zu haben. „Den Typ kannte ich, bin ihm des Öfteren in Meßkirch begegnet, da war er sehr betrunken!“ Es sei zu Konfrontationen gekommen. Und am besagten Tag „flogen die Fäuste“. Als er gesehen habe, wie sein Mitstreiter zu Boden gedrückt wird, sei er auf den Kontrahenten gesprungen, habe mit Füßen auf ihn eingetreten, zuerst gegen den Kopf und dann direkt ins Gesicht. „Das ist halt Adrenalin, wie im Blutrausch“, schilderte der 18-Jährige seine enthemmte Brutalität. Erst als ihm sein älterer Verbündeter zurief, er möge sich beruhigen, „es reicht“, habe er vom Kontrahenten abgelassen.
„Kick ihn, Alter“
Der Geschädigte sagte im Zeugenstand aus, dass er sich vom ersten Angreifer förmlich überrumpelt gefühlt habe. Dessen Anrede sei ihm komisch vorgekommen, dann habe dieser angefangen nach ihm zu schlagen. Da seine Beschwichtigungsversuche erfolglos blieben, hätte er ihn zu Boden gerungen und den Unterarmwürgegriff angewandt. Auf Zuruf von dessen Kumpel: „Kick ihn, Alter!“ sei der Jüngere in Aktion getreten, hätte ihn mit Fußtritten traktiert. „Danach weiß ich nichts mehr!“
Zwei blaue Augen
Zwei Wochen lang habe er Schmerzen im Gesicht verspürt, er sei aber mit zwei blauen Augen (vom Arzt attestiert) glimpflich davon gekommen. Zu verdanken hat er dies offensichtlich einem 59-jährigen Zeugen, der vor Gericht angab, aus der Ferne die Rauferei beobachtet zu haben und daraufhin eingeschritten zu sein. Kurz bevor er sich den Angreifern näherte, seien diese davon gerannt.
Jugendhilfe fordert Antiaggressiontraining
Staatsanwältin und Richterin bedankten sich ausdrücklich für die mutige Einflussnahme des 59-Jährigen. Beide stuften die Einlassungen des 18-Jährigen, im Blutrausch gehandelt zu haben, als sehr bedenklich ein. Die Vertreterin der Jugendhilfe vor Gericht regte demzufolge ein Antiaggressionstraining für den gerade Volljährigen an. Da dieser im Verhör zugab, auch Cannabis zu konsumieren und wegen „untergejubelter Drogen“ von der Schule geflogen zu sein, regte die Jugendvertreterin an, eine Suchtberatung für ihn in Betracht zu ziehen, was im Urteil Berücksichtigung fand.
Noch Jugendstrafrecht
Staatsanwältin Heneka resümierte in ihrem Plädoyer, dass sich der Vorfall genauso zugetragen hat. Der jüngere Angeklagte habe erste Impulse gesetzt, um seinen Kompagnon zu motivieren, den Geschädigten körperlich anzugehen. Dieser habe bei den Kopftritten richtig Glück gehabt. „Sie sind bald erwachsen, da geht das Strafmaß gleich ab sechs Monate Freiheitsstrafe aufwärts“, schrieb sie den Angeklagten mahnend ins Stammbuch. Richterin Linda-Sue Blaszko wandte sich direkt an den Anstifter der Schlägerei: „Sie waren zur Tatzeit 16 Jahre und neun Monate alt. Sie traten mit allem, was sie haben, gegen einen Kopf. Sie müssen sich deutlich machen, welches Unrecht sie begangen haben!“