Der Meßkircher Unternehmer und Stadtrat Thomas Nuding, der seit 2016 in der Seenotrettung aktiv ist, hat als Kapitän bereits zahlreiche Missionen zuerst im Mittelmeer, nun im Atlantik begleitet. Erst vor Kurzem im November und Dezember vergangenen Jahres war er mit der Organisation Sarah (Search and Rescue for All Humans) zwischen Teneriffa und Ad-Dhakla/West Sahara unterwegs, um Flüchtlingsboote aufzuspüren, bevor die Menschen elend verdursten, die Boote kentern oder die Menschen im Meer ertrinken. Allein im Jahr 2021 seien laut einer spanischen Hilfsorganisation auf der Kanarenstrecke 4000 Menschen gestorben. Um den Aktionsradius der Überwachung deutlich zu erhöhen, nahm die sechsköpfige Crew bei ihrer jüngsten Mission zwei Drohnen mit an Bord. An der verbesserten Funktionalität der Fluggeräte für ihren sinnvollen Einsatz im Atlantik arbeiten sowohl der Chaos Computer Club, die Universität Augsburg als auch die TU Berlin mit den Seenotrettern zusammen.

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Mit dem Motorboot Marwa unterwegs

Thomas Nuding (von links) überlegt zusammen mit dem Drohnenentwickler Philipp und Skipper Rene an welcher Stelle des Motorboots die ...
Thomas Nuding (von links) überlegt zusammen mit dem Drohnenentwickler Philipp und Skipper Rene an welcher Stelle des Motorboots die Telemetrie-Antenne am besten montiert wird. | Bild: Leon Falk Salner

Da Sarah noch kein eigenes hochseetaugliches Boot zur Verfügung hat, das sich für einen effektiven Einsatz im Atlantik eignet, stachen ihre Mitglieder am 9. November vergangenen Jahres mit Mission Lifeline e.V. und deren Motorboot Marwa von San Miguel de Abona/Teneriffa aus in See. Sie brachen hintereinander zu drei Missionen auf. Bei der dritten Tour entdeckten sie tatsächlich ein Boot, das aufgrund von zwei kaputten Motoren manövrierunfähig auf den Wellen schaukelte. Für die Insassen hätte es keine Hoffnung auf Überleben gegeben, wären sie nicht gesichtet worden.

Boot mit 58 Menschen entdeckt

Im Morgengrauen bei ruhiger See entdeckte die Crew der Marwa das manövrierunfähige Boot der Flüchtenden.
Im Morgengrauen bei ruhiger See entdeckte die Crew der Marwa das manövrierunfähige Boot der Flüchtenden. | Bild: Leon Falk Salner

Morgens um 5.17 Uhr entdeckte die Crew der Marwa über Radar das in Seenot geratene Boot. Es befand sich 75 Kilometer südlich von Gran Canaria. Aus einem sicheren Abstand, der die in Not geratenen Menschen nicht dazu veranlasst, ins Meer zu springen und zum rettenden Boot zu schwimmen, nahmen die Seenotretter Kontakt zu den Flüchtenden auf und erfuhren, dass sich etwa 37 Personen an Bord befänden, sie seit vier Tagen auf dem Meer waren und gerade noch genug Trinkwasser hatten. Dies bedeutete, dass in Ruhe auf das Eintreffen der verständigten spanischen Seenotrettung Salvamento Maritimo gewartet werden konnte. Als diese um 7.37 Uhr eintraf, holten sie insgesamt 58 Personen vom Boot zu sich an Bord, darunter zwei Frauen und ein Kleinkind.

Die Suche nach Booten auf der 350 000 Quadratmeter großen Meeresfläche gleiche der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. „Es ist, als würde ich auf der Fläche der Bundesrepublik eine winzige Kugel suchen – und bin mit dem Fahrrad unterwegs“, gibt Thomas Nuding einen Eindruck von den unvorstellbaren Größenverhältnissen. Man müsse zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Eine ideale Ausrüstung sowie ein geeignetes Boot seien darüber hinaus ausschlaggebend, um die Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung zu erhöhen.

