Für das Kolpingtheater, das seit 1996 spektakuläre Aufführungen vor der Kulisse des Meßkircher Schlosses präsentiert, brachte das Jahr 1985 die entscheidende Schubkraft. Nach 15-jähriger Ruhepause drängte es die jungen Akteure der Meßkircher Kolpingfamilie auf die Bühne. Als sie Winfried Herrmann ihren Wunsch vortrugen, hatten sie ihn auch schon an ihrer Angel. Eigentlich hatte sich der Altsenior, der bereits seit den 50er Jahren auf Meßkircher präsent und erfolgreich war, in den Theater-Ruhestand zurückgezogen. Doch offensichtlich ließ sich die Leidenschaft sogleich wieder wecken. Zum 75-jährigen Vereinsjubiläum griff er selbst zur Feder und verfasste das Bühnenstück „Der Mann aus Kerpen“, in dem er das Lebensbild von Adolph Kolping schilderte. Die Aufführung wurde zum Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten im Herz-Jesu-Heim. Ein schillernder Auftakt, um die Theatertradition wieder aufleben zu lassen und den Wunsch, Bühnenstücke zu präsentieren, nachhaltig in der Kolpingfamilie zu verankern. Während 1985 etwa 25 Mitwirkende die Aufführung realisierten, umfasst die gesamte Crew heute 250 Personen.

Bei der Aufführung zu „Es war einmal in Chicago“ 2019, stellte die Kolpingbühne eine mehrstöckige eindrucksvolle Kulisse ...
Bei der Aufführung zu „Es war einmal in Chicago“ 2019, stellte die Kolpingbühne eine mehrstöckige eindrucksvolle Kulisse her. Bis zu 750 Besucher können auf der Tribüne Platz finden. | Bild: Günther Brender

Theaterspiel bei der Kolpingfamilie geht zurück bis 1910

Die Tradition des Theaterspiels geht in der Meßkircher Kolpingfamilie bis ins Jahr 1910 zurück. In dieser Zeit kamen bereits erste kleinere Stücke auf die Bühne. Aufzeichnungen in frühen Protokollbüchern belegen eine rege Theateraktivität in den 1920er Jahren, wie in der Chronik der Kolpingsfamilie Meßkirch nachzulesen ist. In den 70er Jahren gab es keine Aufführungen. Erst 1985 erwachte das Theaterspiel zu neuem Leben und zu neuer Blüte.

„Wir waren ein paar Ältere und viele Junge“, erinnert sich Uli Lipp, der 1985 mit dabei war. Nach dem Erfolg des ersten Stücks der neuen Truppe führten sie in regelmäßigen Abständen im Martinssaal Stücke auf, die der klassischen Theaterliteratur verbunden waren. Der Kern der Theatergruppe aus „Kolping Jugend“ und „Jungen Erwachsenen“ verfestigte sich unter ihrem Mentor Winfried Herrmann. Bühnenerfahrung und Talent hatten seinen Blick für junge Talente herausgebildet und sie mit der Begeisterung angesteckt. „Jeden hat es gekitzelt mitzumachen“, schildert Lipp die Stimmung. Neben ihm gehörten Andreas Fritz, Martin Schlude, Thomas Schlude, Peter Lotzer, Thomas Schafheitle, Benedikt Herrman, Gernot Fischer, Verena Herrmann und Claudia Gebert zum festen Stamm. Fast alle stehen noch heute auf der Bühne und können ihre Erfahrungen an Jüngere, zu denen bereits die eigenen Kinder gehören, weitergeben.

Weitere erfolgreiche Aufführungen

Die Aufführung von „Pygmalion“ 1988: (hinten, von links) Thomas Schafheitle, Uli Lipp; (vorne) Martin Schlude, Viola ...
Die Aufführung von „Pygmalion“ 1988: (hinten, von links) Thomas Schafheitle, Uli Lipp; (vorne) Martin Schlude, Viola Herrmann, Verena Herrmann und Martina Fuchs. | Bild: Kolping-Archiv

Der Erfolg und die Begeisterung des Publikums trug sie von Aufführung zu Aufführung. Nach dem Jubiläumsspiel über Adolph Kolping folgt „Des Königs Schatten“ von Bernt von Heiseler (1987) und danach die Bühnenfassung von „Pygmalion“ von George Bernard Shaw (1988), in dem Uli Lipp den selbstherrlichen Sprachwissenschaftler Professor Higgins spielte und Verena Herrmann die Rolle des Blumenmädchens Eliza. 1990 präsentierten sie den englischen Krimiklassiker „Ein Inspektor kommt“ von John B. Priestley (1990).

Zunehmende Professionalisierung der Auftritte

Mit jedem Theaterprojekt seit den 80er Jahren professionalisierten sich die Auftritte und die Technik. Ein tragischer Einschnitt bildete der plötzliche Tod von Winfried Herrmann im Jahr 1994. 1996 nahmen Thomas Schlude und Uli Lipp die Herausforderung an, ein neues Projekt zu realisieren. Mit ihm startete das Freilichttheater. Der Gymnasiallehrer Gunnar Mielke hatte dafür das Historienspiel „Der Kampf um Mößkirch“ geschrieben, erkrankte jedoch in der Vorbereitungsphase schwer, weshalb er die Regie nicht übernehmen konnte. Schließlich nahmen der Vorsitzende des Kolpingtheaters, Thomas Schlude, und Uli Lipp die Spielleitung selbst in die Hand.

Mit jeder weiteren Aufführung nahm auch der Ehrgeiz der Theatergruppe und damit der Aufwand zu. Gerade in den vergangenen 15 Jahren gedieh eine Inszenierung, die alle Sinne anspricht. Zu jeder Aufführung wird auf dem Platz zwischen Kirche und Schloss einen Graben für die Souffleusen ausgehoben, eine Zuschauer-Tribüne und eine raffinierte Kulisse aufgestellt, es gibt Sänger, Musiker, Tänzer, Fecht- und Kampfszenen und alles muss organisiert und zusammengeführt werden. Benedikt Herrmann und Thomas Schlude haben dies gemeinschaftlich übernommen. Da der Aufwand so enorm ist, findet nur noch alle vier Jahre eine Aufführung statt. Die nächste ist für das Jahr 2023 geplant.

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