Das Amtsgericht Sigmaringen hat unter Richterin Jasmin Niedermann einen 26-jährigen in Meßkirch lebenden Mann vom Tatvorwurf der Körperverletzung freigesprochen, die dieser im September 2024 begangen haben soll. Das Urteil ist rechtskräftig durch den von dessen Verteidiger, Rechtsanwalt Martin Fischer, erklärten Rechtsmittelverzicht. Die Referendarin Lina Buchner als Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte ebenfalls auf Freispruch plädiert.
Faustschlag ins Gesicht?
Somit wurde vor Gericht ein Fall aufgeklärt, der gegenüber dem Angeklagten ganz andere Intentionen enthielt, nämlich den Vorwurf, er habe Anfang September 2024 kurz vor Mitternacht einem Autofahrer durch dessen geöffneter Fensterscheibe einen Faustschlag ins Gesicht verpasst – zu ahnden als körperliche Misshandlung.
Auto gerammt
Der Angeklagte widersprach dem Tatvorwurf ruhig und entschieden. Ihm sei bei seiner Heimfahrt ein Fahrzeug mit vier Insassen im geringen Abstand gefolgt, sie hätten sogar zum Überholen angesetzt. Als er dann in seinem Wohngebiet zu wenden versuchte, habe es der Kontrahent mit aufgeblendetem Licht ihm gleichgetan. Dessen Fahrer habe ihm bei halb herausgestrecktem Kopf Handzeichen gegeben und sei währenddessen gegen das Heck seines Autos gefahren. Sachschaden: 6000 Euro, bislang nicht reguliert. Ihm sei es um Klärung des Sachverhalts mit dem anderen Fahrer gegangen. Dieser habe dies ohne Polizei gewollt, die er jedoch alarmierte. Nach ihrem Eintreffen wurde er mit Behauptungen der Gegenseite konfrontiert, den Fahrer geohrfeigt zu haben: „Was aber auf keinen Fall so war!“, erklärte der Angeklagte.
Gesichtsrötung nicht erkennbar
Das ihm vorgehaltene Delikt belastet den Angeklagten schwer, zumal sein Strafregister einen Fall von vorsätzlicher Körperverletzung im Streit mit einem Zeitarbeitsvermittler vom Februar 2023 enthält, demzufolge er unter Bewährung steht. Der zum Tatort herbeigerufene Bruder betonte im Zeugenstand dessen Läuterungsprozess. Ohnehin habe der Angeklagte in Anbetracht einer ihm gegenüberstehenden mehrköpfigen Übermacht eher schüchtern gewirkt. Die in den Zeugenstand berufene Meßkircher Polizeibeamtin erklärte, nur aufgrund des gemeldeten Verkehrsunfalls angerückt zu sein: „Vor Ort hat sich die Situation komplexer dargestellt“, bezog sie sich auf eine mögliche Verletzung im Zwist. Der Geschädigte sei ziemlich aufgebracht und dessen beide Begleiter arg alkoholisiert gewesen. Eine weitere Person wollte ihr erklären, wie sie ihren Job zu machen habe. Eine Gesichtsrötung beim Geschädigten war auch auf den im Gerichtsaal in Augenschein genommenen Lichtbildern nicht zu erkennen.
Vom Bremspedal gerutscht
Der 21-jährige Geschädigte schilderte den Unfall aus völlig anderer Warte: Er sei mit zwei Kollegen unterwegs gewesen, trotz Ortskenntnissen habe er sich verfahren. Vom Angeklagten habe er „direkt eine Backpfeife“ bekommen, sei dadurch in kurzzeitiger Benommenheit vom Bremspedal gerutscht und ihm hinten aufs Fahrzeug gefahren. Den tätlichen Angriff des Angeklagten vermochte er sich nicht zu erklären. Den ebenso ungeregelten Sachschaden am eigenen Wagen taxierte er auf 5000 bis 6000 Euro.
Bekifft im Zeugenstand
Ein 16-jähriger Zeuge, der hinten im Auto des Geschädigten saß, verwies auf seine Trunkenheit. Gegen einen weiteren, zum Prozess nicht erschienenen 17-Jährigen verfügte die Staatsanwaltsvertreterin eine dreitägige Ordnungshaft oder eine Ordnungsstrafe bei Nichtherbeiführung. Tatsächlich griffen ihn zwei Polizeibeamte in Meßkirch auf und führten ihn dem Gericht vor. Seine Mundmaske erklärte der reichlich derangiert wirkende junge Mann mit einer Erkältung, die Staatsanwältin nahm Geruch von Marihuana wahr. Er wusste nicht mehr, ob er damals auf dem Beifahrersitz oder hinten im Auto saß. „Ich war ziemlich betrunken und es hat sich so angefühlt, als wär‘s eine Backpfeife gewesen“, so dessen vage Eindrücke zum Geschehen.
Urteilsbegründung
Die Staatsanwältin Lina Buchner bewertete den Verkehrsunfall als nicht strafrechtlich relevant. Der Angeklagte habe mit detaillierten Angaben einen guten Eindruck gemacht. Die oberflächliche Argumentation des Geschädigten sowie dessen durch angebliche Bewusstseinstrübung verlorene Kontrolle über sein Auto oder die Aussagen seiner Begleiter im Stile von „es wird wohl so gewesen sein“ hätten sie nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Die Richterin, Jasmin Niedermann, interpretierte die Aussagen des Geschädigten und seiner Begleiter als abgesprochen, es liege wohl ein starkes Interesse hinsichtlich der Unfallregelung vor. Die Verfahrenskosten übernimmt die Staatskasse, der herbeigeführte Zeuge muss seine Auslagen selber tragen.