70 000 Euro fehlen zum eigenen Boot

Da Sarah bisher noch kein eigenes Boot besitzt, 70 000 Euro trennen sie noch von einer Bestellung, schlossen sich die Seenotretter vom Bodensee der Mission Lifeline an. Sie nahmen zwei Drohnen mit an Bord, deren Tauglichkeit für die Suche nach Flüchtlingsbooten getestet werden sollte. Mit dem Motorboot von Lifeline sei man zwar schneller und weiter vorwärts gekommen, doch liege es nicht so stabil im Wasser wie ein Segelboot. „Es schaukelt wie ein Korken auf dem Wasser, sodass auch erfahrene Segler seekrank werden“, erzählt Thomas Nuding.

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Auf ihrer Strecke von 250 Seemeilen (etwa 470 km) von Teneriffa bis zur Küste der West Sahara beobachteten die Crew-Mitglieder das Meer mit dem Fernglas, per Radar und mit einer Drohne, da die andere auf ihrem Flug verloren ging. Während das Radargerät das Meer Tag und Nacht überwacht, ist der Einsatz der Drohne, die mit Acht-Megapixel-Fotokameras ausgerüstet ist, nur am Tag sinnvoll. Sie sieht wie ein kleines Modellflugzeug aus, ist jedoch schneller und hat eine größere Reichweite. Sie kann 90 Kilometer weit fliegen, bevor sie wieder vom Boot aufgenommen werden muss. Über einen Laptop an Bord programmiert die Crew das Suchmuster der Drohne und wann sie zurückgekehrt sein muss, um den Akku zu laden. „Sie landet dann im Wasser neben dem Boot, wo wir sie mit einem Kescher herausholen“, beschreibt Thomas Nuding den Vorgang.

1800 Bilder pro Stunde

Die Drohne, die vom Aussehen her einem Modellflugzeug gleicht, wird vorbereitet für ihren Einsatz.
Die Drohne, die vom Aussehen her einem Modellflugzeug gleicht, wird vorbereitet für ihren Einsatz. | Bild: Leon Falk Salner

Die Drohne habe einen GPS-Empfänger und eine W-Lan-Antenne, womit ihr Flug beeinflusst werden könne. Eine Stunde lang kann sie fliegen, bevor ihr Akku wieder geladen werden muss. Eine Live-Übertragung zum Boot funktioniere noch nicht. Deshalb werden alle Daten erst nach dem Einholen der Drohne ausgelesen und ausgewertet. Die Kamera mache alle zwei Sekunden ein Bild, sodass sie insgesamt 1800 Bilder in einer Stunde produziert. Zu jedem Bild sind Metadaten hinterlegt, die den Seenotrettern Auskunft über die GPS-Position, die Uhrzeit und die Ausrichtung des Blickwinkels geben. In einem weiteren Schritt soll eine Software entwickelt werden, welche alle Bilder, auf denen nur Wasser zu sehen ist, aussortiert werden. „Dann bleiben nur noch etwa 50 Bilder übrig, die wir auswerten müssen“, erklärt der Meßkircher Unternehmer. Die Drohne werde pro Tag fünf- bis sechsmal gestartet. „Dadurch haben wir 900 Quadratkilometer Untersuchungsraum gewonnen“, erklärt Nuding.

Enge Verknüpfung mit dem Chaos Computer Club

Philipp bestückt die Drohne mit der notwendigen Technik.
Philipp bestückt die Drohne mit der notwendigen Technik. | Bild: Leon Falk Salner

Die Seenotretter sind eng verknüpft mit dem Chaos Computer Club, der Universität Augsburg sowie der Technischen Universität Berlin, um die Funktionalität der Drohne und der Software weiterzuentwickeln. Philipp, ein Student von der TU Berlin, befand sich bei den Missionen mit an Bord, um den Einsatz der Drohne zu überprüfen und bei der Auswertung zu unterstützen.

Rettung hat oberste Priorität

„Wir müssen den Spagat zwischen den Ausgaben für die Missionen und der Finanzierung unseres eigenen Schiffes schaffen“, betont Thomas Nuding. Die sechswöchige Mission Ende des vergangenen Jahres habe 20 000 Euro gekostet, wobei Sarah die Hälfte zu tragen hatte. Da die Rettung der Menschen oberste Priorität habe, dauere es halt etwas länger, bis das Geld zusammen sei. 70 000 Euro braucht es noch, dann ist die Mindestsumme von 210 000 Euro erreicht, um das hochseetaugliche Schiff zu bestellen. Der Meßkircher Seenotretter hofft zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen von Sarah, dass dieser Betrag schnell zusammenkommt. Ab August starten sie auf alle Fälle wieder ihre nächsten Missionen, um Menschleben zu retten.